Kritische Edition des vertonten Textes KV 384 (Partiturtext KV 384)   Kritische Edition des autographen Libretto-Fragments (Libretto-Fragment)  
Zweiter Auftritt
Blonde, Konstanze.
Blonde
Wie traurig das gute Mädchen daherkommt! Freilich tut's weh, den Geliebten zu verlieren und Sklavin zu sein. Es geht mir wohl auch nicht viel besser; aber ich habe doch noch das Vergnügen, meinen Pedrillo manchmal zu sehen, ob's gleich auch mager und verstohlen genug geschehen muss. Doch wer kann wider den Strom schwimmen!
N° 10 Recitativo ed Aria
Konstanze
(ohne Blonden zu bemerken)
Recitativo
    Welcher Wechsel herrscht in meiner Seele
seit dem Tag, da uns das Schicksal trannte!
O Belmont! hin sind die Freuden,
die ich sonst an deiner Seite kannte;
banger Sehnsuchts Leiden
wohnen nun dafür in der beklemmten Brust.
Aria
    Traurigkeit ward mir zum Lose,
weil ich dir entrissen bin.
Gleich der wurmzernagten Rose,
gleich dem Gras im Wintermoose
welkt mein banges Leben hin.
    Selbst der Luft darf ich nicht sagen
meiner Seele bittern Schmerz;
denn unwillig ihn zu tragen,
haucht sie alle meine Klagen
wieder in mein armes Herz.
Blonde
Ach mein bestes Fräulein! noch immer so traurig?
Konstanze
Kannst du fragen, die du meinen Kummer weißt? – Wieder ein Abend und noch keine Nachricht, noch keine Hoffnung! – Und morgen – ach Gott! ich darf nicht daran denken.
Blonde
Heitern Sie sich wenigstens ein bisschen auf. Sehn Sie, wie schön der Abend ist, wie blühend uns alles entgegenlacht, wie freudig uns die Vögel zu ihrem Gesang einladen! Verbannen Sie die Grillen, und fassen Sie Mut!
Konstanze
Wie glücklich bist du, Mädchen, bei deinem Schicksal so gelassen zu sein! O dass ich es auch könnte!
Blonde
Das steht nur bei Ihnen; hoffen Sie –
Konstanze
wo nicht der mindeste Schein von Hoffnung mehr zu erblicken ist?
Blonde
Hören Sie nur: Ich verzage mein Lebtage nicht, es mag auch eine Sache noch so schlimm aussehen. Denn wer sich immer das Schlimmste vorstellt, ist auch wahrhaftig am schlimmsten dran.
Konstanze
Und wer sich immer mit Hoffnung schmeichelt und zuletzt betrogen sieht, hat alsdenn nichts mehr übrig als die Verzweiflung.
Blonde
Jedes nach seiner Weise. Ich glaube, bei der meinigen am besten zu fahren. Wie bald kann ihr Belmont mit Lösegeld erscheinen oder uns listigerweise entführen? Wären wir die ersten Frauenzimmer, die den türkischen Vielfraßen entkämen? – Dort seh ich den Bassa.
Konstanze
Lass uns ihm aus den Augen gehn.
Blonde
Zu spät. Er hat Sie schon gesehen. Ich darf aber getrost aus dem Wege trollen, er schaffte mich ohnehin fort. (im Weggehen) Courage! Wir kommen gewiss noch in unsre Heimat.
Dritter Auftritt
Konstanze, Selim.
Selim
Nun, Konstanze, denkst du meinem Begehren nach? Der Tag ist bald verstrichen, morgen musst du mich lieben, oder –
Konstanze
Muss? Welch albernes Begehren! Als ob man die Liebe anbefehlen könnte wie eine Tracht Schläge! – – Aber freilich, wie ihr Türken zu Werke geht, lässt sich's auch allenfalls befehlen – aber ihr seid würklich zu beklagen. Ihr kerkert die Gegenstände eurer Begierden ein und seid zufrieden, eure Lüste zu büßen.
Selim
Und glaubst du etwan, unsre Weiber wären weniger glücklich als ihr in euren Ländern?
Konstanze
Die nichts bessers kennen!
Selim
Auf diese Art wäre wohl keine Hoffnung, dass du je anders denken wirst.
Konstanze
Herr! Ich muss dir frei gestehn – – – denn was soll ich dich länger hinhalten, mich mit leerer Hoffnung schmeicheln, dass du dich durch mein Bitten erweichen ließest – – Ich werde stets so denken wie itzt; dich verehren, aber – – lieben? Nie.
Selim
Und du zitterst nicht vor der Gewalt, die ich über dich habe?
Konstanze
Nicht im Geringsten. Sterben ist alles, was ich zu erwarten habe, und je eher dies geschieht, je lieber wird es mir sein.
Selim
Elende! Nein! Nicht sterben, aber Martern von allen Arten – – –
Konstanze
Auch die will ich ertragen; du schreckst mich nicht, ich erwarte alles.
N° 11 Aria
Konstanze
    Martern aller Arten
mögen meiner warten,
ich verlache Qual und Pein.
Nichts soll mich erschüttern,
nur dann würd ich zittern,
wenn ich untreu könnte sein.
    Lass dich bewegen,
verschone mich;
des Himmels Segen
belohne dich!
    Doch du bist entschlossen.
Willig, unverdrossen
wähl ich jede Pein und Not.
Ordne nur, gebiete,
lärme, tobe, wüte,
zuletzt befreit mich doch der Tod.
(geht ab)
Vierter Auftritt
Selim allein.
Selim
Ist das ein Traum? Wo hat sie auf einmal den Mut her, sich so gegen mich zu betragen? Hat sie vielleicht Hoffnung, mir zu entkommen? Ha! das will ich verwehren! (will fort) Doch das ist's nicht, dann würde sie sich eher verstellen, mich einzuschläfern suchen – – – Ja! es ist Verzweiflung! Mit Härte richt ich nichts aus – mit Bitten auch nicht – – also, was Drohen und Bitten nicht vermögen, soll die List zuwege bringen.
(geht ab)
Fünfter Auftritt
Blonde allein.
Blonde
Kein Bassa, keine Konstanze mehr da? Sind sie miteinander eins worden? – – Schwerlich, das gute Kind hängt zu sehr an ihrem Belmont! Ich bedaure sie von Grund meines Herzens. Sie ist zu empfindsam für ihre Lage. Freilich, hätt ich meinen Pedrillo nicht an der Seite, wer weiß, wie mir's ginge! Doch würd ich nicht so zärteln wie sie. Die Männer verdienen's wahrlich nicht, dass man ihrenthalben sich zu Tode grämt. – – Vielleicht würd ich muselmännisch denken.
Sechster Auftritt
Blonde, Pedrillo.
Pedrillo
Bst, bst! Blondchen! Ist der Weg rein?
Blonde
Komm nur, komm! Der Bassa ist wieder zurück. Und meinem Alten habe ich eben den Kopf ein bisschen gewaschen. Was hast du denn?
Pedrillo
O Neuigkeiten, Neuigkeiten, die dich entzücken werden.
Blonde
Nun? Hurtig heraus damit!
Pedrillo
Erst, liebes Herzensblondchen, lass dir vor allen Dingen einen recht herzlichen Kuss geben: Du weißt ja, wie gestohlnes Gut schmeckt.
Blonde
Pfui, pfui! Wenn das deine Neuigkeiten alle sind –
Pedrillo
Närrchen, mach darum keinen Lärm; der alte spitzbübische Osmin lauert uns sicher auf den Dienst.
Blonde
Nun? und die Neuigkeiten? –
Pedrillo
sind, dass das Ende unsrer Sklaverei vor der Türe ist. – (Er sieht sich sorgfältig um.) Belmonte, Konstanzens Geliebter, ist angekommen; und ich hab ihn unter dem Namen eines Baumeisters hier im Palast eingeführt.
Blonde
Ah, was sagst du? Belmonte da?
Pedrillo
Mit Leib und Seele!
Blonde
Ha! das muss Konstanze wissen!
(will fort)
Pedrillo
Hör nur, Blondchen, hör nur erst: Er hat ein Schiff hier in der Nähe in Bereitschaft, und wir haben beschlossen, euch diese Nacht zu entführen.
Blonde
O allerliebst, allerliebst! Herzens-Pedrillo! das verdient einen Kuss. Geschwind, geschwind zu Konstanzen!
(will fort)
Pedrillo
Halt nur, halt, und lass erst mit dir reden. Um Mitternacht kommt Belmonte mit einer Leiter zu Konstanzens Fenster und ich zu dem deinigen; und dann geht's heidi davon!
Blonde
O vortrefflich! Aber Osmin?
Pedrillo
Hier ist ein Schlaftrunk für den alten Schlaukopf, den misch ihm fein manierlich ins Getränke, verstehst du? Ich habe dort auch schon ein Fläschchen angefüllt. Geht's hier nicht, wird's dort wohl gehen.
Blonde
Sorg nicht für mich! – Aber kann Konstanze ihren Geliebten nicht sprechen?
Pedrillo
Sobald es vollends finster ist, kommt er hier in Garten. Nun geh und bereite Konstanzen vor; ich will hier Belmonten erwarten. Leb wohl, Herzchen, leb wohl!
Blonde
Leb wohl, guter Pedrillo! Ach, was werd ich für Freude anrichten!
N° 12 Aria
Blonde
    Welche Wonne, welche Lust
herrscht nunmehr in meiner Brust!
Ohne Aufschub will ich springen
und ihr gleich die Nachricht bringen
und mit Lachen und mit Scherzen
ihrem schwachen, feigen Herzen
Freud und Jubel prophezeihn.
(geht fort)
Siebenter Auftritt
Pedrillo allein.
Pedrillo
Ah, dass es schon vorbei wäre! dass wir schon auf offner See wären, unsre Mädels im Arm und dies verwünschte Land im Rücken hätten! Doch sei's gewagt; entweder itzt oder niemals. Wer zagt, verliert!
N° 13 Aria
Pedrillo
    Frisch zum Kampfe!
Frisch zum Streite!
Nur ein feiger Tropf verzagt.
Sollt ich zittern?
Sollt ich zagen?
Nicht mein Leben
mutig wagen?
Nein, ach nein, es sei gewagt!
Frisch zum Kampfe!
Frisch zum Streite!
Nur ein feiger Tropf verzagt.
Achter Auftritt
Pedrillo, Osmin.
Osmin
Ha! Geht's hier so lustig zu? Es muss dir verteufelt wohl gehen.
Pedrillo
Ei, wer wird so ein Kopfhänger sein; es kommt beim Henker da nichts bei heraus! Das haben die Pedrillos von jeher in ihrer Familie gehabt. Fröhlichkeit und Wein versüßt die härteste Sklaverei. Freilich könnt ihr armen Schlucker das nicht begreifen, dass es so ein herrlich Ding um ein Gläschen guten, alten Lustigmacher ist. Wahrhaftig, da hat euer Vater Mahomet einen verzweifelten Bock geschossen, dass er euch den Wein verboten hat. Wenn das verwünschte Gesetz nicht wäre, du müsstest ein Gläschen mit mir trinken, du möchtest wollen oder nicht. (für sich) Vielleicht beißt er an: Er trinkt ihn gar zu gerne.
Osmin
Wein mit dir? Ja Gift –
Pedrillo
Immer Gift und Dolch und Dolch und Gift! Lass doch den alten Groll einmal fahren und sei vernünftig. Sieh einmal, ein Paar Flaschen Zyperwein! – Ah – (Er zeigt ihm zwo Flaschen, wovon die eine größer als die andere ist.) die sollen mir trefflich schmecken!
Osmin
(für sich)
Wenn ich trauen dürfte?
Pedrillo
Das ist ein Wein! das ist ein Wein!
(Er setzt sich nach türkischer Art auf die Erde und trinkt aus der kleinen Flasche.)
Osmin
Kost einmal die große Flasche auch.
Pedrillo
Denkst wohl gar, ich habe Gift hineingetan? Ha! lass dir keine grauen Haare wachsen. Es verlohnte sich der Mühe, dass ich deinetwegen zum Teufel führe. Da sieh, ob ich trinke. (Er trinkt aus der großen Flasche ein wenig.) Nun, hast du noch Bedenken? Traust mir noch nicht? Pfui, Osmin! sollt'st dich schämen – Da nimm! (Er gibt ihm die große Flasche.) Oder willst du die kleine?
Osmin
Nein, lass nur, lass nur! Aber wenn du mich verrätst –
(sieht sich sorgfältig um)
Pedrillo
Als wenn wir einander nicht weiter brauchten. Immer frisch! Mahomet liegt längst auf'm Ohr und hat nötiger zu tun, als sich um deine Flasche Wein zu bekümmern.
N° 14 Duetto
Pedrillo
    Vivat Bacchus!
Bacchus lebe!
Bacchus war ein braver Mann!
Osmin
    Ob ich's wage? –
Ob ich's trinke?
Ob's wohl Allah sehen kann?
Pedrillo
    Was hilft das Zaudern?
Hinunter, hinunter!
Nicht lange, nicht lange gefragt!
Osmin
(Er trinkt.)
    Nun war's geschehen,
nun war's hinunter;
das heiß ich, das heiß ich gewagt!
Beide
    Es leben die Mädchen,
die Blonden, die Braunen,
sie leben hoch!
Pedrillo
    Das schmeckt trefflich!
Osmin
Das schmeckt herrlich!
Beide
Ah! das heiß ich Göttertrank!
    Vivat Bacchus!Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Vivat Bacchus,
Bacchus lebe!
Bacchus, der den Wein erfand!Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Vivat, der den Wein erfand.
Pedrillo
Wahrhaftig, das muss ich gestehen, es geht doch nichts über den Wein. Wein ist mir lieber als Geld und Mädchen. Bin ich verdrüßlich, mürrisch, launisch: Hurtig nehm ich meine Zuflucht zur Flasche; und kaum seh ich den ersten Boden, weg ist all mein Verdruss! – Meine Flasche macht mir kein schiefes Gesicht wie mein Mädchen, wenn ihr der Kopf nicht auf dem rechten Flecke steht. Und schwatzt mir von Süßigkeit der Liebe und des Ehestands, was ihr wollt: Wein auf der Zunge geht über alles!
(Osmin fängt bereits an, die Wirkung des Weins und des Schlaftrunks zu spüren, und wird bis zu Ende des Auftritts immer schläfriger und träger; doch darf's der Schauspieler nicht übertreiben und muss nur immer halb träumend und schlaftrunken bleiben.)
Osmin
Das ist wahr – Wein – Wein – ist ein schönes Getränke; und unser großer – Prophet mag mir's nicht übel nehmen – Gift und Dolch! es ist doch eine hübsche Sache um den Wein! – Nicht – – Bruder Pedrillo?
Pedrillo
Richtig, Bruder Osmin, richtig!
Osmin
Man wird gleich so – munter (Er nickt zuweilen.) so vergnügt – so aufgeräumt – – Hast du nichts mehr, Bruder?
(Er langt auf eine lächerliche Art nach einer zwoten Flasche, die Pedrillo ihm reicht.)
Pedrillo
Hör du, Alter: Trink mir nicht zu viel; es kommt einem in Kopf.
Osmin
Trag doch keine – Sorge, ich bin so – so – nüchtern wie möglich – Aber das ist wahr – (Er fängt an, auf die Erde hin und her zu wanken.) es schmeckt – – vortrefflich! –
Pedrillo
(für sich)
Es wirkt, Alter; es wirkt!
Osmin
Aber verraten musst du mich nicht – Brüderchen – verraten – denn – wenn's Mahomet – – nein, nein – der Bassa wüsste – – denn siehst du – – – liebes Blondchen – – ja oder nein! – –
Pedrillo
(für sich)
Nun wird's Zeit, ihn fortzuschaffen! (laut) Nun komm, Alter, komm, wir wollen schlafen gehn!
(Er hebt ihn auf.)
Osmin
Schlafen? – Schämst du dich nicht? – – Gift und Dolch! Wer wird denn so schläfrig sein – es ist ja kaum Morgen –
Pedrillo
Hoho, die Sonne ist schon hinunter! – Komm, komm, dass uns der Bassa nicht überrascht!
Osmin
(im Abführen)
Ja, ja – – eine Flasche – guter – Bassa – geht über – – alles! – Gute Nacht – – Brüderchen – gute Nacht. –
(Pedrillo führt ihn hinein, kommt aber gleich wieder zurück.)
Neunter Auftritt
Pedrillo, hernach Belmonte, Konstanze, Blonde.
Pedrillo
(macht's Osmin nach)
Gute Nacht – Brüderchen – gute Nacht! Hahahaha, alter Eisenfresser! erwischt man dich so? Gift und Dolch! – Du hast deine Ladung! Nur fürcht ich, ist's noch zu zeitig am Tage; bis Mitternacht sind noch drei Stunden, und da könnt er leicht wieder ausgeschlafen haben. – – Ach! kommen Sie, kommen Sie, liebster Herr! Unser Argus ist blind; ich hab ihn tüchtig zugedeckt.
Belmonte
O dass wir glücklich wären! – Aber sag: Ist Konstanze noch nicht hier?
Pedrillo
Eben kommt sie da den Gang herauf. Reden Sie alles mit ihr ab; aber fassen Sie sich kurz, denn der Verräter schläft nicht immer.
(Während der Unterredung des Belmonte mit Konstanzen unterhält sich Pedrillo mit Blonden, der er durch Pantomime den ganzen Auftritt mit dem Osmin vormacht und jenen nachahmt; zuletzt unterrichtet er sie ebenfalls, dass er um Mitternacht mit einer Leiter unter ihr Fenster kommen wolle, um sie zu entführen.)
Konstanze, Belmonte (einander im Arme).
Konstanze
O mein Belmonte!
Belmonte
O Konstanze!
Konstanze
Ist's möglich? – Nach so viel Tagen der Angst, nach so viel ausgestandnen Leiden dich wieder in meinen Armen –
Belmonte
Oh, dieser Augenblick versüßt allen Kummer, macht mich all meinen Schmerz vergessen –
Konstanze
Hier will ich an deinem Busen liegen und weinen! – Ach, jetzt fühl ich's – die Freude hat auch ihre Tränen!
N° 15 Aria
Belmonte
    Wenn der Freude Tränen fließen,
lächelt Liebe dem Geliebten hold!
Von den Wangen sie zu küssen,
ist der Liebe schönster, größter Sold.
Ach Konstanze! dich zu sehen,
dich voll Wonne, voll Entzücken
an mein treues Herz zu drücken,
lohnt fürwahr nicht Krösus' Pracht!
Dass wir uns niemals wiederfinden!
So dürfen wir nicht erst empfinden,
welchen Schmerz die Trennung macht.
Belmonte
Ich hab hier ein Schiff in Bereitschaft; um Mitternacht, wenn alles schläft, komm ich an dein Fenster; und dann sei die Liebe unser Schutzengel!
Konstanze
Mit tausend Freuden! Was wollt ich nicht mit dir wagen? Ich erwarte dich –
Pedrillo
Also, liebes Blondchen, pass ja hübsch auf, hörst du's?
Blonde
Sorge für mich nicht. Das wär das erste Abenteuer, das ein Mädchen verschlafen hätte.
Pedrillo
Du wirst's schon merken, wenn du so was Gesungenes hörst, wie's so meine Art des Abends immer ist; dann pass auf, und dann mit einem Sprung ins Schiff! – Nur hübsch Mut gefasst und nicht verzagt: Wer alles zu verlieren hat, muss alles wagen!
Konstanze
Wenn es aber nur glücklich abläuft!
Belmonte
Wir wollen's hoffen; die Liebe wird unsre Geleiterin sein.
N° 16 Quartetto
Konstanze
    Ach Belmonte! ach mein Leben!
Belmonte
Ach Konstanze! ach mein Leben!
Konstanze
Ist es möglich? Welch Entzücken!
dich an meine Brust zu drücken
nach so vieler Tage Leid.
Belmonte
Welche Wonne, dich zu finden!
Nun muss aller Kummer schwinden!
O wie ist mein Herz erfreut!
Konstanze
Sieh die Freudenträne fließen.
Belmonte
Holde! lass hinweg sie küssen!
Konstanze
Dass es doch die letzte sei!
Belmonte
Ja, noch heute wirst du frei.
Pedrillo
    Also, Blondchen, hast's verstanden?
Alles ist zur Flucht vorhanden,
um Schlag zwölfe sind wir da.
Blonde
Unbesorgt! es wird nichts fehlen,
die Minuten werd ich zählen,
wär der Augenblick schon da!
Alle Vier
    Endlich scheint die Hoffnungssonne
hell durchs trübe Firmament.
Voll Entzücken, Freud und Wonne
sehn wir unsrer Leiden End.
Belmonte
    Doch ach! bei aller Lust
empfindet meine Brust
noch manch geheime Sorgen!
Konstanze
Was ist es, Liebster, sprich,
geschwind, erkläre dich,
o halt mir nichts verborgen!
Belmonte
    Man sagt – du seist – –
(sieht Konstanze stillschweigend furchtsam an)
Konstanze
Nun weiter?Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Nun weiter –
(sieht den Belmonte stillschweigend furchtsam an)
Pedrillo
(zeigt, dass er wage, gehenkt zu werden)
Doch Blondchen, ach! die Leiter!
bist du wohl so viel wert?
Blonde
Hansnarr! schnappt's bei dir über?
Ei! hättest du mir lieber
die Frage umgekehrt.
Pedrillo
    Doch Herr Osmin – –
Blonde
Lass hören –
Konstanze
Willst du dich nicht erklären? –
(zugleich)
Belmonte
Ich will. Doch zörne nicht,
wenn ich nach dem Gericht,
so ich gehört, es wage,
dich zitternd, bebend frage,
ob du den Bassa liebst? –
Konstanze
(Sie weint.)
O! wie du mich betrübst!
Pedrillo
    Hat nicht Osmin etwan,
wie man fast glauben kann,
sein Recht als Herr probieret
und bei dir exerzieret?Schreibvariante in den Textwiederholungen:
bei dir probieret und exerzieret?
Dann wär's ein schlechter Kauf!
Blonde
(gibt dem Pedrillo eine Ohrfeige)
Da nimm die Antwort drauf.
Pedrillo
(hält sich das Wang)
    Nun bin ich aufgeklärt!
Belmonte
(kniend)
Konstanze! ach vergib!
Blonde
(geht zornig von Pedrillo)
Du bist mich gar nicht wert.
Konstanze
(seufzend sich von Belmonte wegwendend)
Ob ich dir treu verblieb! –
(anfangs allein, dann alle viere)
Blonde
(zu Konstanze)
    Der Schlingel fragt sich an,
ob ich ihm treu geblieben?
Konstanze
(zu Blonde)
Dem Belmont sagte man,
ich soll den Bassa lieben!
Pedrillo
(hält sich das Wang)
Dass Blonde ehrlich sei,
schwör ich bei allen Teufeln!
Belmonte
(zu Pedrillo)
Konstanze ist mir treu,
daran ist nicht zu zweifeln.
(zugleich)
Konstanze, Blonde
    Wenn unsrer Ehre wegen
die Männer Argwohn hegen,
verdächtig auf uns sehn,
das ist nicht auszustehn.
Belmonte, Pedrillo
Sobald sich Weiber kränken,
dass wir sie untreu denken,
dann sind sie wahrhaft treu,
von allem Vorwurf frei.
(zugleich)
Pedrillo
    Liebstes Blondchen! ach! verzeihe,Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Liebstes Blondchen! ach verzeihe!
sieh, ich bau auf deine Treue
mehr itzt als auf meinen Kopf!
Blonde
Nein, das kann ich dir nicht schenken,
mich mit so was zu verdenken,
mit dem alten dummen Tropf!
Belmonte
    Ach Konstanze! ach mein Leben,Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Ach Konstanze! ach mein leben!
könntest du mir doch vergeben,
dass ich diese Frage tat?
Konstanze
Belmont! wie du konntest glauben,
dass man dir dies Herz könnt rauben?
das nur dir geschlagen hat.
Belmonte, Pedrillo
    Ach verzeihe!
Ich bereue!
Konstanze, Blonde
Ich verzeihe
deiner Reue!
Alle Vier
Wohl, es sei nun abgetan!
    Es lebe die Liebe!
Nur sie sei uns teuer,
nichts fache das Feuer
der Eifersucht an.
(alle ab)
Ende des zweiten Akts.