Sechster Auftritt
 
 
Bastien, Bastienne.
 
 
Bastien
 
 
Da ist sie … Soll ich ihre Blicke fliehen? … Nein, wenn ich davonlaufe, verliere ich sie ganz und gar.
 
 
Bastienne
 
 
Der Undankbare! Er hat mich gesehen. Ach! wie klopft mir das Herz.
 
 
Bastien
 
 
Potztausend! ich weiß nicht, was ich tun oder lassen soll.
 
 
Bastienne
 
 
O weh! ohne dran zu denken, komme ich ihm auf den Hals."auf den Hals kommen" bedeutet hier "jemandem begegnen und den Angetroffenen(!) dabei negativ überaschen". Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 10, Leipzig 1877, Sp. 251 (Art. "HALS").
 
 
Bastien
 
 
Es sei gewagt. Ich will frei mit ihr reden … Sieh da, bist du zugegen? Schau, ich bin auch da … Aber wie? Warum so beduft? Was fehlt dir? Was machst du für Gesichter?
 
 
Bastienne
 
 
Wer bist du? Geh! ich kenne dich nicht.
 
 
Bastien
 
 
Was sagst du! Ach, Bastienne, betrachte mich doch! Kennest du denn deinen Bastien nicht mehr?
 
 
Bastienne
 
 
Du wärest mein Bastien? O nein, der bist du nimmer.
 
     
 
    „Er war mir sonst treu und ergeben,
 
 
„mich liebte Bastien allein;
 
 
„mein Herz war einzig sein Bestreben,
 
 
„nur ich, sonst nahm ihn niemand ein.
 
 
„Das schönste Bild entzückt' ihn nicht,
 
 
„sein Blick war bloß auf mich gericht.
 
 
„Ich konnt vor andern allen
 
 
„ihn reizen, ihm gefallen.
 
 
„Auch Damen wurden nicht geschätzt,
 
 
„die oft sein Blick in Glut gesetzt;
 
 
„wenn sie Geschenke gaben,
 
 
„so musst ich solche haben.
 
 
„Mich liebte Bastien allein,
 
 
„doch nun will er sich andern weihn.
 
 
„Vergebens ist jetzt meine Liebe;
 
 
„mein Liebster, der sich mir entreißt,
 
 
„verbittert die sonst süßen Triebe
 
 
„und wird ein Flattergeist.
 
 
Bastien
 
 
Oh, ich sehe schon, was dich verdrießt. Du glaubest, ich habe mich verändert; allein du irrest. Es war ein kleiner Hexenschuss von einem gewissen Poltergeiste; aber der wackere Colas hat ihn schon vertrieben.
 
 
Bastienne
 
 
Leere Entschuldigung! Wenn du verhext warest, so bin ich verzaubert; und bei mir ist alle Kunst des guten Colas vergebens. Ja, Bastien, für ein Übel wie das meinige ist gar kein Mittel.
 
 
Bastien
 
 
Heurate! Der Ehestand heilet alle Zaubereien. Das beste Mittel ist ein Mann.
 
 
Bastienne
 
 
Ein trefflicher Rat! Der Ehestand für sich selbst macht schon lauter Sorgen. Kömmt vollends ein treuloser Mann dazu, so werden Not und Kummer unerträglich. Und das sollte ein Heilungsmittel sein? O pfui!
 
 
Bastien
 
 
Gut; weil du so eigensinnig bist, so tue, was du willst.
 
     
 
    „Geh hin!
 
 
Dein Trotz soll mich nicht schrecken;
 
 
„ich lauf aufs Schloss, das schwör ich dir,
 
 
„und will der Edelfrau entdecken,
 
 
„mein Herz gehöre gänzlich ihr.
 
 
„Lässt sie wie sonst sich zärtlich finden,
 
 
„will ich mich gleich mit ihr verbinden.
 
 
Bastienne
 
     
 
    „Ich will
 
 
mich in die Stadt begeben,
 
 
„Anbeter treff ich da leicht an;
 
 
„wie eine Dam will ich dort leben,
 
 
„die hundert Herren fesseln kann.
 
 
„Und kann ich einen schönen finden,
 
 
„will ich mich gleich mit ihm verbinden.
 
 
Bastien
 
     
 
    Ich
 
 
werd in Gold und Silber prahlen;
 
 
und eine Liebste voller Pracht
 
 
wird die Gewogenheit bezahlen,
 
 
wodurch mein Blick sie glücklich macht.
 
 
Mir ihre Schätze zu verbinden,
 
 
soll sie mich gar nicht spröde finden.
 
 
Bastienne
 
     
 
    Den
 
 
Schönen sind die Kostbarkeiten
 
 
in Städten zu erwerben leicht;
 
 
es braucht, um selbe zu erbeuten,
 
 
nichts als dass man sich freundlich neigt.
 
 
Mir reiche Herren zu verbinden,
 
 
soll man mich stets sehr höflich finden.
 
 
(Beide tun, als wollten sie fortgehen, kommen aber immer zurück.)
 
 
Bastienne
 
 
Siehe da! bist du noch hier? Ich dachte, du wärest schon über alle Berge.
 
 
Bastien
 
 
Ich bin eben im Begriffe, meinen Abmarsch zu nehmen.
 
 
Bastienne
 
 
Vermutlich kostet es dir wenig Mühe, mich zu fliehen, Treuloser!
 
 
Bastien
 
 
Vermutlich bist du sehr vergnügt, dass ich gefasst bin, fortzugehen?
 
 
Bastienne
 
 
Allerdings, mein Herr! sie können nach ihrem Belieben handeln.
 
 
Bastien
 
 
Ist das dein Ernst? … Geh! sag! Soll ich ich bleiben?
 
 
Bastienne
 
 
Ja … Nein, nein.
 
 
Bastien
 
 
Dein Trotz vermehrt sich durch mein Leiden?
 
 
Wohlan! den Augenblick
 
 
hol ich, zu deinen Freuden,
 
 
mir Messer, Dolch und Strick …
 
 
Bastienne
 
 
Viel Glück!
 
 
Bastien
 
 
Ich geh mich zu erhenken
 
 
Bastienne
 
 
Viel Glück.
 
 
Bastien
 
 
Ich lauf, ohn alle Gnad,
 
 
zum Bach mich zu ertränken …
 
 
Bastienne
 
 
Viel Glück zum kalten Bad!
 
 
Bastien
 
 
(für sich)
 
 
Und sollte ich wohl ein solcher Narr sein, mich ins Wasser zu sürzen?
 
 
Bastienne
 
 
Was ist's? Was hält dich denn auf?
 
 
Bastien
 
 
Nichts. Ich überlege nur, dass ich ein schlechter Schwimmer bin; und dann, dass ich vor meinem Ende noch mit dir reden muss.
 
 
Bastienne
 
 
Mit mir reden? Nein, ich höre dich nicht mehr.
 
 
(Air: Non infidele, cours à ta belle.)
 
     
 
    Geh, Herz von FlandernHistorische Landschaft Belgiens. Reimt wie hier häufig mit "andern" und verweist auf Treulosigkeit und Flatterhaftigkeit. Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 3, Leipzig 1962, Sp. 1722 (Art. "FLANDERN").!
 
 
Such nur bei andern
 
 
zärtlich verliebt Gehör!
 
 
Denn dich lieb ich nicht mehr.
 
 
Bastien
 
 
Wohl, ich will sterben;
 
 
denn zum Verderben
 
 
zeigt mir dein Hass die Spur:
 
 
Drum lass ich Dorf und Flur.
 
 
Bastienne
 
 
Falscher! du fliehest?
 
 
Bastien
 
 
Ja, wie du siehest.
 
 
Weil dich ein andrer nimmt,
 
 
ist schon mein Tod bestimmt.
 
 
Ich bin mir selbst zur Qual,
 
 
kein Knecht von dem Rival.
 
 
Bastienne
 
 
Bastien! Bastien!
 
 
Bastien
 
 
Wie? rufst du mich?
 
 
Bastienne
 
 
Du irrest dich.
 
 
In deinem Blick
 
 
wird nun mein Glück
 
 
nicht mehr gefunden.
 
 
Bastien
 
 
Wo ist die süße Zeit,
 
 
da dich mein Scherz erfreut?
 
 
Beide
 
 
Sie ist anjetzt verschwunden.
 
 
Geh! falsche Seele!
 
 
Fort! ich erwähle
 
 
für meine zarte Hand
 
 
ein andres Eheband.
 
 
Wechsel im Lieben
 
 
tilgt das Betrüben
 
 
und reizet, wie man sieht,
 
 
zur Lust den Appetit.
 
 
Bastien
 
 
Doch wenn du wolltest …
 
 
Bastienne
 
 
Doch wenn du solltest …
 
 
Bastien.
 
 
Schatz mich noch nennen …
 
 
Bastienne
 
 
dies Herz erkennen …
 
 
Beide
 
 
wär meine Zärtlichkeit
 
 
aufs Neue dir geweiht.
 
 
Bastien
 
 
Ich bliebe dein allein.
 
 
Bastienne
 
 
Ich würde dein auf ewig sein.
 
 
Bastien
 
 
Gib mir, zu meinem Glück,
 
 
dein Herz zurück!
 
 
Umarme mich!
 
 
Nur dich lieb ich.
 
 
Bastienne
 
 
O Lust
 
 
für die entflammte Brust!
 
 
Beide
 
 
Komm! nimm aufs Neue
 
 
Neigung und Treue!
 
 
Ich schwör dem Wechsel ab
 
 
und lieb dich bis ins Grab.
 
 
Wir sind versöhnet.
 
 
Die Liebe krönet
 
 
uns nach dem bangen Streit
 
 
durch treue Zärtlichkeit.
 
 
Siebenter Auftritt
 
 
Colas, Bastienne, Bastien, Schäfer und Schäferinnen.
 
 
(Air: mes Enfans, apres la pluye)
 
 
Colas
 
     
 
    Kinder! seht, nach Sturm und Regen
 
 
wird ein schöner Tag gebracht;
 
 
euer Glück soll nichts bewegen,
 
 
dankt dies meiner Zaubermacht!
 
 
Auf! auf! gebt euch die Hand!
 
 
Knüpft die Seelen und die Herzen!
 
 
Auf! auf! gebt euch die Hand!
 
 
Nichts von Schmerzen
 
 
werd euch je bekannt.
 
 
Ein Schäfer und eine Schäferin
 
     
 
    Nachbarn! kommt, das Fest zu feiern,
 
 
wünscht dem Brautpaar Heil und Glück!
 
 
Bringt bei Dudelsack und Leiern
 
 
Händ und Füße ins Geschick!
 
 
Auf! auf! holet den Kranz!
 
 
Lasst uns jauchzen, lasst uns springen!
 
 
Auf! auf! holet den Kranz!
 
 
Nach dem Singen
 
 
erfolget der Tanz.
 
 
Bastienne, Bastien
 
     
 
    Lustig! preist die Zaubereien
 
 
von Colas, dem weisen Mann!
 
 
Uns vom Kummer zu befreien,
 
 
hat er Wunder heut getan.
 
 
Auf! auf! stimmt sein Lob an!
 
 
Er stift unsre Hochzeitfeier;
 
 
auf! auf! stimmt sein Lob an!
 
 
O zum Geier,
 
 
welch trefflicher Mann!
 
 
Bastienne, Bastien, Schäfer, Schäferinnen
 
     
 
    Auf! auf! stimmt sein Lob an!
 
 
Er stift diese Hochzeitfeier;
 
 
auf! auf! stimmt sein Lob an!
 
 
O zum Geier,
 
 
welch trefflicher Mann!