DRITTER AKT
 
 
Königlicher Garten.
 
 
Szene I
 
 
Ilia allein.
 
 
Rezitativ
 
 
Ilia
 
 
Freundliche Einsamkeit, liebliche Lüfte,
 
 
blühende Pflanzen und reizende Blumen, hört
 
 
die Klagen einer unglücklich Liebenden,
 
 
die ich euch leidend anvertraue.
 
 
Wie viel kostet es dich, vor meinem Sieger zu schweigen,
 
 
dich zu verstellen, gequältes Herz!
 
 
Nr. 19 Arie
 
 
Ilia
 
 
Schmeichelnde Lüfte,
 
 
ach, fliegt zu meinem Liebsten
 
 
und sagt ihm, dass ich ihn liebe,
 
 
dass er mir das Herz treu bewahren soll.
 
 
Und ihr ehrlichen Pflanzen und Blüten,
 
 
die jetzt meine bitteren Tränen benetzen,
 
 
sagt ihm, dass ihr nie eine größere Liebe
 
 
Unter dem Himmel gesehen habt.
 
 
Rezitativ
 
 
Ilia
 
 
Er selbst kommt… o Götter!… Erkläre ich mich, oder schweige ich?…
 
 
Bleibe ich… gehe ich… oder verberge ich mich?…
 
 
Ah, ich kann mich nicht entscheiden; ah, ich bin verwirrt!
 
 
Szene II
 
 
Ilia, Idamantes.
 
 
Rezitativ
 
 
Idamantes
 
 
Prinzessin, wenn ich es noch wage, unter deine Augen
 
 
zu treten, führt mich nicht mehr
 
 
eine vermessene Liebe hierher; ich suche nun nichts anderes mehr,
 
 
als dir Genüge zu tun und zu sterben.
 
 
Ilia
 
 
Sterben? Du, Prinz?
 
 
Idamantes
 
 
Je länger ich bei dir weile, desto mehr entbrenne ich für dich,
 
 
und meine Schuld wird größer. Wozu soll ich meine Strafe
 
 
noch länger verzögern?
 
 
Ilia
 
 
Aber was treibt dich dazu,
 
 
den Tod zu suchen?
 
 
Idamantes
 
 
Mein Vater,
 
 
voll Raserei und Zorn,
 
 
blickt finster mich an und meidet mich
 
 
und verbirgt mir den Grund.
 
 
Von deinen Banden gefesselt, setzt mich deine Härte
 
 
neuem Unheil aus. Ein wildes Ungeheuer
 
 
schafft überall furchtbare Verheerung. Nun soll ich gehen,
 
 
um es zu bekämpfen,
 
 
und versuchen, es zu besiegen,
 
 
oder der Tod beende meine Qualen.
 
 
Ilia
 
 
Zähme, o Prinz, deinen so unseligen Eifer:
 
 
Bedenke, dass du eines großen Reiches
 
 
einzige Hoffnung bist.
 
 
Idamantes
 
 
Ohne deine Liebe,
 
 
deiner beraubt, Ilia, kümmert mich nichts.
 
 
Ilia
 
 
Ich Unglückliche!… Ach, bewahre dein Leben.
 
 
Idamantes
 
 
Ich muss meinem grausamen Schicksal folgen.
 
 
Ilia
 
 
Lebe… Ilia verlangt es von dir.
 
 
Idamantes
 
 
O Götter! Was höre ich?
 
 
Geliebte Prinzessin!…
 
 
Ilia
 
 
Das verwirrte Herz
 
 
verbarg dir schlecht
 
 
meine Schwäche:
 
 
Allzu viel Liebe und Angst
 
 
habe ich ungeteilt in meiner Brust.
 
 
Idamantes
 
 
Höre ich recht? Täuscht das Gehörte nur vor,
 
 
was man ersehnt, oder die heiße Leidenschaft
 
 
erregt meine Sinne und das bedrückte Herz betört
 
 
ein süßer Traum?
 
 
Ilia
 
 
Ach, warum brannte ich nicht früher,
 
 
damit du meine Flamme siehst?
 
 
Tausendmal fühle ich
 
 
Reue in meiner Seele! Meine heilige Pflicht,
 
 
mein Ruhm, das Vaterland, das noch dampfende Blut
 
 
der Meinen, oh, wie sehr werfen sie dem Herzen
 
 
meine abtrünnige Liebe vor!
 
 
Aber was soll ich jetzt tun? Da ich dich in äußerster Gefahr
 
 
sehe, o Teurer, und nur ich dich zurückhalten kann,
 
 
so höre mich an, ich sage es dir wieder:
 
 
Ich liebe dich, ich verehre dich, und wenn du sterben willst,
 
 
darfst du erst sterben, wenn der Schmerz mich getötet hat.
 
 
Nr. 20a Duett
 
 
Idamantes
 
 
Wenn ich nicht sterbe bei diesen Worten,
 
 
ist es nicht wahr, dass die Liebe tötet,
 
 
dass die Freude ein Herz erdrückt.
 
 
Ilia
 
 
Kein Schmerz mehr und keine Klagen;
 
 
ich bin dir stets treu,
 
 
du bist mein einziges Gut.
 
 
Idamantes
 
 
Du wirst…
 
 
Ilia
 
 
wie du mich willst.
 
 
Idamantes
 
 
meine Braut sein…
 
 
Ilia
 
 
Mein Bräutigam
 
 
wirst du sein.
 
 
Idamantes, Ilia
 
 
 
 
Das sage die Liebe.
 
 
 
 
 
 
Ach, die Freude überwältigt in uns
 
 
das erlittene, böse Leid:
 
 
Über alles siegt unsere Liebe.
 
 
 
 
Szene III
 
 
[Idomeneo, Elektra und die Vorigen.]
 
 
Rezitativ
 
 
Idomeneo
 
 
 
 
(Himmel! Was sehe ich?)
 
 
Ilia
 
 
[zu Idamantes.]
 
 
Ah, wir sind entdeckt, o Teurer.
 
 
Idamantes
 
 
[zu Ilia.]
 
 
Fürchte dich nicht, meine Angebetete.
 
 
Elektra
 
 
 
 
(Da ist der Undankbare.)
 
 
Idomeneo
 
 
 
 
(Ich habe die Wahrheit geahnt. Ach grausames Schicksal!)
 
 
Idamantes
 
 
Herr, schon wage ich es nicht mehr,
 
 
dich Vater zu nennen,
 
 
ach, gewähre einem unglücklichen Untertan
 
 
die einzige Gnade.
 
 
Idomeneo
 
 
Sprich.
 
 
Elektra
 
 
 
 
(Was wird er sagen?)
 
 
Idamantes
 
 
Womit habe ich dich je beleidigt? Weshalb meidest du mich?…
 
 
Hasst und verabscheust du mich?
 
 
Ilia
 
 
 
 
(Ich bebe.)
 
 
Elektra
 
 
 
 
(Ich würde es dir sagen.)
 
 
Idomeneo
 
 
Sohn, der gegen mich erzürnte Neptun
 
 
ließ mein Herz zu Eis werden. Jede Zärtlichkeit von dir
 
 
verdoppelt meinen Kummer, dein Schmerz
 
 
beschwert wie Blei mein Herz, und
 
 
ohne Schauder und Entsetzen vermag ich dich nicht anzusehen.
 
 
Ilia
 
 
 
 
O Gott!
 
 
Idamantes
 
 
Vielleicht erzürnte meinetwegen Neptun?
 
 
Doch was ist meine Schuld?
 
 
Idomeneo
 
 
Ach, könnte ich ihn
 
 
ohne dich besänftigen!
 
 
Elektra
 
 
 
 
Ach, könnte ich jetzt mein erlittenes Unrecht
 
 
rächen!
 
 
Idomeneo
 
 
[zu Idamantes.]
 
 
Geh, ich befehle es dir,
 
 
fliehe den väterlichen Strand und suche anderswo
 
 
sichere Zuflucht.
 
 
Ilia
 
 
[zu Elektra.]
 
 
Weh mir!
 
 
Barmherzige Prinzessin, ach, tröste mich!
 
 
Elektra
 
 
Ich sollte dich trösten? Wie denn?…
 
 
 
 
(Nun beleidigt mich noch
 
 
die Schändliche.)
 
 
Idamantes
 
 
Nun denn, ich werde gehen!… Doch wohin?…
 
 
O Ilia, o Vater!
 
 
Ilia
 
 
[entschlossen.]
 
 
Dir folgen oder sterben will ich, mein Geliebter.
 
 
Idamantes
 
 
Ach, bleibe, o Teure, und lebe in Frieden. Leb wohl!
 
 
Nr. 21 Quartett
 
 
Idamantes
 
 
Einsam werde ich umherirren,
 
 
den Tod anderswo suchend,
 
 
bis ich ihm begegnen werde.
 
 
Ilia
 
 
Mich wirst du zur Gefährtin im Schmerz haben,
 
 
wo immer du sein wirst; und wo
 
 
du stirbst, werde auch ich sterben.
 
 
Idamantes
 
 
Ach nein…
 
 
Idomeneo
 
 
Erbarmungsloser Neptun!
 
 
Um Gottes willen, will mich denn niemand töten?
 
 
Elektra
 
 
 
 
Wann werde ich gerächt werden?
 
 
Idamantes, Ilia
 
 
zu Idomeneo.
 
 
 
 
Erhelle den zornigen Blick.
 
 
 
 
Ilia, Idamantes, Idomeneo
 
 
 
 
Ah, mir bricht das Herz!
 
 
 
 
Ilia, Elektra, Idamantes, Idomeneo
 
 
 
 
Man kann nicht mehr ertragen.
 
 
 
 
 
 
 
 
Schlimmer als der Tod
 
 
ist ein so großer Schmerz.
 
 
Ein noch grausameres Schicksal,
 
 
noch größere Qualen
 
 
hat niemand erfahren!
 
 
 
 
[Idamantes geht schmerzerfüllt ab.]
 
 
Szene IV
 
 
Arbaces, Idomeneo, Ilia, Elektra.
 
 
Rezitativ
 
 
Arbaces
 
 
König, vor deinem Palast verlangt eine gewaltige Menge
 
 
Volkes mit lauter Stimme,
 
 
dich zu sprechen.
 
 
Ilia
 
 
 
 
Für einen neuen Kummer
 
 
bereite dich, mein Herz.
 
 
Idomeneo
 
 
 
 
Mein Sohn ist verloren.
 
 
Arbaces
 
 
Der oberste Priester des Königs der Meere
 
 
führt sie an.
 
 
Idomeneo
 
 
 
 
Ach, allzu verzweifelt ist der Fall!
 
 
 
 
Ich habe verstanden, Arbaces…
 
 
Elektra
 
 
 
 
(Was für ein neues Unglück?)
 
 
Ilia
 
 
 
 
(Das Volk im Aufruhr…)
 
 
Idomeneo
 
 
Nun geh ich, sie zu hören.
 
 
geht verwirrt ab.
 
 
Elektra
 
 
Ich werde dir folgen!
 
 
geht ab.
 
 
Ilia
 
 
Auch ich will dir folgen.
 
 
geht ab.
 
 
Szene V
 
 
Arbaces allein.
 
 
Rezitativ
 
 
Arbaces
 
 
Unglückseliges Kydonia! Was bietest du mir
 
 
für einen grausigen Anblick von Tod, Verheerung und Entsetzen?
 
 
Ach, Kydonia, du bist nicht mehr,
 
 
du bist die Stadt der Tränen, und dieser Palast
 
 
ist einer des Schmerzes. So hat denn für uns der Himmel
 
 
kein Mitleid mehr?…
 
 
Wer weiß?… Ich hoffe noch…
 
 
dass irgendeinen befreundeten Gott
 
 
so viel Blut versöhnt; ein einziger Gott
 
 
ist genug, um alle zu erweichen… der Milde
 
 
wird die Strenge nachgeben…
 
 
doch ich kann den noch nicht sehen,
 
 
der uns mitleidvoll anblickt… Ach, taub ist der Himmel!
 
 
Ach Kreta, seinen ganzen Ruhm sehe ich
 
 
unter hohen Ruinen enden!
 
 
Nein, früher werden seine Leiden kein Ende haben.
 
 
Nr. 22 Arie
 
 
Arbaces
 
 
Wenn dort beim Schicksal geschrieben ist,
 
 
soll Kreta – o Götter! – fallen, wenn es schuldig ist.
 
 
Es soll die Strafe für seine Schuld zahlen,
 
 
doch rettet den Prinzen, den König.
 
 
Wehe, nur eines Einzigen Blut kann euch besänftigen,
 
 
hier ist das meine, wenn es euch gefällt,
 
 
und dem schönen Reich, das schon dahinwelkt,
 
 
– gerechte Götter! – sei Erbarmen.
 
 
 
 
[Großer, mit Statuen geschmückter Platz vor dem Palast, dessen Vorderfront man von der Seite sieht.]
 
 
Szene VI
 
 
[Idomeneo tritt auf, von Arbaces und dem königlichen Gefolge begleitet; der König, von Arbaces geleitet, setzt sich auf den Thron, der für öffentliche Audienzen bestimmt ist; der Oberpriester und eine Menge Volkes.]
 
 
Nr. 23 Rezitativ
 
 
Oberpriester
 
 
Wende umher dein Blick, o König, und sieh,
 
 
welch eine schreckliche Verheerung das grausame Ungeheuer in deinem edlen Reich
 
 
anrichtet. Ach, sieh
 
 
die öffentlichen Straßen von Blut überschwemmt.
 
 
Bei jedem Schritt
 
 
wirst du einen Stöhnenden sehen, aus dessen Körper
 
 
die Seele, von schwarzem Gift geschwollen, aushaucht.
 
 
Abertausende sah ich selbst
 
 
in diesem großen und schmutzigen Bauch
 
 
lebendig umkommen.
 
 
Immer von Blut besudelt
 
 
ist dieser Rachen und immer gieriger.
 
 
Von dir allein hängt
 
 
die Rettung ab, vor dem Tod kannst du
 
 
den Rest deines Volkes bewahren, das entsetzt ruft
 
 
und von dir Hilfe erfleht,
 
 
und du zauderst noch?… Zum Tempel, König, zum Tempel!
 
 
Wer ist, wo ist das Opfer?… Gib Neptun,
 
 
was sein ist.
 
 
Idomeneo
 
 
Ich zaudere nicht mehr… Heiliger Priester
 
 
und ihr Völker, höret:
 
 
das Opfer ist Idamantes, und nun werdet ihr sehen,
 
 
– o Götter! Mit welchen Augen? –
 
 
wie der Vater dem eigenen Sohne die Adern öffnet.
 
 
[geht verstört ab.]
 
 
Nr. 24 Chor
 
 
Chor
 
 
O furchtbares Gelübde!
 
 
Entsetzliches Schauspiel!
 
 
Schon herrscht der Tod,
 
 
die Pforten des Abgrunds
 
 
öffnet er grausam.
 
 
Oberpriester
 
 
O gnädiger Himmel!
 
 
Der Sohn ist schuldlos,
 
 
das Gelübde ist unmenschlich:
 
 
Halte die Hand
 
 
des getreuen Vaters zurück.
 
 
Chor
 
 
O furchtbares Gelübde!
 
 
Entsetzliches Schauspiel!
 
 
Schon herrscht der Tod,
 
 
die Pforten des Abgrunds
 
 
öffnet er grausam.
 
 
[Alle gehen schmerzerfüllt ab.]
 
 
[Außenansicht des prächtigen Neptuntempels mit großer Vorhalle, die ihn umgibt und durch welche man in der Ferne den Meeresstrand sieht.]
 
 
Szene VII
 
 
[Die Vorhalle und die Galerien des Tempels sind von einer Volksmenge besetzt, die Priester treffen die Vorbereitungen für das Opfer.]
 
 
Nr. 25 Marsch
 
 
[Idomeneo tritt auf, von zahlreichem und prächtigem Gefolge begleitet.]
 
 
Nr. 26 Cavatine mit Chor
 
 
Idomeneo
 
 
Empfange unsere Weihgaben, o König des Meeres,
 
 
mäßige deine Entrüstung, deine Strenge.
 
 
Priester
 
 
Empfange unsere Weihgaben, o König des Meeres,
 
 
mäßige deine Entrüstung, deine Strenge.
 
 
Idomeneo
 
 
Kehrten doch Ost- und Südwinde in ihre Höhlen zurück,
 
 
kehre Zephir zum Meere, das Wüten finde ein Ende.
 
 
Nimm an die Reue und die Liebe deiner Ergebenen
 
 
und gewähre uns deine Huld!
 
 
Priester
 
 
Empfange unsere Weihgaben, o König des Meeres,
 
 
mäßige deine Entrüstung, deine Strenge.
 
 
Chor
 
 
[hinter der Bühne.]
 
 
Herrlicher Sieg!
 
 
Ewig ist dein Ruhm;
 
 
juble, o Herr!
 
 
Rezitativ
 
 
Idomeneo
 
 
Was für ein Siegesjubel
 
 
erschallt hier?
 
 
Szene VIII
 
 
Arbaces in Eile und die Vorigen.
 
 
Arbaces
 
 
König, der Prinz,
 
 
Idamantes der Held, der verzweifelt auf der Suche des Todes
 
 
war,
 
 
errang den Sieg. Auf das ruchlose Untier
 
 
stürzte er sich wütend, besiegte und tötete es.
 
 
Nun sind wir endlich gerettet.
 
 
Idomeneo
 
 
Weh mir! Neptun wird,
 
 
von neuem Zorn entflammt,
 
 
wiederum gegen uns sein… Jetzt
 
 
wirst du mit Schmerzen sehen, Arbaces,
 
 
dass Idamantes fand, was er suchte,
 
 
und selbst des Todes
 
 
Beute sein wird.
 
 
Arbaces
 
 
[sieht, wie Idamantes hereingeführt wird.]
 
 
Was sehe ich?… O Götter!
 
 
Szene IX
 
 
[Idamantes in weißem Gewand mit einem Blumenkranz auf dem Haupt, von Wachen und Priestern umgeben. Traurige Volksmenge und die Vorigen.]
 
 
Nr. 27 Rezitativ
 
 
Idamantes
 
 
Vater, mein teurer Vater, ach süßer Name!
 
 
Sieh mich zu deinen Füßen; in diesen letzten
 
 
verhängnisvollen Stunden, auf diese Rechte,
 
 
die deinem Blute, das in meinen Adern fließt,
 
 
den Weg freigeben muss, nimm die letzten Küsse entgegen.
 
 
Nun verstehe ich, dass deine Verwirrung
 
 
nicht Zorn, sondern väterliche Liebe war.
 
 
O tausend- und tausendfach
 
 
glücklicher Idamantes,
 
 
wenn der, der das Leben dir gab, das Leben dir nimmt,
 
 
und es, indem er es dir nimmt, dem Himmel zurückgibt,
 
 
und vom Himmel dafür das seine erfleht
 
 
und für die Seinen ewigen Frieden erfleht
 
 
und die heilige, wahre Liebe der Götter.
 
 
Idomeneo
 
 
O Sohn! O geliebter Sohn!
 
 
Verzeih: Die Entscheidung über die grausame Aufgabe
 
 
liegt nicht bei mir, es ist die Strafe des Schicksals…
 
 
Rohes, ungerechtes Schicksal!… Ach nein, ich kann nicht
 
 
gegen einen unschuldigen Sohn
 
 
die harte Streitaxt erheben… aus jeder Faser
 
 
fliehen meine Kräfte,
 
 
und trübe Nacht
 
 
verdunkelt meine Augen… O Sohn!…
 
 
Idamantes
 
 
[zaghaft, dann entschlossen.]
 
 
O Vater!…
 
 
Ach, unnützes Mitleid soll dich nicht hemmen,
 
 
auch vergebliche Zartheit der Liebe
 
 
soll dich nicht verleiten.
 
 
Ach, gib mir den Stoß,
 
 
der uns beide vom Leide befreit.
 
 
Idomeneo
 
 
Ach, die Natur
 
 
widersetzt und sträubt sich bei mir dagegen.
 
 
Idamantes
 
 
Es füge die Natur sich dem Schöpfer:
 
 
Dies ist der hohe Wille Jupiters.
 
 
Denke an deine Pflicht. Wenn du einen Sohn verlierst,
 
 
wirst du hundert Götter zu Freunden haben.
 
 
Deine Völker sind deine Söhne.
 
 
Doch wenn du dir an meiner Stelle jemanden wünschst,
 
 
der dir gehorcht und der dich liebt,
 
 
der dir zur Seite steht und die Last der Sorgen
 
 
mit dir trägt, leg ich dir Ilia ans Herz.
 
 
Ach, erhöre einen Sohn,
 
 
der sterbend fleht und rät:
 
 
Wenn sie meine Braut nicht ist, ach, so sei sie dir Tochter.
 
 
Nr. 27a Arie
 
 
Idamantes
 
 
Nein, den Tod fürchte ich nicht,
 
 
wenn er dem Vaterland, dem Vater,
 
 
o Götter, eure Liebe
 
 
und die schöne Heiterkeit des Friedens einbringt.
 
 
Ins Elysium werde zufrieden ich eingehen,
 
 
und diese Seele wird Ruhe finden,
 
 
wenn, da die Seele meinen Körper verlässt,
 
 
meine Geliebte Leben und Frieden haben wird.
 
 
Rezitativ
 
 
Doch was zauderst du noch? Hier bin ich bereit, erfülle
 
 
das Opfer, das Gelübde.
 
 
Idomeneo
 
 
Oh, was für eine
 
 
ungewöhnliche Kraft fühle ich in meinen Adern?…
 
 
Jetzt bin ich entschlossen… nimm eine letzte Umarmung
 
 
entgegen… und stirb.
 
 
Idamantes
 
 
O Vater!…
 
 
Idomeneo
 
 
O Sohn!…
 
 
Idamantes, Idomeneo
 
 
 
 
O Gott!…
 
 
 
 
Idamantes
 
 
 
 
(O Ilia… weh mir!…)
 
 
zu Idomeneo.
 
 
Lebe glücklich.
 
 
Idamantes, Idomeneo
 
 
 
 
Leb wohl.
 
 
 
 
[Während Idomeneo zustoßen will, erscheint Ilia und verhindert den Stoß.]
 
 
Szene X
 
 
Ilia in Eile, Elektra und die Vorigen.
 
 
Ilia
 
 
[läuft herbei, um den Arm IdomeneoS zurückzuhalten.]
 
 
Halt ein, o König, was tust du?
 
 
Idomeneo
 
 
Ich öffne die Ader dem Opfer,
 
 
das ich Neptun versprach.
 
 
Idamantes
 
 
Ilia, beruhige dich…
 
 
Oberpriester
 
 
[zu Ilia.]
 
 
Ach, störe nicht das Opfer…
 
 
Ilia
 
 
Vergebens
 
 
sucht dieses Schwert die Brust eines anderen
 
 
zu verwunden. Hier, König, die meine,
 
 
das Opfer bin ich.
 
 
Elektra
 
 
 
 
(O was für ein Widerstreit!)
 
 
Ilia
 
 
[zu Idomeneo.]
 
 
Idamantes ist unschuldig, er ist dein Sohn
 
 
und die Hoffnung des Reiches.
 
 
Die Götter sind keine Tyrannen, falsch
 
 
deutet ihr alle
 
 
den göttlichen Willen. Der Himmel will Griechenland
 
 
von den Feinden und nicht von den Söhnen frei sehen.
 
 
Zwar bin auch ich unschuldig und jetzt euch Freundin,
 
 
doch bin ich Priamos’ Tochter und als Phrygierin geboren,
 
 
von Natur Griechenlands Feind.
 
 
Wohlan, öffne mir die Ader.
 
 
Idamantes
 
 
Ach, zu
 
 
großmütig bist du, Ilia,
 
 
ein so kostbares Opfer
 
 
versprach mein Vater Neptun nicht, mich wählte das Schicksal.
 
 
In dir lebt noch die Phrygierin:
 
 
Wer weiß, wozu der Himmel dich am Leben
 
 
und im Herzen Griechenlands erhält?…
 
 
Ilia
 
 
Du schmeichelst mir vergeblich.
 
 
Idamantes
 
 
Vergeblich verlangst du zu sterben.
 
 
Idomeneo
 
 
Ah, ich bin außer mir. Zu Hilfe, o Götter!
 
 
Arbaces
 
 
O Himmel, was wird nun?… Mir zerspringt das Herz…
 
 
Elektra
 
 
 
 
Welch brennende Empfindungen
 
 
von Zorn und Raserei
 
 
fühle ich in meiner Brust!
 
 
Oberpriester
 
 
König, entschließe dich endlich…
 
 
Idomeneo
 
 
 
 
Aber du bist es nicht, die…
 
 
Ilia
 
 
Stets ist den Götter lieber
 
 
das freiwillige Opfer.
 
 
Idamantes
 
 
Meine Angebetete!
 
 
Ach, gib mir das letzte Unterpfand deiner Liebe.
 
 
Ilia
 
 
Hier mein Blut.
 
 
Idamantes
 
 
Ach nein, lass mir den Ruhm, in Frieden
 
 
für mein Vaterland
 
 
zu sterben.
 
 
Ilia
 
 
Von mir erwartet man…
 
 
Idamantes
 
 
O Gott!
 
 
Ilia
 
 
Für mich ist es Dankbarkeit.
 
 
Idamantes
 
 
Für mich ist es Pflicht,
 
 
Ilia
 
 
aber dich entbindet die Liebe.
 
 
Neptun! Hier das meine.
 
 
[Sie läuft zum Altar, will niederknien; Idamantes hält sie zurück.]
 
 
Idamantes
 
 
Leb und geh,
 
 
oder lass uns gemeinsam sterben.
 
 
Ilia
 
 
Nein, allein will ich die letzte Schwelle überschreiten,
 
 
es ist an dir, heiliger Priester…
 
 
[Sie kniet vor dem Oberpriester nieder.]
 
 
[In dem Augenblick, in dem Ilia niederkniet,] hört man großen unterirdischen Lärm, die Statue Neptuns bewegt sich; [der Oberpriester steht in Ekstase vor dem Altar. Alle sind entsetzt und starr vor Schrecken.] Eine tiefe und schwere Stimme verkündet den folgenden Spruch des Himmels.
 
 
Nr. 28a
 
 
Die Stimme
 
 
Amor hat gesiegt…
 
 
Idomeneo wird
 
 
das schwere Vergehen vom Himmel vergeben, aber nicht dem König,
 
 
der seine Versprechen nicht brechen darf…
 
 
er sei nicht mehr König…
 
 
es sei Idamantes… und Ilia
 
 
seine Gemahlin, Neptun sei besänftigt,
 
 
der Himmel zufrieden, die Unschuld belohnt.
 
 
Dem Reich Kreta wird
 
 
ein so würdiger, im Himmel beschlossener Bund Frieden schenken.
 
 
Nr. 29 Rezitativ
 
 
 
 
Idomeneo
 
 
O barmherziger Himmel!
 
 
Idamantes
 
 
Ilia…
 
 
Ilia
 
 
Idamantes, hast du es gehört?
 
 
Arbaces
 
 
O Freude, o Liebe, o Götter!
 
 
Elektra
 
 
O Raserei! O Zorn!
 
 
O verzweifelte Elektra!
 
 
Lebe wohl, Liebe; lebe wohl, Hoffnung! Ach, schon
 
 
verbrennen die unbarmherzigen Furien mir das Herz in der Brust.
 
 
Ich Elende, wozu verweile ich noch hier?
 
 
Soll ich in diesem Land
 
 
traurige Zuschauerin
 
 
der Freude und der Triumphe sein?
 
 
Werde ich Idamantes in den Armen der Rivalin sehen,
 
 
und sehen, wie sie beide
 
 
mit dem Finger auf mich zeigen?
 
 
Ach nein, dem Bruder Orestes
 
 
will ich in den dunklen Abgrund folgen.
 
 
Unglücklicher Schatten!
 
 
Nimm meinen Geist auf,
 
 
bald wirst du mich zur Gefährtin
 
 
dort in der Hölle haben,
 
 
zu ewigen Qualen, zu ewigen Tränen.
 
 
No 29a Aria
 
 
Von Orest, von Ajax
 
 
trag ich im Herzen die Qualen,
 
 
die Fackel Alektos’
 
 
gibt mir schon den Tod.
 
 
Zerfleischet mir das Herz,
 
 
ihr Nattern und Schlangen,
 
 
oder ein Dolch wird das Leiden
 
 
in mir beenden.
 
 
[geht voll Zorn ab.]
 
 
Letzte Szene
 
 
Idomeneo, Idamantes, Ilia, Arbaces. Gefolge von Idomeneo, Idamantes und Ilia; Volk.
 
 
Nr. 30 Rezitativ
 
 
Idomeneo
 
 
Völker, Idomeneo gebietet euch das letzte Gesetz
 
 
als König. Frieden verkünde ich euch.
 
 
Vollbracht ist das Opfer und eingelöst das Gelübde.
 
 
Neptun und alle Götter sind Freunde dem Reich.
 
 
Es bleibt noch, dass Idomeneo nun ihrem Wink
 
 
gehorche. Oh, wie sehr,
 
 
ihr höchsten Götter, wie willkommen ist mir der Wink.
 
 
Seht hier einen anderen König, mein anderes Ich.
 
 
Meinem Sohn Idamantes, meinem teuren Sohn
 
 
übertrage ich den Thron von Kreta und damit alle
 
 
Herrschergewalt. Achtet seine Befehle,
 
 
führt sie gehorsam aus,
 
 
wie ihr meine ausgeführt und geachtet habt,
 
 
wofür ich euch dankbar bin: Dies ist das Gesetz.
 
 
Seht hier die königliche Braut. Bewundert
 
 
in diesem schönen Paar ein Geschenk des Himmels,
 
 
das für euch bestimmt ist. Wie viel könnt ihr jetzt hoffen!
 
 
O glückliches Kreta! O ich Glücklicher!
 
 
Nr. 30a Arie
 
 
Idomeneo
 
 
Der Friede kehrt ins Herz zurück,
 
 
es kehrt zurück die erloschene Glut,
 
 
in mir erblüht das Alter.
 
 
So bringt die Zeit der Flora
 
 
den bejahrten Baum zum Blühen,
 
 
verleiht ihm neue Kraft.
 
 
[Es folgen die Krönung des Idamantes, in einer Pantomime dargestellt, der Chor, der während der Krönung gesungen wird, und das Ballett.]
 
 
Nr. 31 Chor
 
 
[Chor]
 
 
Möge Amor herabsteigen, möge Hymen herabsteigen,
 
 
und Juno zum königlichen Brautpaar.
 
 
Es lege die Göttin der Ehe für immer den Seelenfrieden
 
 
ihnen ins Herz!
 
 
BALLET KV 367
 
 
No 1 Chaconne
 
 
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Pas de deux de madame Hartig et monsieur Antoine
 
 
Pour le ballet
 
 
Pas seul de Madame Falgera
 
 
Pour le ballet
 
 
 
 
Annonce
 
 
Pas seul de Madame Hartig
 
 
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Pas soul de Madame Hartig
 
 
Pour le ballet
 
 
Pas seul de Monsieur Le Grand
 
 
No 2
 
 
Pas seul de Monsieur Le Grand
 
 
Pour le ballet
 
 
No 3 PassepiedMozarts Hinweis im Titel der Nummer:
Pour mademoiselle Redwen
 
 
Annonce [Majeur]
 
 
Mineur
 
 
Majeur
 
 
Pas seul de mademoiselle Redwen
 
 
Majeur
 
 
No 4Gavotte
 
 
No 5 PassacailleMozarts Hinweis im Titel der Nummer:
Pour monsieur Antoine
 
 
Annonce
 
 
Pas seul de Monsieur Antoine
 
 
Pour le ballet
 
 
 
 
Pas de deux de Madame Falgera et Monsieur Le Grand
 
 
Pour le ballet
 
 
[Ende des Dramas.]