Neunzehnter Auftritt
 
 
Tamino, Papageno.
 
 
Papageno
 
 
(isst hastig)
 
 
Nicht wahr, Tamino, ich kann auch schweigen, wenn's sein muss. – Ja, bei so einem Unternehmen da bin ich Mann. – (Er trinkt.) Der Herr Koch und der Herr Kellermeister sollen leben. –
 
 
(dreimaliger Posaunenton)
 
 
(Tamino winkt Papageno, dass er gehen soll.)
 
 
Papageno
 
 
Gehe du nur voraus, ich komm schon nach.
 
 
(Tamino will ihn mit Gewalt fortführen.)
 
 
Papageno
 
 
Der Stärkere bleibt da!
 
 
(Tamino droht ihm und geht rechts ab; ist aber links gekommen.)
 
 
Papageno
 
 
Jetzt will ich mir's erst recht wohl sein lassen. – Da ich in meinem besten Appetit bin, soll ich gehen. – Das lass ich wohl bleiben. – Ich ging' jetzt nicht fort, und wenn Herr Sarastro seine sechs Löwen an mich spannte. (Die Löwen kommen heraus, er erschrickt.) O Barmherzigkeit, ihr gütigen Götter! – Tamino, rette mich! Die Herrn Löwen machen eine Mahlzeit aus mir. – –
 
 
(Tamino bläst seine Flöte, kommt schnell zurück; die Löwen gehen hinein. Tamino winkt ihm.)
 
 
Papageno
 
 
Ich gehe schon! Heiß du mich einen Schelmen, wenn ich dir nicht in allem folge. (dreimaliger Posaunenton) Das geht uns an. – Wir kommen schon. – Aber hör einmal, Tamino, was wird denn noch alles mit uns werden?
 
 
(Tamino deutet gen Himmel.)
 
 
Papageno
 
 
Die Götter soll ich fragen?
 
 
(Tamino deutet ja.)
 
 
Papageno
 
 
Ja, die könnten uns freilich mehr sagen, als wir wissen!
 
 
(dreimaliger Posaunenton)
 
 
(Tamino reißt ihn mit Gewalt fort.)
 
 
Papageno
 
 
Eile nur nicht so, wir kommen noch immer zeitlich genug, um uns braten zu lassen.
 
 
(ab)
 
 


Das Theater verwandelt sich in das Gewölbe von Pyramiden.
 
 
Zwanzigster Auftritt
 
 
Sprecher und einige Priester. Zwei Priester tragen eine beleuchtete Pyramide auf Schultern; jeder Priester hat eine transparente Pyramide in der Größe einer Laterne in der Hand.
 
 
Chor
 
     
 
    O Isis und Osiris, welche Wonne!
 
 
Die düstre Nacht verscheucht der Glanz der Sonne.
 
 
Bald fühlt der edle Jüngling neues Leben;
 
 
bald ist er unserm Dienste ganz gegeben.
 
 
Sein Geist ist kühn, sein Herz ist rein,
 
 
bald wird er unsrer würdig sein.
 
 
Einundzwanzigster Auftritt
 
 
Sarastro, Tamino (der hereingeführt wird), Vorige, später Pamina.
 
 
Sarastro
 
 
Prinz, dein Betragen war bis hieher männlich und gelassen; nun hast du noch zwei gefährliche Wege zu wandern. – Schlägt dein Herz noch ebenso warm für Pamina – und wünschest du, einst als ein weiser Fürst zu regieren, so mögen die Götter dich ferner begleiten. – – Deine Hand! – Man bringe Paminen!
 
 
(Eine Stille herrscht bei allen Priestern. Pamina wird mit eben diesem Sack, welcher die Eingeweihten bedeckt, hereingeführt; Sarastro löst die Bande am Sacke auf.)
 
 
Pamina
 
 
Wo bin ich? – Welch eine fürchterliche Stille! – Saget, wo ist mein Jüngling? –
 
 
Sarastro
 
 
Er wartet deiner, um dir das letzte Lebewohl zu sagen.
 
 
Pamina
 
 
Das letzte Lebewohl! – Wo ist er? – Führe mich zu ihm! –
 
 
Sarastro
 
 
Hier! –
 
 
Pamina
 
 
Tamino!
 
 
Tamino
 
 
Zurück!
 
 
Terzett
 
 
Sarastro, Pamina, Tamino.
 
 
Pamina
 
     
 
    Soll ich dich, Teurer! nicht mehr sehn?
 
 
Sarastro
 
 
Ihr werdet froh euch wiedersehn! –
 
 
Pamina
 
 
Dein warten tödliche Gefahren! –
 
 
Sarastro, Tamino
 
 
Die Götter mögen ihn|mich bewahren! –
 
 
Pamina
 
 
Du wirst dem Tode nicht entgehen;
 
 
mir flüstert Ahndung dieses ein! –
 
 
Sarastro, Tamino
 
 
Der Götter Wille mag geschehen;
 
 
ihr Wink soll ihm|mir Gesetze sein! –
 
 
Pamina
 
 
O liebtest du, wie ich dich liebe,
 
 
du würdest nicht so ruhig sein! –
 
 
Sarastro, Tamino
 
 
Glaub mir, er fühlet|ich fühle gleiche Triebe,
 
 
wird|werd ewig dein Getreuer sein!
 
 
Sarastro
 
 
Die Stunde schlägt, nun müsst ihr scheiden;
 
 
Tamino muss nun wieder fort!
 
 
Tamino, Pamina
 
 
Wie bitter sind der Trennung Leiden!
 
 
Pamina, ich muss wirklich fort!|Tamino muss nun wirklich fort!
 
 
Sarastro
 
 
Nun muss er fort!
 
 
Tamino
 
 
Nun muss ich fort!
 
 
Pamina
 
 
So musst du fort! –
 
 
Tamino
 
 
Pamina, lebe wohl!
 
 
Pamina
 
 
Tamino, lebe wohl!
 
 
Sarastro
 
 
Nun eile fort!
 
 
Dich ruft dein Wort.
 
 
Sarastro, Tamino
 
 
Die Stunde schlägt; wir sehn uns wieder! –
 
 
Pamina
 
 
Ach goldne Ruhe, kehre wieder!
 
 
(entfernen sich)
 
 
Zweiundzwanzigster Auftritt
 
 
Papageno.
 
 
Papageno
 
 
(von außen)
 
 
Tamino! Tamino! willst du mich denn gänzlich verlassen? (Er sucht herein.) Wenn ich nur wenigstens wüsste, wo ich wäre – Tamino! – Tamino! – So lang ich lebe, bleib ich nicht mehr von dir – – nur diesmal verlass mich armen Reisgefährten nicht!
 
 
(Er kommt an die Türe, wo Tamino abgeführt worden ist.)
 
 
Eine Stimme
 
 
(ruft)
 
 
Zurück!
 
 
(dann ein Donnerschlag, das Feuer schlägt zur Türe heraus; starker Akkord)
 
 
Papageno
 
 
Barmherzige Götter! – Wo wend ich mich hin? – Wenn ich nur wüsste, wo ich hereinkam.
 
 
(Er kommt an die Türe, wo er hereinkam.)
 
 
Die Stimme
 
 
Zurück!
 
 
(Donner, Feuer und Akkord wie oben)
 
 
Papageno
 
 
Nun kann ich weder zurück noch vorwärts! – (weint) Muss vielleicht am Ende gar verhungern. – Schon recht! – Warum bin ich mitgereist.
 
 
Dreiundzwanzigster Auftritt
 
 
Sprecher (mit seiner Pyramide). Voriger.
 
 
Sprecher
 
 
Mensch! du hättest verdient, auf immer in finstern Klüften der Erde zu wandern – die gütigen Götter aber entlassen der Strafe dich. – Dafür aber wirst du das himmlische Vergnügen der Eingeweihten nie fühlen.
 
 
Papageno
 
 
Je nun, es gibt ja noch mehr Leute meinesgleichen. – Mir wäre jetzt ein gut Glas Wein das größte Vergnügen.
 
 
Sprecher
 
 
Sonst hast du keinen Wunsch in dieser Welt?
 
 
Papageno
 
 
Bis jetzt nicht.
 
 
Sprecher
 
 
Man wird dich damit bedienen! –
 
 
(ab)
 
 
(Sogleich kommt ein großer Becher mit rotem Wein angefüllt aus der Erde.)
 
 
Papageno
 
 
Juchhe! da ist er ja schon! (trinkt) Herrlich! – Himmlisch! – Göttlich! – Ha! ich bin jetzt so vergnügt, dass ich bis zur Sonne fliegen wollte, wenn ich Flügel hätte. – Ha! – mir wird ganz wunderlich ums Herz. – Ich möchte – ich wünschte – ja was denn?
 
 
Arie
 
 
Papageno
 
 
(Er schlägt dazu.)
 
     
 
    Ein Mädchen oder Weibchen
 
 
wünscht Papageno sich!
 
 
O so ein sanftes Täubchen
 
 
wär Seligkeit für mich! –
 
     
 
    Dann schmeckte mir Trinken und Essen,
 
 
dann könnt ich mit Fürsten mich messen,
 
 
des Lebens als Weiser mich freun
 
 
und wie im Elysium sein.
 
     
 
    Ein Mädchen oder Weibchen
 
 
wünscht Papageno sich!
 
 
O so ein sanftes Täubchen
 
 
wär Seligkeit für mich! –
 
     
 
    Ach kann ich denn keiner von allen
 
 
den reizenden Mädchen gefallen?
 
 
Helf eine mir nur aus der Not,
 
 
sonst gräm ich mich wahrlich zu Tod.
 
     
 
    Ein Mädchen oder Weibchen
 
 
wünscht Papageno sich!
 
 
O so ein sanftes Täubchen
 
 
wär Seligkeit für mich! –
 
     
 
    Wird keine mir Liebe gewähren,
 
 
so muss mich die Flamme verzehren!
 
 
Doch küsst mich ein weiblicher Mund,
 
 
so bin ich schon wieder gesund.
 
 
Vierundzwanzigster Auftritt
 
 
Die Alte (tanzend und auf ihren Stock dabei sich stützend). Voriger.
 
 
Weib
 
 
Da bin ich schon, mein Engel!
 
 
Papageno
 
 
Du hast dich meiner erbarmt?
 
 
Weib
 
 
Ja, mein Engel!
 
 
Papageno
 
 
Das ist ein Glück!
 
 
Weib
 
 
Und wenn du mir versprichst, mir ewig treu zu bleiben, dann sollst du sehen, wie zärtlich dein Weibchen dich lieben wird.
 
 
Papageno
 
 
Ei du zärtliches Närrchen!
 
 
Weib
 
 
O wie will ich dich umarmen, dich liebkosen, dich an mein Herz drücken!
 
 
Papageno
 
 
Auch ans Herz drücken?
 
 
Weib
 
 
Komm, reiche mir zum Pfand unsers Bundes deine Hand.
 
 
Papageno
 
 
Nur nicht so hastig, lieber Engel! – So ein Bündnis braucht doch auch seine Überlegung.
 
 
Weib
 
 
Papageno, ich rate dir, zaudre nicht. – Deine Hand, oder du bist auf immer hier eingekerkert.
 
 
Papageno
 
 
Eingekerkert?
 
 
Weib
 
 
Wasser und Brot wird deine tägliche Kost sein. – Ohne Freund, ohne Freundin musst du leben und der Welt auf immer entsagen. –
 
 
Papageno
 
 
Wasser trinken? – Der Welt entsagen? – Nein, da will ich doch lieber eine Alte nehmen als gar keine. – Nun, da hast du meine Hand, mit der Versicherung, dass ich dir immer getreu bleibe, (für sich) solang ich keine Schönere sehe.
 
 
Weib
 
 
Das schwörst du?
 
 
Papageno
 
 
Ja, das schwör ich!
 
 
(Das Weib verwandelt sich in ein junges Weib, welche ebenso gekleidet ist wie Papageno.)
 
 
Papageno
 
 
Pa – Pa – Papagena! –
 
 
(Er will sie umarmen.)
 
 
Fünfundzwanzigster Auftritt
 
 
Sprecher (nimmt sie hastig bei der Hand). Vorige.
 
 
Sprecher
 
 
Fort mit dir, junges Weib! Er ist deiner noch nicht würdig. (Er schleppt sie hinein, Papageno will nach.) Zurück, sag ich! oder zittre. –
 
 
Papageno
 
 
Eh ich mich zurückziehe, soll die Erde mich verschlingen. (Er sinkt hinab.) O ihr Götter!
 
 


Das Theater verwandelt sich in einen kurzen Garten.
 
 
Sechsundzwanzigster Auftritt
 
 
Die drei Knaben fahren herunter.
 
 
Finale
 
 
Die drei Knaben
 
     
 
    Bald prangt, den Morgen zu verkünden,
 
 
die Sonn auf goldner Bahn –
 
 
bald soll der finstre Irrwahn schwinden,
 
 
bald siegt der weise Mann. –
 
 
O holde Ruhe, steig hernieder,
 
 
kehr in der Menschen Herzen wieder;
 
 
dann ist die Erd ein Himmelreich
 
 
und Sterbliche den Göttern gleich. –
 
 
Erster Knabe
 
 
Doch seht, Verzweiflung quält Paminen!
 
 
Zweiter Knabe, Dritter Knabe
 
 
Wo ist sie denn?
 
 
Erster Knabe
 
 
Sie ist von Sinnen!
 
 
Zweiter Knabe, Dritter Knabe
 
 
Sie quält verschmähter Liebe Leiden.
 
 
Lasst uns der Armen Trost bereiten!
 
 
Fürwahr, ihr Schicksal geht mir nah!
 
 
O wäre nur ihr Jüngling da! –
 
 
Sie kommt, lasst uns beiseite gehn,
 
 
damit wir, was sie mache, sehn.
 
 
(gehen beiseite)
 
 
Siebenundzwanzigster Auftritt
 
 
Pamina (halb wahnwitzig mit einem Dolch in der Hand). Vorige.
 
 
Pamina
 
 
(zum Dolch)
 
 
Du also bist mein Bräutigam?
 
 
Durch dich vollend ich meinen Gram. –
 
 
Die drei Knaben
 
 
(beiseite)
 
 
Welch dunkle Worte sprach sie da?
 
 
Die Arme ist dem Wahnsinn nah.
 
 
Pamina
 
 
Geduld, mein Trauter! ich bin dein;
 
 
bald werden wir vermählet sein.
 
 
Die drei Knaben
 
 
(beiseite)
 
 
Wahnsinn tobt ihr im Gehirne;
 
 
Selbstmord steht auf ihrer Stirne.
 
 
(zu Paminen)
 
 
Holdes Mädchen, sieh uns an!
 
 
Pamina
 
 
Sterben will ich, weil der Mann,
 
 
den ich nimmermehr kann hassen,
 
 
seine Traute kann verlassen.
 
 
(auf den Dolch zeigend)
 
 
Dies gab meine Mutter mir.
 
 
Die drei Knaben
 
 
Selbstmord strafet Gott an dir.
 
 
Pamina
 
 
Lieber durch dies Eisen sterben,
 
 
als durch Liebesgram verderben.
 
 
Mutter, durch dich leide ich,
 
 
und dein Fluch verfolget mich.
 
 
Die drei Knaben
 
 
Mädchen, willst du mit uns gehen?
 
 
Pamina
 
 
Ja, des Jammers Maß ist voll!
 
 
Falscher Jüngling, lebe wohl!
 
 
Sieh, Pamina stirbt durch dich;
 
 
dieses Eisen töte mich.
 
 
(Sie holt mit der Hand aus.)
 
 
Die drei Knaben
 
 
(halten ihr den Arm)
 
     
 
    Ha, Unglückliche! halt ein;
 
 
sollte dies dein Jüngling sehen,
 
 
würde er für Gram vergehen;
 
 
denn er liebet dich allein.
 
 
Pamina
 
 
(erholt sich)
 
 
Was? Er fühlte Gegenliebe
 
 
und verbarg mir seine Triebe,
 
 
wandte sein Gesicht von mir?
 
 
Warum sprach er nicht mit mir? –
 
 
Die drei Knaben
 
 
Dieses müssen wir verschweigen!
 
 
Doch wir wollen dir ihn zeigen,
 
 
und du wirst mit Staunen sehn,
 
 
dass er dir sein Herz geweiht
 
 
und den Tod für dich nicht scheut.
 
 
Pamina und Die drei Knaben
 
 
Führt mich hin, ich möcht ihn sehn.|Komm, wir wollen zu ihm gehn.
 
 
Alle Vier
 
 
Zwei Herzen, die von Liebe brennen,
 
 
kann Menschenohnmacht niemals trennen.
 
 
Verloren ist der Feinde Müh;
 
 
die Götter selbsten schützen sie.
 
 
(gehen ab)
 
 


Das Theater verwandelt sich in zwei große Berge; in dem einen ist ein Wasserfall, worin man Sausen und Brausen hört; der andre speit Feuer aus; jeder Berg hat ein durchbrochenes Gegitter, worin man Feuer und Wasser sieht. Da, wo das Feuer brennt, muss der Horizont hellrot sein, und wo das Wasser ist, liegt schwarzer Nebel. Die Szenen sind Felsen, jede Szene schließt sich mit einer eisernen Türe.
 
 
Achtundzwanzigster Auftritt
 
 
Tamino ist leicht angezogen ohne Sandalien. Zwei schwarz geharnischte Männer führen Tamino herein. Auf ihren Helmen brennt Feuer, sie lesen ihm die transparente Schrift vor, welche auf einer Pyramide geschrieben steht. Diese Pyramide steht in der Mitte ganz in der Höhe, nahe am Gegitter.
 
 
Geharnischte
 
     
 
    Der, welcher wandert diese Straße voll Beschwerden,
 
 
wird rein durch Feuer, Wasser, Luft und Erden;
 
 
wenn er des Todes Schrecken überwinden kann,
 
 
schwingt er sich aus der Erde himmelan. –
 
 
Erleuchtet wird er dann im Stande sein,
 
 
sich den Mysterien der Isis ganz zu weihn.
 
 
Tamino
 
 
Mich schreckt kein Tod, als Mann zu handeln,
 
 
den Weg der Tugend fortzuwandeln.
 
 
Schließt mir des Schreckens Pforten auf!
 
 
ich wage froh den kühnen Lauf. –Da der Vers im Rahmen des Reimschemas aus Paarreimen metrisch erforderlich ist, dürfte sein Fehlen im Libretto-Erstdruck Wien 1791 durch einen Druckfehler entstanden sein.
Vgl. dazu Gernot Gruber, „Vorwort“ zu Die Zauberflöte (Neue Mozart-Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/19), Kassel 1970, S. XIV.
 
 
Pamina
 
 
(von innen)
 
 
Tamino, halt, ich muss dich sehn.
 
 
Tamino, Geharnischte
 
     
 
    Was höre ich, Paminens Stimme?
 
 
Ja, ja, das ist Paminens Stimme!
 
 
Wohl mir|dir, nun kann sie mit mir|dir gehn.
 
 
Nun trennet uns|euch kein Schicksal mehr,
 
 
wenn auch der Tod beschieden wär.
 
 
Tamino
 
 
Ist mir erlaubt, mit ihr zu sprechen?
 
 
Geharnischte
 
 
Dir sei erlaubt, mit ihr zu sprechen.
 
 
Tamino, Geharnischte
 
 
Welch Glück, wenn wir uns|euch wiedersehn,
 
 
froh Hand in Hand in Tempel gehn.
 
 
Ein Weib, das Nacht und Tod nicht scheut,
 
 
ist würdig und wird eingeweiht.
 
 
(Die Türe wird aufgemacht; Tamino, Pamina umarmen sich.)
 
 
(Pause)
 
 
 
 
Pamina
 
     
 
    Tamino mein! o welch ein Glück!
 
 
Tamino
 
 
Pamina mein! o welch ein Glück!
 
 
 
 
Tamino
 
 
Hier sind die Schreckenspforten,
 
 
die Not und Tod mir dräun.
 
 
Pamina
 
 
Ich werde allerorten
 
 
an deiner Seite sein.
 
 
Ich selbsten führe dich;
 
 
die Liebe leite mich!
 
 
(nimmt ihn bei der Hand)
 
 
Sie mag den Weg mit Rosen streun,
 
 
weil Rosen stets bei Dornen sei'n.
 
 
Spiel du die Zauberflöte an,
 
 
sie schütze uns auf unsrer Bahn:
 
 
Es schnitt in einer Zauberstunde
 
 
mein Vater sie aus tiefstem Grunde
 
 
der tausendjähr'gen Eiche aus
 
 
bei Blitz und Donner, Sturm und Braus.
 
 
Tamino, Pamina
 
 
Nun komm, ich|und spiel die Flöte an.
 
 
Tamino, Pamina, Die Geharnischten
 
 
Sie leitet uns|euch auf grauser Bahn.
 
 
Wir wandeln|Ihr wandelt durch des Tones Macht
 
 
froh durch des Todes düstre Nacht.
 
 
(Die Türen werden nach ihnen zugeschlagen. Man sieht Tamino und Pamina wandern. Man hört Feuergeprassel und Windegeheul, manchmal den Ton eines dumpfen Donners und Wassergeräusch. Tamino bläst seine Flöte; gedämpfte Pauken akkompagnieren manchmal darunter. Sobald sie vom Feuer herauskommen, umarmen sie sich und bleiben in der Mitte.)
 
 
Pamina
 
     
 
    Wir wandelten durch Feuergluten,
 
 
bekämpften mutig die Gefahr.
 
 
(zu Tamino)
 
 
Dein Ton sei Schutz in Wasserfluten,
 
 
so wie er es im Feuer war.
 
 
(Tamino bläst; man sieht sie hinuntersteigen und nach einiger Zeit wieder heraufkommen. Sogleich öffnet sich eine Türe; man sieht einen Eingang in einen Tempel, welcher hell beleuchtet ist. Eine feierliche Stille. Dieser Anblick muss den vollkommensten Glanz darstellen.)
 
 
Tamino, Pamina
 
 
Ihr Götter, welch ein Augenblick!
 
 
Gewähret ist uns Isis' Glück.
 
 
(Sogleich fällt der Chor unter Trompeten und Pauken ein.)
 
 
Chor
 
     
 
    Triumph, Triumph! du edles Paar!
 
 
Besieget hast du die Gefahr!
 
 
Der Isis Weihe ist nun dein!
 
 
Kommt, tretet in den Tempel ein!
 
 
(alle ab)
 
 


Das Theater verwandelt sich wieder in vorigen Garten.
 
 
Neunundzwanzigster Auftritt
 
 
Papageno, später die drei Knaben und das Weib.
 
 
Papageno
 
 
(ruft mit seinem Pfeifchen)
 
     
 
    Papagena! Papagena! Papagena!
 
 
Weibchen! Täubchen! meine Schöne!
 
 
Vergebens! ach, sie ist verloren!
 
 
Ich bin zum Unglück schon geboren.
 
 
Ich plauderte – und das war schlecht,
 
 
darum geschieht es mir schon recht.
 
 
Seit ich gekostet diesen Wein –
 
 
seit ich das schöne Weibchen sah –
 
 
so brennt's im Herzenskämmerlein,
 
 
so zwickt es hier, so zwickt es da.
 
 
Papagena! Herzenstäubchen!
 
 
Papagena! liebes Weibchen!
 
 
's ist umsonst! Es ist vergebens!
 
 
Müde bin ich meines Lebens!
 
 
Sterben macht der Lieb ein End,
 
 
wenn's im Herzen noch so brennt.
 
 
(nimmt einen Strick von seiner Mitte)
 
 
Diesen Baum da will ich zieren,
 
 
mir an ihm den Hals zuschnüren,
 
 
weil das Leben mir missfällt.
 
 
Gute Nacht, du schwarze Welt!
 
 
Weil du böse an mir handelst,
 
 
mir kein schönes Kind zubandelst,
 
 
so ist's aus, so sterbe ich:
 
 
Schöne Mädchen, denkt an mich.
 
 
Will sich eine um mich Armen,
 
 
eh ich hänge, noch erbarmen,
 
 
wohl, so lass ich's diesmal sein!
 
 
Rufet nur – Ja oder Nein! –
 
 
Keine hört mich; alles stille!
 
 
(sieht sich um)
 
 
Also ist es euer Wille?
 
 
Papageno, frisch hinauf!
 
 
Ende deinen Lebenslauf.
 
 
(sieht sich um)
 
 
Nun, ich warte noch; es sei!
 
 
bis man zählet: Eins, zwei, drei!
 
 
(pfeift)
 
 
Eins!
 
 
(sieht sich um)
 
 
(pfeift)
 
 
Zwei!
 
 
(sieht sich um)
 
 
Zwei ist schon vorbei!
 
 
(pfeift)
 
 
Drei!
 
 
(sieht sich um)
 
 
Nun wohlan, es bleibt dabei,
 
 
weil mich nichts zurückehält!
 
 
Gute Nacht, du falsche Welt!
 
 
(will sich hängen)
 
 
Die drei Knaben
 
 
(fahren herunter)
 
     
 
    Halt ein, o Papageno! und sei klug.
 
 
Man lebt nur einmal, dies sei dir genug.
 
 
Papageno
 
 
Ihr habt gut reden, habt gut scherzen;
 
 
doch brennt' es euch wie mich im Herzen,
 
 
ihr würdet auch nach Mädchen gehn.
 
 
Die drei Knaben
 
 
So lasse deine Glöckchen klingen;
 
 
dies wird dein Weibchen zu dir bringen.
 
 
Papageno
 
 
Ich Narr vergaß der Zauberdinge.
 
 
Erklinge, Glockenspiel, erklinge!
 
 
Ich muss mein liebes Mädchen sehn.
 
     
 
    Klinget, Glöckchen, klinget!
 
 
Schafft mein Mädchen her!
 
 
Klinget, Glöckchen, klinget!
 
 
Bringt mein Weibchen her!
 
 
(Unter diesem Schlagen laufen die drei Knaben zu ihrem FlugwerkHier ist ein Gefährt gemeint, das mithilfe der gleichnamigen Vorrichtung bewegt wird. und bringen das Weib heraus.)
 
 
Die drei Knaben
 
 
Komm her, du holdes, liebes Weibchen!Zu den folgenden, von Mozart nicht vertonten fünf Versen vgl. Gernot Gruber, „Vorwort“ zu Die Zauberflöte (Neue Mozart-Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/19), Kassel 1970, S. XIV.
 
 
Dem Mann sollst du dein Herzchen weihn!
 
 
Er wird dich lieben, süßes Weibchen,
 
 
dein Vater, Freund und Bruder sein!
 
 
Sei dieses Mannes Eigentum!
 
 
(im Auffahren)
 
 
Nun, Papageno, sieh dich um!
 
 
(Papageno sieht sich um; beidePapageno und das Weib haben unter dem Ritornell komisches Spiel.)
 
 
Duetto
 
 
Papageno
 
     
 
    Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Papagena!
 
 
Weib
 
 
Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Papageno.
 
 
Beide
 
 
Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Papagena!|Papageno!
 
 
Papageno
 
 
Bist du mir nun ganz gegeben?
 
 
Weib
 
 
Nun bin ich dir ganz gegeben.
 
 
Papageno
 
 
Nun so sei mein liebes Weibchen!
 
 
Weib
 
 
Nun so sei mein Herzenstäubchen!
 
 
Beide
 
 
Welche Freude wird das sein,
 
 
wenn die Götter uns bedenken,
 
 
unsrer Liebe Kinder schenken,
 
 
so liebe kleine Kinderlein.
 
 
Papageno
 
 
Erst einen kleinen Papageno.
 
 
Weib
 
 
Dann eine kleine Papagena.
 
 
Papageno
 
 
Dann wieder einen Papageno.
 
 
Weib
 
 
Dann wieder eine Papagena.
 
 
Beide
 
 
Es ist das höchste der Gefühle,
 
 
wenn viele, viele, viele, viele
 
 
Pa-Pa-Pa-Pa-Papageno|
 
 
Pa-Pa-Pa-Pa-Papagena
 
 
der Segen froher Eltern sein;
 
 
wenn dann die Kleinen um sie spielen,
 
 
die Eltern gleiche Freude fühlen,
 
 
sich ihres Ebenbildes freun.
 
 
O welch ein Glück kann größer sein?
 
 
(beide ab)
 
 
Dreißigster Auftritt
 
 
Der Mohr, die Königin mit allen ihren Damen kommen von beiden Versenkungen; sie tragen schwarze Fackeln in der Hand.
 
 
Mohr
 
     
 
    Nur stille! stille! stille! stille!
 
 
Bald dringen wir in Tempel ein.
 
 
Königin, Die drei Damen
 
 
Nur stille! stille! stille! stille!
 
 
Bald dringen wir in Tempel ein.
 
 
Mohr
 
 
Doch Fürstin, halte Wort! – erfülle –
 
 
Dein Kind muss meine Gattin sein.
 
 
Königin
 
 
Ich halte Wort; es ist mein Wille.
 
 
Königin, Die drei Damen
 
 
Mein|Ihr Kind soll deine Gattin sein.
 
 
(Man hört dumpfen Donner, Geräusch von Wasser.)
 
 
Mohr
 
 
Doch still, ich höre schrecklich Rauschen
 
 
wie Donnerton und Wasserfall.
 
 
Königin, Die drei Damen
 
 
Ja, fürchterlich ist dieses Rauschen
 
 
wie fernen Donners Wiederhall!
 
 
Mohr
 
 
Nun sind sie in des Tempels Hallen.
 
 
Alle
 
 
Dort wollen wir sie überfallen, –
 
 
die Frömmler tilgen von der Erd
 
 
mit Feuersglut und mächt'gem Schwert.
 
 
Dir, große Königin der Nacht,
 
 
sei unsrer Rache Opfer gebracht.
 
 
(Man hört den stärksten Akkord, Donner, Blitz, Sturm. Sogleich verwandelt sich das ganze Theater in eine Sonne. Sarastro steht erhöht; Tamino, Pamina, beide in priesterlicher Kleidung. Neben ihnen die ägyptischen Priester auf beiden Seiten. Die drei Knaben halten Blumen.)
 
 
Königin, Mohr
 
 
Zerschmettert, zernichtet ist unsere Macht,
 
 
wir alle gestürzet in ewige Nacht.
 
 
(Sie versinken.)
 
 
Sarastro
 
     
 
    Die Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht,
 
 
zernichten der Heuchler
 
 
erschlichene Macht.
 
 
Chor
 
 
Heil sei euch Geweihten! Ihr drangt durch die Nacht;
 
 
Dank sei dir, Osiris und Isis, gebracht!
 
 
Es siegte die Stärke und krönet zum Lohn
 
 
die Schönheit und Weisheit mit ewiger Kron.
 
 
Ende.