Sechster Auftritt
 
 
Pheron. Mirza.
 
 
Mirza
 
 
Wir können ihm trauen. Der eifrigste Anhänger des Menes! Zwar auch des Thamos und des Phanes Freund. Doch um sie nicht in Gefahr zu setzen, wird er schweigen.
 
 
Pheron
 
 
Vergebliche Vorsicht! Beide, er selbst, werden Opfer meiner Sicherheit.
 
 
Mirza
 
 
Des Sethos schone! Das Volk verehret ihn. Es glaubt, die Götter reden durch seinen Mund. Aber Phanes und Thamos müssen aus dem Wege. – Thamos ist dein Nebenbuhler.
 
 
Pheron
 
 
Er, welcher glaubt, mich liebe Sais?
 
 
Mirza
 
 
Dieser Wahn ist eine Wirkung meiner List. Zwar geradezu sagte ich es ihm nicht. Nur als eine Vermutung brachte ich die Sache vor. Er trug mir auf, der Sais Gesinnungen zu erforschen.
 
 
Pheron
 
 
Kennst du sie?
 
 
Mirza
 
 
Sais liebt den Thamos.
 
 
Pheron
 
 
Entsetzlicher Streich!
 
 
Mirza
 
 
Beruhige dich. Sais empfand bloß Gegenneigung, weil sie den Thamos für ihren Anbeter hielte. Vielleicht blendete sie auch der Schimmer des Diadems! – Jetzt, da man sie beredet hat, des Thamos Wahl sei auf eine andere, auf ihre Freundin Myris, gefallen, wird sich ihre Liebe bald in Hass verwandeln, die Abneigung, die ich ihr gegen des Ramesses Haus einflößte, wieder erwachen.
 
 
Pheron
 
 
Bestärke sie darinne, ich beschwöre dich. Entdecke ihr ihre Geburt, kein Augenblick werde versäumt!
 
 
Mirza
 
 
Sie erwartet meiner an der innern Türe. Ich rufe sie hieher. Verbirg dich. (Pheron tut es und Mirza ruft der Sais.) Sais!
 
 
 
 
 
Siebenter Auftritt
 
 
Mirza. Sais.
 
 
Sais
 
 
Was befiehlt Mirza?
 
 
Mirza
 
 
Ich habe mit dir von großen Dingen zu sprechen. Der heutige Tag entscheidet dein und unser aller Schicksal. Du weißt, Sais! dass ich dir stets geneigt war und dass ich dich allen deinen Gespielinnen vorzog. Jetzt wirst du die Ursache vernehmen.
 
 
Sais
 
 
Welche es immer sei, deine Gesinnungen wurden von mir durch gleiche vergolten.
 
 
Mirza
 
 
(betrachtet sie)
 
 
Wie kann Thamos Vorzüge verkennen, die beim ersten Anblicke dich zum Throne bestimmen!
 
 
Sais
 
 
(sucht ihre Verwirrung zu verbergen)
 
 
Sais, wenn sie auch alle die Vorzüge besäße, womit deine Freundschaft ihr schmeichelt, würde nie ihre Augen so hoch erheben.
 
 
Mirza
 
 
Lange Zeit hat er mich betrogen. Seine Aufmerksamkeit schien ganz auf dich gerichtet, sein Herz von dir gefesselt zu sein. Du selbst, ist es nicht wahr? urteiltest ebenso. – Und jetzt wählt er die Myris!
 
 
Sais
 
 
Meine Freundin ist des Thrones würdig.
 
 
Mirza
 
 
Auch für dich hat Thamos gewählt.
 
 
Sais
 
 
Für mich?
 
 
Mirza
 
 
Er will dich dem Pheron geben.
 
 
Sais
 
 
(schnell)
 
 
Sag ihm, ich begehre von ihm nichts anders, als dass er mir meine Freiheit lasse.
 
 
Mirza
 
 
So gering wird Pheron von dir geschätzt?
 
 
Sais
 
 
Nein! ich verehre den Neffen der Mirza.
 
 
Mirza
 
 
Höre mich, Sais! Vernimm ein Geheimnis, an dessen Bewahrung Ägyptens Wohl hängt und das nur ich, Pheron und Sethos wissen. Zwar diesen Abend wird alles kund werden: aber bis dahin verschließe es in deiner Brust. Dich selbst geht die Sache an. Schwöre bei der Sonne, dass du es nicht entdecken willst.
 
 
Sais
 
 
(die Hand ausstreckend)
 
 
Für Ägyptens Wohl schwöre ich.
 
 
Mirza
 
 
Gut, Sais! Bald wirst du von mir einen andern Namen empfangen. – Das Andenken unsers großen Menes war dir allzeit wert?
 
 
Sais
 
 
(mit Empfindung)
 
 
Teuer, verehrungswürdig, gleich der Erinnerung an eine wohltätige Gottheit! Hätte ich auch nicht das Lob des besten Königs jeden Tag aus deinem Munde gehört, so würde ganz Ägypten mir es entgegengetönt haben. Nie erscholl in meinen Ohren der Name Menes, wo er mir nicht in die Seele drang, wo ich nicht Regungen empfand, deren Ursache ich selbst nicht begreife.
 
 
Mirza
 
 
Jetzt wird sie sich dir aufklären. Du weißt, dass auch Tharsis, des Menes Tochter, für tot gehalten wird.
 
 
Sais
 
 
Sie kam in den Flammen um.
 
 
Mirza
 
 
Nein, die Götter haben sie erhalten. Tharsis, Ägyptens rechtmäßige Königin, lebt noch.
 
 
Sais
 
 
(lebhaft)
 
 
Was sagst du? Wo ist sie?
 
 
Mirza
 
 
Hier vor meinen Augen; du!
 
 
Sais
 
 
(äußerst erstaunt)
 
 
Ich! – die Tochter des Menes!
 
 
Mirza
 
 
Ja, du bist es! Noch heute wird dich Ägypten dafür erkennen.
 
 
Sais
 
 
Unglaublich, unmöglich! – Wo sind die Beweise meiner Geburt, meiner Erhaltung?
 
 
Mirza
 
 
Man wird sie diesen Abend den Fürsten und dem Volke vorlegen. Sethos, der Oberpriester, wird alles bekräftigen.
 
 
Sais
 
 
Auch er kannte mich! – Ich bin außer mir. – O Menes! göttlicher Menes! den ich den Unsterblichen gleich verehrte, du mein Vater!
 
 
Mirza
 
 
Zweifle nicht. Du wirst seinen Thron besteigen, Pheron erhebt dich darauf.
 
 
(Pheron tritt hervor.)
 
 
Achter Auftritt
 
 
Die Vorigen. Pheron.
 
 
Pheron
 
 
Ja, Sais! Pheron tut es. Er wagte viel, er wagte sein Leben. Doch jetzt hat er nichts mehr zu fürchten. Thamos ist in seiner Gewalt, sobald er will.
 
 
 
 
 
 
 
 
Sais
 
 
Unglücklicher Thamos!
 
 
Mirza
 
 
Du bedauerst den Feind deines Hauses?
 
 
Sais
 
 
Sein Vater war es, er nie.
 
 
Mirza
 
 
Könntest du wohl gar ihm deine Hand reichen? Noch heute wird das Volk von dir einen Gemahl fordern.
 
 
Sais
 
 
Nein, Mirza! Wer die Sais nicht als Sais wählte, den wählt auch sie als Tharsis nicht.
 
 
Pheron
 
 
Darf also Pheron hoffen?
 
 
Mirza
 
 
Ja, er darf. – Ich antworte für die Tochter des Menes. Dem, der alles für sie tut, sollte sie einen andern vorziehen?
 
 
Sais
 
 
Ich erkenne, Pheron! was ich dir schuldig bin. Doch du siehst meine Verwirrung. Vor einigen Augenblicken noch Sais; jetzt Tharsis, die Erbin des Reichs! Lass mich zu mir selbst kommen!
 
 
Mirza
 
 
Deine Wahl ist auf einen unsrer Fürsten beschränkt. Auf wen sonst kann sie fallen?
 
 
Pheron
 
 
Was hält dich noch zurück?
 
 
Sais
 
 
Lasset mir einige Zeit!
 
 
Mirza
 
 
Du musst dich jetzt erklären.
 
 
Sais
 
 
Ihr dringt zu stark in mich.
 
 
Mirza
 
 
Wir müssen deinen Entschluss wissen.
 
 
Sais
 
 
(mit Würde)
 
 
Bin ich, wie ihr sagt, Tharsis, bin ich eure Königin, so erwartet ihn.
 
 
(geht zurück)
 
 
Neunter Auftritt
 
 
Pheron. Mirza.
 
 
(beide betroffen, schweigen einige Augenblicke)
 
 
Mirza
 
 
Schon gebeut sie!
 
 
Pheron
 
 
Du warst zu heftig. Wenn sie jetzt den Thamos vorzöge!
 
 
Mirza
 
 
Nein, das lässt ihr Stolz nicht zu. Ihn, der eine andere liebt?
 
 
Pheron
 
 
Der Betrug kann entdeckt werden.
 
 
Mirza
 
 
In so kurzer Zeit? Sei unbesorgt!
 
 
Pheron
 
 
Thamos trug dir auf, der Sais Gesinnungen zu erforschen. Er wird kommen, Nachricht einzuholen. Was wirst du ihm sagen?
 
 
Mirza
 
 
Dass Sais für dich eingenommen ist.
 
 
Pheron
 
 
Wenn er aber sie selbst befragt?
 
 
Mirza
 
 
Er tut es nicht. Das Wort "Liebe" kömmt gegen sie nicht mehr aus seinem Mund.
 
 
Pheron
 
 
Sais kann ihm ihre Geburt entdecken.
 
 
Mirza
 
 
Oh! sie fürchtet zu sehr die Götter. Sie bricht ihren Schwur nicht.
 
 
Pheron
 
 
Pheron ist auf alles bereit. Führen ihn nicht Hochzeitfackeln zum Throne, so soll ihm das Schwert den Weg bahnen.
 
 
(Mirza gibt durch Reichung der Hand zu verstehen, dass sie ebenso denkt. Beide gehen ab: Mirza in das Haus der Sonnenjungfrauen, Pheron gegen die königliche Burg.)
 
 
Ende des dritten Aufzugs
 
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Nr. 4Eintrag von der Hand Leopold Mozarts in der autographen Partitur:
Der dritte Aufzug schließt mit der verräterischen Unterredung der Mirza und des Pherons.