Kritische Edition des Librettos (Libretto)   Kritische Edition des Libretto-Entwurfs (Libretto-Entwurf)  
Erster Auftritt
Bastienne allein.
    Mein bester Freund hat mich verlassen,
mit ihm ist Schlaf und Ruhe hin;
für Leid weiß ich mich nicht zu fassen,
der Kummer schwächt mir Aug und Sinn.
Für Gram und Schmerz
erstarrt mein Herz,
ja diese Not
bringt mir den Tod.
Bastien, du fliehst von mir,
verlässest die Geliebte?
War je ein Tigertier,
das solchen Gräul verübte?
Gehört nicht deine Treu und du
nach so viel teuern Schwüren
nur Bastiennen zu?
Kann dich mein Leid nicht rühren?
O weh! ich ruf und schrei
beständig, doch vergebens:
Bastien bleibt ungetreu,
mir droht das Ende meines Lebens.
So oft ich an ihn denk, weint ihm mein Auge Tränen,
und stets denk ich an ihn;
und der Treulose gibt itzt einer fremden Schönen,
die etwa schöner ist, statt mir sein Herze hin.
O Schmerz! für meine zarten Triebe,
auf ewig gute Nacht, o meine arme Liebe.
    Ich gehe auf die Weide,
betäubt und ganz gedankenleer,
ich seh zu meiner Freude
nichts als mein Lämmerheer.
Ach! ganz allein
voller Pein
stets zu sein,
bringt dem Herz
nur Qual und Schmerz.
    Rufe ich bei dunkeln Schatten
ins Dorf, so wird die Zeit mir lang:
Ich finde keinen Gatten
zum Tanz und zum Gesang.
Ach! ganz allein
voller Pein
stets zu sein,
bringt dem Herz
nur Qual und Schmerz.
Zweiter Auftritt
Bastienne, Colas.
(Colas kömmt von einem Hügel und spielet auf dem Dudelsacke.)
    Befraget mich ein zartes Kind
um sein zukünftigs Glücke,
les ich das Schicksal ihm geschwind
aus dem verliebten Blicke.
Ich sehe, bloß des Liebsten Gunst
kann zum Vergnügen taugen.
Wie leicht wird mir die Zauberkunst
bei zwei verliebten Augen.
    Lisett schaut seufzend Petern an
und klagt, dass ihr was fehlet;
er sinnt und schweigt, der dumme HannSynonym für "Mensch". Aufgrund der Häufigkeit des Taufnamens "Johannes" wurde vor allem die gekürzte Form "Hans" auf diese (fast immer despektierliche) Weise gebraucht. Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 10, Leipzig 1877, Sp. 455ff. (Art. "HANS").,
errät nicht, was sie quälet.
Ich sag ihm nur: „Du sollst als Mann
vom Seufzen sie befreien."
So ist der Handel abgetan
ohn alle Zaubereien.
Bastienne
Willkommen, Herr Colas,
dürft ich dich nicht was bitten?
Colas
Von Herzen gern, nur sprich, mein Kind, um was?
Bastienne
Mein Herz wird stets von Lieb und Gram bestritten.
Ach! schaff als Zauberer
für den Verdruss,
der mich sonst töten muss,
ein sichres Mittel her.
Du weißt doch wohl ein solches Mittel?
Colas
Ja ganz gewiss, mein Kind,
da gehst du gar nicht blind:
Ich trage nicht umsonst als Zaubrer meinen Titel.
Potz Blitz! wenn du erst weißt,
was mein geheimnisvoller Zaubergeist
für seltne Wunder kann erwecken.
Ich brauch so viele Mühe nicht,
Verliebten bloß aus dem Gesicht
ihr ganzes Glück und Unglück zu entdecken.
Bastienne
Allein, mein lieber Herr Colas!
es fehlt mir noch etwas:
Ich hab kein Geld, dich zu belohnen.
Drum nimm gleichwohl, für dein Bemühn,
mein einziges Geschmuck, die Ohrenbuckeln hin.
Colas
Nein, Herzchen! nein! damit musst du mich schonen,
so geizig war ich nie.
Bastienne
Wie, du verschmähest sie?
Colas
Ich mag dich nicht berauben,
nur ein paar Mäulchen – – –
Bastienne
Nein, das kann ich nicht erlauben:
Die sind für Bastien.
Ach komm, lass uns vielmehr zur Sache gehen,
von meiner Heurat sprechen.
Soll Eifer und Verdruss,
den ich ertragen muss,
noch gar mein mattes Herze brechen?
Soll ich denn sterben?
Colas
Nein, mein liebes Kind!
so jung und schön, das wäre ewig Sünd.
Bastienne
Doch saget jedermann,
Bastien hätt mich verlassen.
Colas
Ei, kehr dich nicht daran:
Er wird dich niemals hassen.
Bastienne
Soll's möglich sein, kömmt er zurück?
Hält er mich noch für schön? O Glück!
Colas
Er liebet dich von Grund der Seele.
Bastienne
Doch ist er ungetreu und weiß, wie ich mich quäle.
Colas
Nicht ungetreu, nur etwas flatterhaft.
Verlass dich ohne Gram auf deiner Schönheit Kraft.
Bastienne
Doch wenn uns einst die Ehe verbindet,
zum Geier! wenn er mir die Haut vom Kopfe schindet,
ich leid ihm keine andre mehr.
Colas
Sei ruhig, eifre nicht so sehr,
er wird dich treulich lieben.
Den Aufputz liebt er halt:
Drum ward er durch Gewalt
von Schankungen zum Flattern angetrieben.
Bastienne
Den Aufputz? Hab ich ihn nicht selbst g'nug ausstaffiert?
Wer war's, der ihm zu Hut und Stab
die golddurchwirkten Bänder gab?
Wer hat ihn so wie ich,
dass ihm kein andrer Schäfer glich,
mit Blumen ausgezieret?
    Wenn mein Bastien im Scherze
mir ein Blümchen sonst entwand,
drang mir selbst die Lust durchs Herze,
die er bei dem Raub empfand.
Warum wird er von Geschenken
einer andern itzt geblendt?
Alles, was nur zu erdenken,
ward ihm ja von mir gegönnt.
MeiereienHier "Landgüter". Der Meier war der oberste Verwalter einer Gutswirtschaft. Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 12, Leipzig 1885, Sp. 1904f. (Art. "MEIEREI")., Feld und Herden
bot ich ihm mit Freuden an;
soll ich nun verachtet werden,
da ich ihm so viel getan?
    Hat wohl je am Kirchweihfeste
jemand so wie er gestutzt?
Ward sein Hut nichts stets aufs Beste
maschenweich und aufgeputzt?
Nie zwar wird die Müh mich reuen,
denn noch itzt bin ich ihm hold;
seine Flöten und Schalmeien
zierten Bänder reich von Gold.
Ja den Falschen recht zu zieren,
nahm ich meines Mieders Schmuck,
Bänder, Borten, samt den Schnüren,
und mein Lohn ist itzt Betrug.
Colas
O deine Wohltat ist zwar groß,
allein die Edelfrau vom Schloss
weiß ihn weit besser zu verbinden:
Durch Schmäuchelei und Ränke
kann er bei ihr die kostlichstenModern "köstlich", bedeutet hier "sehr kostbar". Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 11, Leipzig 1873, Sp. 1876f. (Art. "KÖSTLICH". Geschenke
mit leichter Mühe finden.
Was Wunder, wenn sie dir den Bastien verführt?
Du weißt ja, dass der Daum"Daum", wörtlich für "Dunst, Dampf, Qualm", ist schon im 18. Jhdt. selten anzutreffen und wird mittlerweile nur noch dialektal verwendet. In übertragener Bedeutung steht "Daum" wohl wie "Dunst" für das Nichtige, Täuschende und Trügende, mithin den bloßen Schein. Vgl. Albert L. Lloyd et al., Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen, Bd. 2, Göttingen/Zürich 1998, Sp. 744f. (Art. "doum2"); Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 2, Leipzig 1860, Sp. 1561 (Art. "DUNST"). die ganze Welt regiert.
Bastienne
Ei pfui! der Wankelmut
muss mich nicht wenig schmerzen:
Das steht fürwahr nicht gut.
Mir strebte Geld und Pracht
auch oft nach meinem Herzen,
doch hab ich sie veracht.
    Würd ich auch wie manche Buhlerinnen
fremder Schmäucheleien niemals satt,
wollt ich mir ganz leicht das Herz gewinnen
von den schönsten Herren aus der Stadt.
Doch nur Bastien reizt meine Triebe
und mit Liebe
wird ein andrer nie belohnt.
„Geht“, sag ich, „und lernt von meiner Jugend,
dass die Tugend
auch in Schäferhütten wohnt.“
    Gegen Abend, nächst, ging bei dem Holze
ein gar hübscher Junker auf mich los
und verhieß, mit größtem PrachtNoch bis Ende des 18. Jhdts. finden sich Belege für maskulines "Pracht"; das feminine Genus war aber schon längst vorherrschend. Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 13, Leipzig 1889, Sp. 2042f. (Art. "PRACHT"). und Stolze
mich sogleich zu führen in sein Schloss.
Er versprach mir Gold und viele Taler,
doch dem Prahler
ward sein Wunsch sehr schlecht belohnt.
„Geht“, sagt ich, „und lernt von meiner Jugend,
dass die Tugend
auch in Schäferhütten wohnt.“
    „Schönstes Kind! du bist recht zum Charmieren“,
schwur mir ein geschminkter Herzensdieb.
„Kommt mit mir, Ihr sollt mein Haus regieren;
ich hab Euch mehr als mich selbsten lieb.“
Aber ich erkannt sogleich den Schmäuchler
und dem Heuchler
ward sein Hoffen nicht belohnt;
„Geht“, sagt ich, „und lernt von meiner Jugend,
dass die Tugend
auch in Schäferhütten wohnt.“
Colas
Nun gib dich nur zufrieden;
er kehret schon zurück zu dir.
Ich steh dir gut dafür,
er ist gewiss zum Manne dir beschieden.
Doch brauch ein wenig List.
Du musst zum Spaß leichtsinnig dich gebärden
und, wie er's eben ist,
zum Schein ihm untreu werden:
Denn Scherz und Scheinbetrug
wird dir am besten dienen,
den Liebsten wiederzugewinnen.
Bastienne
Ach! Herr Colas, ich bin ja nicht verschmitzt genug:
Ich seh ihn kaum, muss ich
für Angst die Sprach verlieren,
ich denk nur, wie ich mich
ihm reizend g'nug kann zieren;
ich schau nur, ob die Ärmel schön
und ob das Krösel recht in Falten lieget,
ob sich das Mieder gut zum schlanken Leibe füget,
ob Strümpf und Schueh recht sauber stehn
und ob der nette Rock sich hübsch um mich verbreitet.
Colas
Mein Kind! dies nützet nicht,
hierdurch wird er zu seiner Pflicht
und vor'ger Treue nicht geleitet.
Nein! stelle dich vielmehr,
als ob er dir zuwider wär.
Kurz: Flatterhaft musst du ihm scheinen,
dann wird er sich gar bald mit dir vereinen.
Je mehr du ihn wirst fliehn,
wirst du ihn zu dir ziehn:
Nimm drum nur Witz und List zusammen
und mach's wie in der Stadt die Damen.
    Auf den Rat, den ich gegeben,
sei, mein Kind! mit Fleiß bedacht.
Bastienne
Ja, ich werde mich bestreben,
ja, mein Herr! bei Tag und Nacht.
Colas
Wirst du mir auch dankbar leben?
Bastienne
Ja, mein Herr! bei Tag und Nacht.
Colas
(O die Unschuld!) Dir zum Glücke
meide itzt die finstern Blicke,
nimm ein munters Wesen an.
Bastienne
Ja, mein Herr! so gut ich kann.
Dritter Auftritt
Colas allein.
Colas
Ein wunderlich verliebtes Paar,
die Unschuld ist fürwahr mir auf dem Lande.
In Städten wär der Zufall wahr:
Da kömmt man schon im WeisbandBand, an dem Kinder geführt wurden. Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 28, Leipzig 1955, Sp. 1011 (Art. "WEISBAND"). zum Verstande,
die Kinder fassen wie der Blitz;
die Tochter übertrifft die Mutter oft an Witz.
Doch still! Hier kömmt der angenehme Hirt,
Ha! eben recht, hier kömmt der Flattergeist;
der selber, von den besten Damen,
den Junkern aus uraltem Stammen
an Liebe vorgezogen wird.
Beim Geier! das ist eine Schande,
die Damen haben Bauern gern
und unsre Mädchen auf dem Lande
verachten aus der Stadt die Herrn.
ich hab ihm kurz zuvor die Lektion gelesen
und wacker abgesteißt.
Vierter Auftritt
Colas, Bastien.
Bastien
Bastien
    Großen Dank dir abzustatten,
Ach Herr Colas!
Herr Colas! ist meine Pflicht;
nun bin ich nimmer das,
du zerteilst des Zweifels Schatten
was ich zuvor gewesen;
durch den weisen Unterricht.
durch deine Zaubermacht
hast du mich ganz zurechtgebracht,
Ja, ich wünsche, die zu gatten,
die des Lebens Glück verspricht.
In den angebotnen Schätzen
ist für mich kein wahr Ergetzen;
Bastiennens Lieblichkeit
ja außer Bastiennen
macht mich mehr als Gold erfreut.
veracht ich alle Schönen.
Colas
Ha! findet itzt mein Zuspruch bei dir statt,"stattfinden" bedeutet hier "erhört werden". Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 17, Leipzig 1919, Sp. 986 (Art. "STATT").
bist du der leeren Schmäucheleien
nun endlich satt?
Itzt magst du deine Narreteien
auf lebenslang bereuen:
Denn die Bekehrung ist zu spat.
Bastien
Wie soll ich das verstehen?
Colas
Kurz: Du hast ausgefressen,
du magst nun weitergehn.
Sie wird dich nimmer lieben.
Bastien
Ei geh! es ist mir schon bewusst,
du hast nur Lust,
durch Scherz mich zu betrüben;
ich steh nur gar zu gut
in ihrem kleinen Herzen,
wie könnt ich es so schnell verscherzen?
Jawohl! ich wette Gut und Blut,
sie wird sich nie bequemen,
dass sie ihr Herz wem andern gibt;
ich weiß, wie zärtlich sie mich liebt.
Colas
Nun, wenn sie es nicht gibt, so lässt sie sich's doch nehmen.
Bastien
    Geh, du sagst mir ein Fabel;
Bastienne trüget nicht.
Nein! sie ist kein falscher Schnabel,
welcher anders denkt als spricht.
Wenn mein Mund sie herzig nennet,
hält sie mich gewiss für schön,
und wenn sie vor Liebe brennet
muss die Glut von mir entstehn.
    Ihre Gunst mir zu entdecken,
spart sie keine Neckerei,
schlieft bald hinter Zaun und Hecken,
schreckt mich dann durch ihr Geschrei;
oder wirft mit kleinen Steinen
oder stößt mich in den Teich
oder zwickt mich bei dem Beinen,
sag, ist das kein Liebesstreich?
    Wenn wir manchmal Plumpsack spielen,
klopft sie keinen so wie mich:
Bald muss ich ihr Stäbchen fühlen,
bald trifft mich ein Nadelstich.
Bald stiehlt sie mir Kramp und Hacke,
bald erwischt sie mich beim Ohr.
Leucht aus so viel Schabernacke
nicht dieselbe Lieb hervor?
Colas
Das kann wohl sein,
doch itzt trifft alles dieses nicht mehr ein.
Dein Schatz hat sich wen andern auserwählet,
der reich und schön und artig ist.
Der sich viel höflicher und liebenswürdiger stellet,
als du bisher gewesen bist.
Bastien
Der mag zum Henker gehen
mit aller seiner Artigkeit.
Colas
So ist es, mir ist leid.
Bastien
Wie ist denn aber das geschehen?
Sprich doch, wie weißt du dies?
Colas
Aus meiner Kunst.
Bastien
Aus deiner Zauberkunst?
Colas
Nicht anders, ganz gewiss.
Bastien
Du machest mich zum Narren
und nimmst mir alle Ruh.
Colas
Du armer Nachbar du,
du wirst es schon erfahren.
Bastien
Potz Stern und Element!
So muss ich mich erhenken oder tränken.
Colas
Das hättst du sollen eh bedenken,
beim Anfang seh man auf das End.
Ein hübscher Jung zu sein
kann noch für sich allein
bei Mädchen dich nicht glücklich machen.
Sie werden allgemach gescheit
und fodern andre Sachen:
Sie wollen Reichtum auch und Treu und Höflichkeit.
Die Zeit und Weil ist wandelbar,
auf einen guten Tag folgt oft,
eh man's verhofft,
ein ganzes schlimmes Jahr.
Bastien
O weh, ich muss verzweifeln!
Ach Herr Colas! tu mir die letzte Gunst
und ruf durch deine Zauberkunst,
wenn sonst nichts helfen kann,
die allerklügsten Teufeln
um Rat und Hilfe an,
wie meine Liebste Bastienne
mit mir auf Neu vereinigt werden könne.
Colas
Ihr armen Kinder, ihr!
Mir dringet euer Schmerzen
gewisslich selbst zu Herzen,
allein es ist so leicht kein Mittel mehr dafür.
Doch wart, ich wage noch den einzigen Versuch,
vielleicht ist doch was auszufinden:
Ich will in meinem Zauberbuch
dein Schicksal erst ergründen.
(Er nimmt ein Buch aus seinem Schnappsacke hervor und machet im Lesen allerhand Gaukeleien, worüber Bastien in Furcht gerät.)
    Diggi daggi!
Schuri! Muri!
Horum, Harum,
Lirum, Larum,
Raudi! Maudi!
Giri! gari! pohito,
Besti Basti Saronfroh,
fatto matto, quid pro quo.
Bastien
Ist nun die Hexerei
einmal vorbei?
Colas
Ja, komm nur her! Es wird dir nichts geschehen.
Ich sage dir vielmehr zum Trost
recht eine frohe Post.
Du wirst Bastiennen wiedersehen.
Bastien
Sie sehen? Herr Colas!
Sonst weiter nichts als das?
Wird sie mich nicht auch wieder lieben?
Colas
Auch dieses wie vorher,
doch musst du sie nicht mehr,
wie du getan, betrüben;
du musst gefällig, hübsch und fein,
nicht wankend wie ein Hackstock sein,
so wirst du Lieb und Treu
bei ihr stets mehr verstärken.
Fünfter Auftritt
Bastien allein.
Schön Dank! es bleibt dabei,
Ich danke dir für deine Gunst,
das Ding will ich mir merken.
vernimm, o Freund! die Wirkung deiner Kunst:
Arie
    Meiner Liebsten schöne Wangen
    Was ich immer seh und finde
will ich froh aufs Neue sehn,
bringt mir Ekel, Qual und Pein;
bloß ihr Reiz stillt mein Verlangen,
außer diesem guten Kinde
Gold kann ich um sie verschmähn.
kann mich nimmer was erfreun.
Weg mit Hoheit, weg mit Schätzen,
Sie hab ich erkoren,
eure Pracht wirkt nichts bei mir;
ich mach es dir kund:
nur mein Mädchen kann ergetzen,
Sie steckt mir in Augen, sie steckt mir in Ohren,
hundertmal noch mehr als ihr.
in Füßen und Händen, im Herz und im Mund.
    Wuchrer, die bei stolzen Trieben
bloß der Glanz des Golds entzückt,
würden ihre Unschuld lieben,
schätzten sich durch sie beglückt.
Doch umsonst! Hier sind die Grenzen,
nur für mich ist sie gemacht,
und mit kalten Reverenzen
wird Reichtum hier verlacht.
Sechster Auftritt
Bastien, Bastienne.
Bastien
Hier ist sie wirklich schon,
was soll ich ihr nun sagen?
Kann ich ihr zornigs Aug ertragen?
Ich laufe lieber gar davon – – –
Doch nein! ich könnt mein ganzes Glück verscherzen;
vielleicht verlör ich sie und säh' sie nachmals nicht.
Bastienne
Er hat mich schon entdeckt, der schlaue Bösewicht.
Was fühl ich nicht für ihn in meinem Herzen!
Bastien
Beim Schlapperment"Verhüllende Entstellung von Sakament in Verwünschungen". Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 15, Leipzig 1899, Sp. 488 (Art. "SCHLAPPERMENT").! sie ist schon vollig da!
Bastienne
Jedoch! wie unvermut' komm ich ihm gar so nah!
Bastien
Wie wird sie sich itzt rächen! – – –
Wohlan, es sei gewagt;
was sie auch immer sagt,
ich muss mit ihr doch sprechen.
Willkommen, liebes Kind! der Zufall fügt sich schön,
dass wir so ungefähr uns da einander sehn,
doch wie! Was ist geschehen,
du lässt ein trübes Aug und finstre Mienen sehen?
Wer hat dir was zuleid getan?
Bastienne
Wer bist du? Fort! dich geht's nicht an.
Bastien
Wie! dieses höre ich von Bastiennen?
Mich? deinen Bastien? mich sollst du nicht kennen?
Bastienne
Du wärst mein Bastien? Gewesen, ja, kann sein;
itzt bist du's nimmer, nein.
    Er war mir sonst treu und ergeben,
mich liebte Bastien allein;
mein Herze war nur sein Bestreben,
nur ich, sonst niemand, nahm ihn ein.
Das schönste Bild gefiel ihm nicht,
auf mich nur ward sein Blick gericht.
Ich konnt vor andern allen
ihn reizen, ihm gefallen.
Auch Damen wurden nicht geschätzt,
die oft sein Blick in Glut gesetzt.
Wenn sie Geschenke gaben,
musst ich dieselben haben.
Mich liebte er, nur mich allein,
doch nun will er sich andern weihn.
Vergebens ist itzt meine Liebe:
Mein Liebster, der sich mir entreißt,
verbittert die sonst süßen Triebe
und wird ein Flattergeist.
Bastien
Mein Kind! was kömmt dir in den Sinn?
Du glaubest, dass ich untreu bin?
Du hast dich weit geirret
und machst dir ohne Grund Verdruss.
Es hat mich zwar ein kleiner Hexenschuss
von einem Poltergeist verführet,
doch hat mir Herr Colas schon wieder Heil verschafft.
Bastienne
O diese Ausflucht hat dir schlecht gelungen:
Wie du zuvor von Hexerei,
so bin itzt ich von Zauberei
zu fremder Lieb gezwungen.
Allein Colas, der gute Herr,
verändert mich durch seine Kunst nicht mehr:
Ich kann mich nicht einmal bequemen,
von ihm ein Mittel anzunehmen.
Bastien
So heurate! Durch einen Mann
wird aller Zauberei die Wirkung abgetan.
Bastienne
Das eben wär noch schlimmer:
Der Ehstand ist für sich in steten Sorgen immer;
es fehlte mir nur noch ein ungetreuer Mann,
so müsste ich für Not und Plagen
verzweifeln und verzagen.
Bastien
Schon gut! so bleib"bleiben" bedeutet hier "beharren". Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 2, Leipzig 1860, Sp. 94 (Art. "BLEIBEN"). auf deinen Eigensinn,
ich weiß schon auch, was ich gesonnen bin.
    Geh hin!
Dein Trotz soll mich nicht schrecken;
ich lauf aufs Schloss, das schwör ich dir,
und will der Edelfrau entdecken,
mein Herz gehöre gänzlich ihr.
Lässt sie wie sonst sich zärtlich finden,
will ich mich gleich mit ihr verbinden.
Bastienne
    Ich will
mich in die Stadt begeben,
da treff ich g'nug Anbeter an;
wie eine Dam will ich dort leben,
die hundert Herrn fesseln kann.
Und kann ich einen schönen finden,
will ich mich gleich mit ihm verbinden.
Bastien
    Ich
werd in Gold und Silber prahlen
und eine Liebste voller Pracht
wird die Gewogenheit bezahlen,
wodurch mein Blick sie glücklich macht.
Mir ihre Schätze zu verbinden,
soll sie mich gar nicht spröde finden.
Bastienne
    Die
Kostbarkeiten von den Städten
sind, wenn sich unsre Schönheit zeigt,
samt ihren Herrn in unsern Ketten,
wenn man sich drum nur freundlich neigt.
Drum diese Herrn mir zu verbinden,
soll man mich stets recht höflich finden.
(Beide tun, als wollten sie fortgehen, kommen aber wieder zurück und begegnen sich.)
Bastienne
Sieh da! bist du noch hier?
Ich dacht, es wären Berg und Täler
schon zwischen mir und dir.
Bastien
Je nun, verzeih mir diesen Fehler,
ich werde dir gleich aus den Augen sein;
ich bin schon im Begriff, von dir zu gehen.
Bastienne
Treuloser! lass dich nur recht unempfindlich sehen!
Jaja! geh fort und fliehe!
Man sieht es klärlich ein,
dies Scheiden kostet dich gar wenig Mühe.
Bastien
Und dich erfreut's vermutlich sehr,
dass du aus Falschheit mich vertrieben.
Bastienne
Ja, allerdings, mein Herr!
sie tun mir nach Belieben.
Bastien
So ist's dein ernster Schluss,
ach Bastienne! dass ich scheiden muss?
Komm! geh vielmehr den Frieden wieder ein.
Bastienne
Ja, morgen, aber heut nicht, nein!
Bastien
    Dein Trotz vermehrt sich durch mein Leiden;
wohlan, den Augenblick
hol ich zu deinen Freuden
mir Messer, Dolch und Strick.
Bastienne
Viel Glück!
Bastien
Ich geh mich zu erhenken.
Bastienne
Viel Glück!
Bastien
Ich lauf ohn alle Gnad
mich zu ertränken.
Bastienne
Viel Glück zum kalten Bad!
Bastien
(für sich)
Soll ich auch wirklich mich ins Wasser stürzen?
Der wär ein Narr, sein Leben selbst zu kürzen.
Bastienne
Nur fort! was hält dich an?
Bastien
Ach! ich bedenke nur, wie schlecht ich schwimmen kann;
zudem ist eine alte Mode,
dass man sich noch vor seinem Tode
mit seinem Feind versöhnen muss:
Ich muss mit dir noch sprechen.
Bastienne
Die Mode werd ich unterbrechen,
ich höre dich nun nimmer an,
du hast mir gar zu weh getan.
    Geh! Herz von FlandernHistorische Landschaft Belgiens. Reimt wie hier häufig mit "andern" und verweist auf Treulosigkeit und Flatterhaftigkeit. Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 3, Leipzig 1962, Sp. 1722 (Art. "FLANDERN").,
such nur bei andern
zärtlich verliebt Gehör:
Dich lieb ich nimmermehr.
Bastien
Wohl! ich will sterben,
denn zum Verderben
zeigt mir dein Hass die Spur;
drum lass ich Dorf und Flur.
Bastienne
Falscher, du fliehest?
Bastien
Ja, wie du siehest.
Weil dich ein andrer nimmt,
ist schon mein Tod bestimmt;
ich bin mir selbst zur Pein:
Drum mag ich nimmer sein.
(will gehen)
Bastienne
Bastien! Bastien!
Bastien
Du rufest mich?
Bastienne
Du irrest dich.
In deinem Blick
wird nun mein Glück
nicht mehr gefunden.
Bastien
Wo ist die Zeit,
da dich mein Herz erfreut?
Beide
Sie ist anitzt verschwunden.
Geh, falsche Seele!
Fort, ich erwähle
für meine zarte Hand
ein anders Eheband.
Wechsel im Lieben
tilgt das Betrüben
und reizet, wie man sieht,
zur Lust den Appetit.
Bastien
Doch wenn du wolltest – – –
Bastienne
Doch wenn du solltest – – –
Bastien
Schatz mich noch nennen – –
Bastienne
dies Herz erkennen – –
Beide
wär meine Zärtlichkeit
aufs Neue dir geweiht.
Bastien
Ich bliebe dein allein.
Bastienne
Ich würde dein auf ewig sein.
Bastien
Gib mir zu meinem Glück
dein Herz zurück.
Umarme mich,
nur dich lieb ich.
Bastienne
O Lust
für die entflammte Brust!
Beide
    Komm, nimm aufs Neue
Neigung und Treue;
ich schwör dem Wechsel ab
und lieb dich bis ins Grab.
Wir sind versöhnet,
die Liebe krönet
uns nach dem bangen Streit
durch treue Zärtlichkeit.
Siebenter Auftritt
Colas, Bastienne, Bastien, Schäfer und Schäferinnen.
Colas
Glück zu! vergnügtes Paar,
zu dem geschlossnen Frieden.
Nun werde euch auch offenbar,
wer euch dies Glück beschieden:
Nicht meine Zauberkunst,
nein! eure Liebesbrunst.
Nie hab ich Zauberei,
nie hab ich Hexerei
verstanden und gepflogen,
nur war ich euch und eurer Lieb gewogen
und ließ mich drum als Zaubrer nennen,
damit ich euch zu Weib und Mann,
wie ich nunmehr getan,
hab zaubern und verhexen können.
    Kinder! seht, nach Sturm und Regen
wird ein schöner Tag gebracht;
nichts soll euer Glück bewegen,
dankt dies meiner Zaubermacht.
Auf! auf! gebt euch die Hand!
Knüpft die Seelen und die Herzen;
auf! auf! gebt euch die Hand!
Nichts von Schmerzen
werd euch je bekannt.
Schäfer und Schäferinnen
    Nachbarn! kommt das Fest zu feiern,
wünscht dem Brautpaar Heil und Glück!
bringt bei Dudelsack und Leiern
Händ und Füße ins Geschick!
Auf! auf! und holt den Kranz!
Lasst uns jauchzen, lasst uns springen!
Auf! auf! und holt den Kranz!
Nach dem Singen
erfolget der Tanz.
Bastienne, Bastien
    Lustig! preist die Zaubereien
von Colas, dem weisen Mann!
Uns von Kummer zu befreien,
hat er Wunderwerk getan.
Auf! auf! stimmt Lieder an!
Singet mit vereinten Tönen,
wer immer singen kann,
ihm zu Ehren,
dem trefflichen Mann.
Bastienne, Bastien, Schäfer, Schäferinnen
    Singet mit vereinten Tönen,
wer nur immer singen kann,
ihm zu Ehren,
dem trefflichen Mann.