SIEBENTE SZENE
 
 
Agenor, gefolgt von königlichen Wachen, die in Goldschalen die Insignien des Königs tragen; die Vorigen.
 
 
Rezitativ
 
 
Agenor
 
 
Vom treuesten Vasallen
 
 
empfange, erhabener König, diese erste Huldigung.
 
 
Elisa
 
 
(zu Amintas)
 
 
Was sagt er?
 
 
Amintas
 
 
(zu Agenor)
 
 
Zu wem sprichst du?
 
 
Agenor
 
 
Zu dir, mein Herr.
 
 
Amintas
 
 
(mit verächtlichem Gesichtsausdruck)
 
 
Lass mich in Ruhe und treibe
 
 
mit anderen deinen Spott. Ich bin frei geboren,
 
 
auch wenn ich kein König bin;
 
 
(mit wachsendem Groll)
 
 
und wenn ich auch keine Huldigungen verdiene,
 
 
so habe ich doch ein Herz, das keine Beleidigungen duldet.
 
 
Agenor
 
 
Der edle Zorn
 
 
zeigt, wer du bist, und entschuldigt mich. Höre mich an und lass
 
 
meine Worte dir offenbaren, wer du bist.
 
 
Elisa
 
 
(zu Agenor)
 
 
Wie! Ist er nicht Amintas?
 
 
Agenor
 
 
Nein.
 
 
Amintas
 
 
Und wer bin ich?
 
 
Agenor
 
 
Du bist Abdolonimus: der einzige Erbe
 
 
des Thrones von Sidon.
 
 
Amintas
 
 
Ich!
 
 
Agenor
 
 
Ja. Verjagt
 
 
vom perfiden Straton, übergab dich dein Vater als Kind
 
 
dem meinen. Dieser vertraute dich im Sterben
 
 
mir an,
 
 
dein Geheimnis und auch die Beweise.
 
 
Elisa
 
 
Und der alte Alceos …
 
 
Agenor
 
 
… zog dich unerkannt auf.
 
 
Amintas
 
 
Und du hast bisher ...
 
 
Agenor
 
 
Und ich habe schweigend
 
 
dem Gebot des Vaters gehorcht. Das Reden war mir verboten,
 
 
bis dir die Hilfe der Götter irgendeinen Weg zum Thron
 
 
eröffnen sollte. Ich suchte Hilfe
 
 
im großmütigen Herzen Alexanders, und ich fand sie.
 
 
Elisa
 
 
O Jubel! O Freude!
 
 
Mein Liebster ist mein König!
 
 
Amintas
 
 
(zu Agenor)
 
 
Alexander also …
 
 
Agenor
 
 
… erwartet dich und will mit eigner Hand
 
 
dein Haupt krönen. Das ist das königliche Gewand,
 
 
das er dir schickt. Jene, die du siehst,
 
 
sind deine Diener und Wachen. Ach, komm endlich;
 
 
ach, lange habe ich diesen Tag herbeigesehnt!
 
 
(Er geht ab.)
 
 
ACHTE SZENE
 
 
Elisa heiter, Amintas erstaunt.
 
 
Rezitativ
 
 
Amintas
 
 
Elisa!
 
 
Elisa
 
 
Amintas!
 
 
Amintas
 
 
Träume ich?
 
 
Elisa
 
 
Ach nein!
 
 
Amintas
 
 
Du glaubst
 
 
also …
 
 
Elisa
 
 
Ja. Für mich ist diese Wendung
 
 
nicht seltsam, wenn auch unvermutet.
 
 
Ein königliches Herz habe ich in deinem Antlitz stets gesehen.
 
 
Amintas
 
 
Mag sein. Doch jetzt lass uns
 
 
zu deinem Vater gehen.
 
 
(Er macht sich auf den Weg.)
 
 
Elisa
 
 
(Sie hält ihn auf.)
 
 
Nein, höhere Pflichten verlangen die Götter
 
 
nun von dir. Geh, herrsche, und dann …
 
 
Amintas
 
 
Wie? Du drängst mich, dich zu verlassen? Denkst du nicht,
 
 
dass der Vater, der Vater, o Götter!
 
 
dem du dein Glück verdankst,
 
 
und ich das meine, an dieser neuen
 
 
unvermuteten Freude gleich teilhaben soll?
 
 
Verzeihe, Elisa, ich kann dir nicht gehorchen;
 
 
das verbieten mir die Liebe zu dir, die große Freude,
 
 
der Respekt, die Pflicht.
 
 
Ach, ehe er es von anderen erfährt,
 
 
soll er aus meinem Munde die frohe Kunde hören,
 
 
dann werde ich zu Alexander gehen und den Thron besteigen;
 
 
darauf wird dein treuer Hirte
 
 
bald als König zu dir zurückkommen.
 
 
Dulde, dass ich gehe … Ach, wenn du nur wüsstest,
 
 
meine Liebste, wie ein einziger Augenblick fern von dir
 
 
mein liebendes Herz betrübt!
 
 
Elisa
 
 
Ach, wenn du nur sehen könntest,
 
 
wie es diesem Herzen geht! Vor Freude jubelt es.
 
 
Und doch … Nein, nein, so schweigt,
 
 
ihr lästigen Ängste. Nun soll man an nichts anderes denken,
 
 
als dass Amintas König ist. Ach geh:
 
 
Alexander könnte zürnen.
 
 
Amintas
 
 
Gütige Götter,
 
 
ich bin für eure Gabe dankbar;
 
 
doch allzu hoch ist dieser Preis für einen Thron.
 
 
Nr. 7 Duett
 
 
Elisa
 
     
 
    Gehe hin und herrsche, mein Geliebter;
 
 
bewahre aber in deinem Herzen, wenn du
 
 
kannst, Treue für die, die dich anbetet.
 
 
Amintas
 
     
 
    Wenn ich herrschen muss, meine Geliebte,
 
 
werde ich auch auf dem Thron
 
 
dein treuer Hirte sein.
 
 
Elisa
 
     
 
    Ach, dass du mein König bist!
 
 
Amintas
 
 
Ach, was für grausame Ängste!
 
 
Beide
 
     
 
    Ach, schützt, o Götter,
 
 
diese unschuldige Liebe.
 
 

Ende des ersten Aufzugs.