Fünfzehnter Auftritt
 
 
Drei Knaben führen den Tamino herein, jeder hat einen silbernen Palmzweig in der Hand.
 
 
Finale
 
 
Die drei Knaben
 
     
 
    Zum Ziele führt dich diese Bahn,
 
 
doch musst du, Jüngling! männlich siegen.
 
 
Drum höre unsre Lehre an:
 
 
Sei standhaft, duldsam und verschwiegen!
 
 
Tamino
 
 
Ihr holden Kleinen, sagt mir an,
 
 
ob ich Paminen retten kann.
 
 
Die drei Knaben
 
 
Dies kundzutun, steht uns nicht an –
 
 
sei standhaft, duldsam und verschwiegen. –
 
 
Bedenke dies, kurz: Sei ein Mann,
 
 
dann, Jüngling, wirst du männlich siegen.
 
 
(gehen ab)
 
 
Tamino
 
     
 
    Die Weisheitslehre dieser Knaben
 
 
sei ewig mir ins Herz gegraben.
 
 
Wo bin ich nun? – Was wird mit mir?
 
 
Ist dies der Sitz der Götter hier?
 
 
Es zeigen die Pforten, es zeigen die Säulen,
 
 
dass Klugheit und Arbeit und Künste hier weilen.
 
 
Wo Tätigkeit thronet und Müßiggang weicht,
 
 
erhält seine Herrschaft das Laster nicht leicht.
 
 
Ich mache mich mutig zur Pforte hinein,
 
 
die Absicht ist edel und lauter und rein.
 
 
Erzittre, feiger Bösewicht!
 
 
Paminen retten ist mir Pflicht.
 
 
(Er geht an die Pforte zur rechten Seite, macht sie auf, und als er hinein will, hört man von fern eine Stimme.)
 
 
Stimme
 
 
Zurück!
 
 
Tamino
 
 
Zurück? So wag ich hier mein Glück!
 
 
(Er geht zur linken Pforte; eine Stimme von innen.)
 
 
Stimme
 
 
Zurück!
 
 
Tamino
 
 
Auch hier ruft man "zurück"?
 
 
(sieht sich um)
 
 
Da sehe ich noch eine Tür!
 
 
Vielleicht find ich den Eingang hier.
 
 
(Er klopft; ein alter Priester erscheint.)
 
 
Priester
 
 
Wo willst du, kühner Fremdling, hin?
 
 
Was suchst du hier im Heiligtum?
 
 
Tamino
 
 
Der Lieb und Tugend Eigentum.
 
 
Priester
 
 
Die Worte sind von hohem Sinn!
 
 
Allein, wie willst du diese finden?
 
 
Dich leitet Lieb und Tugend nicht,
 
 
weil Tod und Rache dich entzünden.
 
 
Tamino
 
 
Nur Rache für den Bösewicht.
 
 
Priester
 
 
Den wirst du wohl bei uns nicht finden.
 
 
Tamino
 
 
Sarastro herrscht in diesen Gründen?
 
 
Priester
 
 
Ja, ja! Sarastro herrschet hier!
 
 
Tamino
 
 
Doch in dem Weisheitstempel nicht?
 
 
Priester
 
 
Er herrscht im Weisheitstempel hier.
 
 
Tamino
 
 
So ist denn alles Heuchelei!
 
 
(will gehen)
 
 
Priester
 
 
Willst du schon wieder gehn?
 
 
Tamino
 
 
Ja, ich will gehn, froh und frei –
 
 
nie euren Tempel sehn.
 
 
Priester
 
 
Erklär dich näher mir, dich täuschet ein Betrug.
 
 
Tamino
 
 
Sarastro wohnet hier, das ist mir schon genug.
 
 
Priester
 
 
Wenn du dein Leben liebst, so rede, bleibe da!
 
 
Sarastro hassest du?
 
 
Tamino
 
 
Ich hass ihn ewig! ja. –
 
 
Priester
 
 
Nun gib mir deine Gründe an.
 
 
Tamino
 
 
Er ist ein Unmensch, ein Tyrann!
 
 
Priester
 
 
Ist das, was du gesagt, erwiesen?
 
 
Tamino
 
 
Durch ein unglücklich Weib bewiesen,
 
 
die Gram und Jammer niederdrückt.
 
 
Priester
 
 
Ein Weib hat also dich berückt?
 
 
Ein Weib tut wenig, plaudert viel.
 
 
Du, Jüngling, glaubst dem Zungenspiel?
 
 
O legte doch Sarastro dir
 
 
die Absicht seiner Handlung für.
 
 
Tamino
 
 
Die Absicht ist nur allzu klar;
 
 
riss nicht der Räuber ohn Erbarmen
 
 
Paminen aus der Mutter Armen?
 
 
Priester
 
 
Ja, Jüngling! was du sagst, ist wahr.
 
 
Tamino
 
 
Wo ist sie, die er uns geraubt?
 
 
Man opferte vielleicht sie schon?
 
 
Priester
 
 
Dir dies zu sagen, teurer Sohn!
 
 
ist jetzund mir noch nicht erlaubt.
 
 
Tamino
 
 
Erklär dies Rätsel, täusch mich nicht.
 
 
Priester
 
 
Die Zunge bindet Eid und Pflicht.
 
 
Tamino
 
 
Wann also wird die Decke schwinden?
 
 
Priester
 
 
Sobald dich führt der Freundschaft Hand
 
 
ins Heiligtum zum ew'gen Band.
 
 
(geht ab)
 
 
Tamino
 
 
(allein)
 
 
O ewige Nacht! wann wirst du schwinden?
 
 
Wann wird das Licht mein Auge finden?
 
 
Einige Stimmen
 
 
Bald, Jüngling, oder nie!
 
 
Tamino
 
 
Bald, sagt ihr, oder nie!
 
 
Ihr Unsichtbaren, saget mir!
 
 
lebt denn Pamina noch?
 
 
Die Stimmen
 
 
Pamina lebet noch!
 
 
Tamino
 
 
(freudig)
 
 
Sie lebt? Ich danke euch dafür.
 
 
(Er nimmt seine Flöte heraus.)
 
 
Wenn ich doch nur im Stande wäre,
 
 
Allmächtige, zu eurer Ehre
 
 
mit jedem Tone meinen Dank
 
 
zu schildern,
 
 
wie er hier entsprang!
 
 
(Aufs Herz deutend. Er spielt, sogleich kommen Tiere von allen Arten hervor, ihm zuzuhören. Er hört auf, und sie fliehen. Die Vögel pfeifen dazu.)
 
     
 
    Wie stark ist nicht dein Zauberton,
 
 
weil, holde Flöte, durch dein Spielen
 
 
selbst wilde Tiere Freude fühlen.
 
 
Doch nur Pamina bleibt davon.
 
 
(Er spielt.)
 
 
Pamina, höre, höre mich!
 
 
Umsonst!
 
 
(Er spielt.)
 
 
Wo?
 
 
ach! wo find ich dich?
 
 
(Er spielt, Papageno antwortet von innen mit seinem Flötchen.)
 
 
Ha, das ist Papagenos Ton.
 
 
(Er spielt, Papageno antwortet.)
 
 
Tamino
 
 
Vielleicht sah er Paminen schon,
 
 
vielleicht eilt sie mit ihm zu mir!
 
 
Vielleicht
 
 
führt mich der Ton zu ihr.
 
 
(eilt ab)
 
 
Sechzehnter Auftritt
 
 
Papageno, Pamina (ohne Fesseln).
 
 
Pamina, Papageno
 
     
 
    Schnelle Füße, rascher Mut
 
 
schützt vor Feindes List und Wut;
 
 
fänden wir Taminen doch!
 
 
Sonst erwischen sie uns noch.
 
 
Pamina
 
 
Holder Jüngling!
 
 
Papageno
 
 
Stille, stille! ich kann's besser!
 
 
(Er pfeift.)
 
 
(Tamino antwortet von innen mit seiner Flöte.)
 
 
Beide
 
 
Welche Freude ist wohl größer,
 
 
Freund Tamino hört uns schon;
 
 
hieher kam der Flöten Ton.
 
 
Welch ein Glück, wenn ich ihn finde!
 
 
Nur geschwinde! nur geschwinde!
 
 
(wollen gehen)
 
 
Siebenzehnter Auftritt
 
 
Vorige, Monostatos.
 
 
Monostatos
 
     
 
    Ha, hab ich euch noch erwischt!
 
 
Nur herbei mit Stahl und Eisen;
 
 
wart, man wird euch Mores weisen.
 
 
Den Monostatos berücken!
 
 
Nur herbei mit Band und Stricken;
 
 
he, ihr Sklaven, kommt herbei!
 
 
(Die Sklaven kommen mit Fesseln.)
 
 
Pamina, Papageno
 
 
Ach, nun ist's mit uns vorbei.
 
 
Papageno
 
 
Wer viel wagt,
 
 
gewinnt oft viel,
 
 
komm, du schönes Glockenspiel!
 
 
Lass die Glöckchen klingen, klingen,
 
 
dass die Ohren ihnen singen.
 
 
(Er schlägt auf sein Instrument; sogleich singt Monostatos und die Sklaven und gehen unter dem Gesang marschmäßig ab.)
 
 
Monostatos, Sklaven
 
 
Das klinget so herrlich, das klinget so schön!
 
 
Tralla lala la Trallalala!
 
 
Nie hab ich so etwas gehört und gesehn!
 
 
Trallalalala Tralla lalala.
 
 
(ab)
 
 
Pamina, Papageno
 
 
Ha ha ha! ha ha ha!
 
 
Könnte jeder brave Mann
 
 
solche Glöckchen finden,
 
 
seine Feinde würden dann
 
 
ohne Mühe schwinden.
 
 
Und er lebte ohne sie
 
 
in der besten Harmonie.
 
 
Nur der Freundschaft Harmonie
 
 
mildert die Beschwerden;
 
 
ohne diese Sympathie
 
 
ist kein Glück auf Erden.
 
 
(Ein starker Marsch mit Trompeten und Pauken fällt ein.)
 
 
Chor
 
 
(von innen)
 
     
 
    Es lebe Sarastro! Sarastro lebe!
 
 
Papageno
 
 
Was soll dies bedeuten? Ich zittre, ich bebe.
 
 
Pamina
 
 
O Freund, nun ist's um uns getan!
 
 
Dies kündigt den Sarastro an.
 
 
Papageno
 
 
O wär ich eine Maus!
 
 
wie wollt ich mich verstecken;
 
 
wär ich so klein wie Schnecken,
 
 
so kröch ich in mein Haus. –
 
 
Mein Kind, was werden wir nun sprechen?
 
 
Pamina
 
 
Die Wahrheit! sei sie auch Verbrechen.
 
 
BeideZum folgenden, von Mozart nicht vertonten Vierzeiler vgl. Gernot Gruber, „Vorwort“ zu Die Zauberflöte (Neue Mozart-Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/19), Kassel 1970, S. XIV.
 
 
Die Wahrheit ist nicht immer gut,
 
 
weil sie den Großen wehe tut;
 
 
doch wär sie allezeit verhasst,
 
 
so wär mein Leben mir zur Last.
 
 
Achtzehnter Auftritt
 
 
Ein Zug von Gefolge; zuletzt fährt Sarastro auf einem Triumphwagen heraus, der von sechs Löwen gezogen wird. Vorige.
 
 
Chor
 
 
Es lebe Sarastro! Sarastro soll leben!
 
 
Er ist es, dem wir uns mit Freuden ergeben!
 
 
Stets mög er des Lebens als Weiser sich freun!
 
 
Er ist unser Abgott, dem alle sich weihn.
 
 
(Dieser Chor wird gesungen, bis Sarastro aus dem Wagen ist.)
 
 
Pamina
 
 
(kniet)
 
     
 
    Herr, ich bin zwar Verbrecherin!
 
 
Ich wollte deiner Macht entfliehn.
 
 
Allein die Schuld ist nicht an mir –
 
 
der böse Mohr verlangte Liebe;
 
 
darum, o Herr! entfloh ich dir.
 
 
Sarastro
 
 
Steh auf, erheitre dich, o Liebe!
 
 
Denn ohne erst in dich zu dringen,
 
 
weiß ich von deinem Herzen mehr:
 
 
Du liebest einen andern sehr.
 
 
Zur Liebe will ich dich nicht zwingen,
 
 
doch geb ich dir die Freiheit nicht.
 
 
Pamina
 
 
Mich rufet ja die Kindespflicht,
 
 
denn meine Mutter –
 
 
Sarastro
 
 
steht in meiner Macht;
 
 
du würdest um dein Glück gebracht,
 
 
wenn ich dich ihren Händen ließe.
 
 
Pamina
 
 
Mir klingt der Mutternamen süße;
 
 
sie ist es –
 
 
Sarastro
 
 
und ein stolzes Weib.
 
 
Ein Mann muss eure Herzen leiten,
 
 
denn ohne ihn
 
 
pflegt jedes Weib
 
 
aus ihrem Wirkungskreis zu schreiten.
 
 
Neunzehnter Auftritt
 
 
Monostatos, Tamino. Vorige.
 
 
Monostatos
 
     
 
    Nun, stolzer Jüngling, nur hieher!
 
 
Hier ist Sarastro, unser Herr!
 
 
Pamina, Tamino
 
 
Er ist's! Er ist's! ich glaub es kaum!|
 
 
Sie ist's! Sie ist's! es ist kein Traum!
 
 
Es schling mein Arm sich um sie|ihn her,
 
 
und wenn es auch mein Ende wär.
 
 
Chor
 
 
Was soll das heißen?
 
 
Monostatos
 
 
Welch eine Dreistigkeit!
 
 
Gleich auseinander, das geht zu weit!
 
 
(Er trennt sie.)
 
 
(kniet)
 
 
Dein Sklave liegt zu deinen Füßen,
 
 
lass den verwegnen Frevler büßen.
 
 
Bedenk, wie frech der Knabe ist!
 
 
Durch dieses seltnen Vogels List
 
 
wollt er Paminen dir entführen;
 
 
allein, ich wusst ihn auszuspüren.
 
 
Du kennst mich! – Meine Wachsamkeit –
 
 
Sarastro
 
 
verdient, dass man ihr Lorbeer streut! –
 
 
He! gebt dem Ehrenmann sogleich –
 
 
Monostatos
 
 
Schon deine Gnade macht mich reich.
 
 
Sarastro
 
 
nur 77 Sohlenstreich!
 
 
Monostatos
 
 
(kniet)
 
 
Ach Herr! den Lohn verhofft ich nicht.
 
 
Sarastro
 
 
Nicht Dank! Es ist ja meine Pflicht.
 
 
(Monostatos wird fortgeführt.)
 
 
Chor
 
 
Es lebe Sarastro, der göttliche Weise,
 
 
er lohnet und strafet in ähnlichem Kreise.
 
 
Sarastro
 
 
Führt diese beiden Fremdlinge
 
 
in unsern Prüfungstempel ein:
 
 
Bedecket ihre Häupter dann –
 
 
sie müssen erst gereinigt sein.
 
 
(Zwei bringen eine Art Sack und bedecken die Häupter der beiden Fremden.)
 
 
Chor
 
 
Führt diese beiden Fremdlinge
 
 
in unsern Prüfungstempel ein usf.
 
 
Schlusschor
 
     
 
    Wenn Tugend und Gerechtigkeit
 
 
den großen Pfad mit Ruhm bestreut,
 
 
dann ist die Erd ein Himmelreich
 
 
und Sterbliche den Göttern gleich.
 
 
Ende des ersten Aufzugs.