Szene V
 
 
Elektra allein.
 
 
Ich scheide, und das einzige Wesen,
 
 
das ich liebe und verehre – o Götter! –
 
 
geht mit mir? Ach, allzu
 
 
eng ist mein Herz für so viel Freude.
 
 
Fern von der Rivalin
 
 
werde ich es mit Liebkosen und Schmeicheleien erreichen,
 
 
dass das Feuer, das ich früher
 
 
nicht löschen konnte,
 
 
für jene Augen erlösche und sich für die meinen entzünde.
 
 
Nr. 13 Arie
 
 
Elektra
 
 
Mein Geliebter, wenn
 
 
eine andere Geliebte Dich mir Widerspenstigen zurückgibt,
 
 
so beleidigt mich
 
 
strenge
 
 
Liebe doch nicht, eher noch reizt sie mich.
 
 
Die nahe Glut wird
 
 
die ferne Glut dir aus der Brust treiben:
 
 
Die Hand
 
 
kann mehr Liebe reichen,
 
 
wenn das liebende Herz nah ist.
 
 
[Man hört von weitem einen wohlklingenden Marsch.]
 
 
Nr. 14 Marsch
 
 
Elektra
 
 
Ich höre von weitem einen wohlklingenden Ton,
 
 
der auf das Schiff mich ruft… Auf, gehen wir.
 
 
[geht rasch ab.]
 
 
[Man hört den Marsch, während die Szene wechselt, immer näher kommen.]
 
 
Der Hafen von Kydonia mit Befestigungen längs des Ufers.
 
 
Szene VI
 
 
Elektra, Krieger aus Argos und Kreta, Schiffsleute.
 
 
Rezitativ
 
 
Elektra
 
 
Kydonias Ufer! O Ihr,
 
 
für mich harte Stätte der Tränen, des Schmerzes und der feindlichen Liebe,
 
 
jetzt, da ein gnädigerer Stern
 
 
von euch mich entführt, verzeihe ich euch und verlasse euch in Frieden
 
 
bei meiner fröhlichen Abreise
 
 
und sage das letzte Lebewohl.
 
 
Nr. 15 Chor
 
 
Chor
 
 
Still ist das Meer, gehen wir;
 
 
alles beruhigt uns.
 
 
Glücklich wird unser Los sein,
 
 
auf, auf, lasst uns jetzt scheiden.
 
 
Elektra
 
 
Liebliche Zephire,
 
 
weht alleine,
 
 
besänftigt den Zorn
 
 
des kalten Nordwindes,
 
 
gebt
 
 
eine angenehme Luft frei,
 
 
wenn sich durch euch
 
 
die Liebe über alles breitet.
 
 
Szene VII
 
 
Idomeneo, Idamantes, Elektra. Gefolge des Königs.
 
 
Rezitativ
 
 
Idomeneo
 
 
Geh weg, Prinz.
 
 
Idamantes
 
 
O Himmel!
 
 
Idomeneo
 
 
Zu lange verweilst du.
 
 
Reise ab, und ein unfehlbarer Ruf
 
 
tausender Heldentaten komme deiner Rückkehr
 
 
zuvor. Wenn du die Kunst zu regieren
 
 
erlernen willst, so beginne jetzt,
 
 
den Elenden eine Stütze zu sein,
 
 
immer würdiger des Vaters und deiner selbst.
 
 
Nr. 16 Terzett
 
 
Idamantes
 
 
Ehe ich scheide – o Gott! –,
 
 
dulde, dass ich einen Kuss
 
 
auf die väterliche Hand drücke.
 
 
Elektra
 
 
Dulde, dass das Herz
 
 
durch diese Lippen ein dankbares Lebewohl sagt:
 
 
Lebe wohl, würdiger Herrscher!
 
 
Idomeneo
 
 
[zu Elektra.]
 
 
Geh jetzt, du wirst glücklich sein.
 
 
 
 
Sohn, dies ist dein Schicksal.
 
 
Sei den Wünschen gewogen, o Himmel!
 
 
Elektra, Idamantes, Idomeneo
 
 
Sei den Wünschen gewogen, o Himmel!
 
 
Elektra
 
 
Wie viel darf ich hoffen!
 
 
Idamantes
 
 
Ich gehe,
 
 
 
 
(und mein Herz bleibt hier.)
 
 
Idomeneo
 
 
Leb wohl.
 
 
Idamantes
 
 
Leb wohl.
 
 
Elektra
 
 
Leb wohl.
 
 
Elektra, Idamantes, Idomeneo
 
 
Leb wohl.
 
 
Idamantes, Idomeneo
 
 
[jeder für sich.]
 
 
 
 
(Grausames Schicksal!)
 
 
 
 
Idamantes
 
 
 
 
(O llia!)
 
 
Idomeneo
 
 
 
 
(O Sohn!)
 
 
Idamantes
 
 
O Vater! O Abschied!
 
 
Elektra
 
 
O Götter! Was wird nun?
 
 
Elektra, Idamantes, Idomeneo
 
 
 
 
Ach, es ende das Durcheinander;
 
 
die Gnade des Himmels
 
 
wird ihre Hand reichen.
 
 
 
 
[gehen zu den Schiffen.]
 
 
[Während sie gehen, um sich einzuschiffen, erhebt sich plötzlich ein Sturm. Das Volk singt den folgenden Chor.]
 
 
Nr. 17 Chor
 
 
Chor
 
 
Welch neues Entsetzen,
 
 
welch rauhes Gebrüll!
 
 
Das Zürnen der Götter
 
 
hat das Meer aufgebracht.
 
 
Neptun, Erbarmen!
 
 
[Der Sturm nimmt zu, das Meer schwillt an, der Himmel donnert und blitzt, und die zahlreichen Blitze entzünden die Schiffe. Ein furchtbares Ungeheuer entsteigt den Wellen. Das Volk singt den folgenden Chor.]
 
 
Welchen Hass, welchen Zorn
 
 
zeigt uns Neptun!
 
 
Wenn der Himmel zürnt,
 
 
was ist unsere Schuld?
 
 
Der Schuldige, wer ist es?
 
 
Rezitativ
 
 
Idomeneo
 
 
Sieh in mir den Schuldigen, grausamer Gott!
 
 
Ich allein irrte, mich allein strafe,
 
 
und dein Zorn treffe mich. Mein Tod
 
 
möge dich endlich befriedigen; begehrst du aber ein anderes
 
 
Opfer an meiner statt, ein unschuldiges
 
 
kann ich dir nicht geben,
 
 
und wenn du es auch willst,
 
 
bist du ungerecht: Fordern darfst du es nicht.
 
 
[Das Unwetter dauert an. Die Kreter fliehen entsetzt, und im folgenden Chor drücken sie mit Gesang und Pantomime ihr Entsetzen aus; was alles eine entsprechende Handlung bildet und den Akt mit dem üblichen Divertimento abschließt.]
 
 
Nr. 18 Chor
 
 
Chor
 
 
Lasst uns laufen, entfliehen
 
 
dem grausamen Untier.
 
 
Lasst uns laufen, entfliehen,
 
 
ach, schon sind wir seine Beute!
 
 
Wer, tückisches Schicksal,
 
 
ist grausamer als du?
 
 
 
 
[Ende des zweiten Aktes.]