ERSTER AKT
 
 
Kaffeehaus.
 
 
ERSTER AUFTRITT
 
 
Ferrando, Guilelmo, Don Alfonso.
 
 
Nr. 1 Terzett
 
 
Ferrando
 
     
 
    Meine Dorabella
 
 
ist dazu nicht fähig:
 
 
So treu wie schön
 
 
hat sie der Himmel geschaffen.
 
 
Guilelmo
 
     
 
    Meine Fiordiligi
 
 
kann mich nicht betrügen:
 
 
Bei ihr gleichen sich
 
 
Beständigkeit und Schönheit.
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    Ich habe schon graue Haare,
 
 
aus Erfahrung spreche ich;
 
 
doch solche Streitereien
 
 
sollen hier ihr Ende finden.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
     
 
    Nein, Ihr habt uns gesagt,
 
 
dass sie untreu sein könnten;
 
 
Ihr müsst es uns beweisen,
 
 
wenn Ihr Ehre im Leib habt.
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    Lassen wir doch solche Beweise …
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
(legen die Hand an den Degen.)
 
 
Nein, nein, die verlangen wir;
 
 
sonst, den Degen gezogen,
 
 
und die Freundschaft ist aus.
 
 
 
 
(jeder für sich)
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    O törichtes Verlangen!
 
 
Jenes Übel enthüllen zu wollen,
 
 
das, einmal gefunden,
 
 
uns zu armseligen Figuren macht.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
     
 
    Der rührt mir ans Leben,
 
 
dessen Mund
 
 
auch nur ein Wort sagt,
 
 
das ihnen unrecht tut.
 
 
 
 
Rezitativ
 
 
Guilelmo
 
 
Zieht den Degen: Sucht aus,
 
 
wer von uns beiden Euch besser gefällt.
 
 
Don Alfonso
 
 
(gelassen)
 
 
Ich bin ein Mann des Friedens
 
 
und duelliere mich nicht, es sei denn bei Tische.
 
 
Ferrando
 
 
Entweder Ihr schlagt Euch, oder Ihr sagt uns sofort,
 
 
warum Ihr unsere Geliebten
 
 
der Untreue für fähig haltet.
 
 
Don Alfonso
 
 
Sancta simplicitas, wie du mir gefällst!
 
 
Ferrando
 
 
Hört auf zu scherzen, oder ich schwöre beim Himmel! …
 
 
Don Alfonso
 
 
Und ich schwöre bei der Erde,
 
 
ich scherze nicht, meine Freunde;
 
 
ich möchte nur wissen,
 
 
zu welcher Art von Lebewesen
 
 
eure Schönen zählen,
 
 
ob sie wie wir alle aus Fleisch, Knochen und Haut sind,
 
 
ob sie essen wie wir, ob sie Röcke tragen,
 
 
kurz, ob sie Göttinnen oder Frauen sind …
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
Frauen sind sie,
 
 
aber … was für welche …
 
 
Don Alfonso
 
 
Und ihr bildet euch ein,
 
 
bei Frauen Treue zu finden?
 
 
Wie du mir gefällst, Simplicitas!
 
 
Nr. 2 Terzett
 
 
Don Alfonso
 
 
(scherzend)
 
     
 
    Die Treue der Frauen ist
 
 
wie der Phönix von Arabien:
 
 
Dass es ihn geben soll, sagt jeder,
 
 
wo er sein soll, weiß keiner.
 
 
Ferrando
 
 
(feurig)
 
     
 
    Der Phönix ist Dorabella.
 
 
Guilelmo
 
 
(feurig)
 
 
Der Phönix ist Fiordiligi.
 
 
Don Alfonso
 
 
Er ist nicht diese, er ist nicht jene,
 
 
es gab ihn nie und es wird ihn nie geben.
 
 
Rezitativ
 
 
Ferrando
 
 
Albernheiten von Dichtern!
 
 
Guilelmo
 
 
Spinnereien von Greisen!
 
 
Don Alfonso
 
 
Nun gut, hört denn,
 
 
aber ohne in Wut zu geraten:
 
 
Welchen Beweis habt ihr, dass eure Geliebten
 
 
euch immer treu sind?
 
 
Wer garantiert euch, dass ihre Herzen
 
 
unerschütterlich sind?
 
 
Ferrando
 
 
Lange Erfahrung …
 
 
Guilelmo
 
 
Vornehme Erziehung …
 
 
Ferrando
 
 
Feinsinnigkeit …
 
 
Guilelmo
 
 
Wesensgleichheit …
 
 
Ferrando
 
 
Selbstlosigkeit …
 
 
Guilelmo
 
 
Fester Charakter …
 
 
Ferrando
 
 
Versprechen …
 
 
Guilelmo
 
 
Beteuerungen …
 
 
Ferrando
 
 
Schwüre …
 
 
Don Alfonso
 
 
Tränen, Seufzer, Liebkosungen, Ohnmachten.
 
 
Gestattet, dass ich ein wenig lache …
 
 
Ferrando
 
 
Potztausend!
 
 
Wollt Ihr wohl aufhören, uns zu verspotten?
 
 
Don Alfonso
 
 
Sachte, sachte:
 
 
Und wenn ich euch heute mit Händen greifen lasse,
 
 
dass sie wie die anderen sind?
 
 
Guilelmo
 
 
Das kann nicht sein.
 
 
Ferrando
 
 
Das gibt es nicht.
 
 
Don Alfonso
 
 
Wetten wir?
 
 
Ferrando
 
 
Wetten wir.
 
 
Don Alfonso
 
 
Hundert Zechinen?
 
 
Guilelmo
 
 
Auch tausend, wenn Ihr wollt.
 
 
Don Alfonso
 
 
Euer Wort?
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
Unser Ehrenwort!
 
 
Don Alfonso
 
 
Und schwört ihr mir, dass ihr von all dem
 
 
keine Andeutung, kein Wort, kein Zeichen,
 
 
gegenüber eure Penelope verlauten lasst?
 
 
Ferrando
 
 
Das schwören wir.
 
 
Don Alfonso
 
 
Als Soldaten von Ehre?
 
 
Guilelmo
 
 
Als Soldaten von Ehre.
 
 
Don Alfonso
 
 
Und werdet ihr alles tun,
 
 
was ich euch auftragen werde?
 
 
Ferrando
 
 
Alles.
 
 
Guilelmo
 
 
Alles und jedes.
 
 
Don Alfonso
 
 
Ausgezeichnet!
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
Ausgezeichnet,
 
 
Herr Don Alfonsetto!
 
 
Ferrando
 
 
Auf Eure Kosten
 
 
werden wir uns jetzt amüsieren.
 
 
Guilelmo
 
 
(zu Ferrando)
 
 
Und was werden wir mit den hundert Zechinen machen?
 
 
Nr. 3 Terzett
 
 
Ferrando
 
     
 
    Eine schöne Serenade
 
 
will ich meiner Göttin darbringen.
 
 
Guilelmo
 
 
Zu Ehren der Venus
 
 
will ich ein Festmahl geben.
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    Bin ich auch eingeladen?
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
Ihr seid dabei, gewiss, mein Herr.
 
 
Alle drei
 
 
Und auf den Liebesgott
 
 
wollen wir immer aufs Neue anstoßen.
 
 
(Sie gehen ab.)
 
 


Garten am Meeresstrand.
 
 
ZWEITER AUFTRITT
 
 
Fiordiligi und Dorabella, jede ein Porträt betrachtend, das sie an der Hüfte hängen haben.
 
 
Nr. 4 Duett
 
 
Fiordiligi
 
     
 
    Ach, schau nur, Schwester,
 
 
ob man einen schöneren Mund,
 
 
ein edleres Antlitz
 
 
finden kann.
 
 
Dorabella
 
     
 
    Sieh du nur,
 
 
was für ein Feuer in seinen Blicken!
 
 
Als ob Flammen, ja Pfeile
 
 
aus ihnen schießen.
 
 
Fiordiligi
 
     
 
    Man sieht ein Gesicht,
 
 
kriegerisch und liebevoll.
 
 
Dorabella
 
 
Man sieht ein Gesicht,
 
 
das verführt und bedroht.
 
 
Fiordiligi
 
     
 
    Glücklich bin ich.
 
 
Dorabella
 
 
Ich bin glücklich.
 
 
Beide
 
     
 
    Wenn sich mein Herz
 
 
je von dem Geliebten wendet,
 
 
soll mich Amor
 
 
lebendig bestrafen.
 
 
Rezitativ
 
 
Fiordiligi
 
 
Mir scheint, heute Morgen würde ich am liebsten
 
 
ein wenig verrückt spielen: Ich spüre ein gewisses Brennen,
 
 
ein gewisses Kribbeln in den Adern …
 
 
Wenn Guilelmo kommt … wenn du nur wüsstest,
 
 
was für einen Streich ich ihm spielen will!
 
 
Dorabella
 
 
Ehrlich gesagt,
 
 
auch ich fühle etwas Neues
 
 
in meinem Herz: Ich möchte schwören,
 
 
dass unser beider Hochzeit nicht mehr fern ist.
 
 
Fiordiligi
 
 
Gib mir deine Hand: Ich will dir die Zukunft deuten.
 
 
Oh, was für ein schönes B! Und dies
 
 
ist ein H. Sehr gut: Baldige Hochzeit.
 
 
Dorabella
 
 
Ich hätte wirklich Lust dazu!
 
 
Fiordiligi
 
 
Und ich würde mich darüber nicht aufregen.
 
 
Dorabella
 
 
Aber was zum Teufel hat es zu bedeuten, dass unsere Verlobten
 
 
so spät dran sind? Es ist schon sechs …
 
 
Fiordiligi
 
 
Da sind sie.
 
 
DRITTER AUFTRITT
 
 
Die Vorigen und Don Alfonso.
 
 
Dorabella
 
 
Sie sind es gar nicht: Es ist Don Alfonso,
 
 
ihr Freund.
 
 
Fiordiligi
 
 
Willkommen,
 
 
Herr Don Alfonso!
 
 
Don Alfonso
 
 
Habe die Ehre!
 
 
Dorabella
 
 
Was gibt's? Warum hier allein? Ihr weint?
 
 
Sprecht, um Himmels willen! Was ist geschehen?
 
 
Mein Geliebter …
 
 
Fiordiligi
 
 
Mein Angebeteter …
 
 
Don Alfonso
 
 
Grausames Schicksal!
 
 
Nr. 5 Arie
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    Ich möchte es sagen, aber ich habe den Mut nicht …
 
 
Meine Lippen zittern …
 
 
Meine Stimme versagt …
 
 
sie bleibt mir hier stecken.
 
     
 
    Was werdet ihr machen? Was soll ich tun?
 
 
Oh, was für ein großes Unglück!
 
 
Etwas Schlimmeres kann es nicht geben:
 
 
Ich habe Mitleid mit ihnen und mit euch.
 
 
Rezitativ
 
 
Fiordiligi
 
 
Himmel! Erbarmen, Herr Alfonso,
 
 
bringt uns nicht um.
 
 
Don Alfonso
 
 
Ihr müsst euch,
 
 
meine Töchter, mit Standhaftigkeit wappnen.
 
 
Dorabella
 
 
O Götter! Was für ein Unglück
 
 
ist hereingebrochen, was für eine schlimme Sache?
 
 
Ist mein Geliebter etwa tot?
 
 
Fiordiligi
 
 
Ist meiner tot?
 
 
Don Alfonso
 
 
Tot sind sie nicht, aber so gut wie.
 
 
Dorabella
 
 
Verwundet?
 
 
Don Alfonso
 
 
Nein.
 
 
Fiordiligi
 
 
Erkrankt?
 
 
Don Alfonso
 
 
Auch nicht.
 
 
Fiordiligi
 
 
Was denn dann?
 
 
Don Alfonso
 
 
Auf das Schlachtfeld
 
 
ruft sie ein königlicher Befehl.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Weh mir! Was höre ich!
 
 
Fiordiligi
 
 
Und müssen sie fort?
 
 
Don Alfonso
 
 
Auf der Stelle.
 
 
Dorabella
 
 
Und es gibt kein Mittel,
 
 
das zu verhindern?
 
 
Don Alfonso
 
 
Nein, nichts.
 
 
Fiordiligi
 
 
Nicht einmal ein einziges Lebewohl? …
 
 
Don Alfonso
 
 
Die Unglücklichen haben
 
 
den Mut nicht, euch zu sehen;
 
 
aber wenn ihr unbedingt wollt,
 
 
sind sie dazu bereit …
 
 
Dorabella
 
 
Wo sind sie?
 
 
Don Alfonso
 
 
Freunde, tretet ein.
 
 
VIERTER AUFTRITT
 
 
Die Vorigen, Ferrando und Guilelmo in Reisekleidern usw.
 
 
Nr. 6 Quintett
 
 
Guilelmo
 
     
 
    Ich spüre, o Gott, dass dieser Fuß
 
 
sich nicht vorwärtsbewegen will.
 
 
Ferrando
 
 
Meine bebenden Lippen
 
 
bringen kein Wort heraus.
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    In den schrecklichsten Augenblicken
 
 
beweist der Held seine Tapferkeit.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Nun, da wir die Neuigkeit gehört haben,
 
 
bleibt euch, das Mindeste zu tun:
 
 
Fasst euch ein Herz und stoßt
 
 
das Schwert uns beiden in die Brust.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
     
 
    Meine Angebetete, das Schicksal ist daran schuld,
 
 
dass ich dich verlassen muss.
 
 
Dorabella
 
 
(zu Ferrando)
 
     
 
    Ach nein, nein, du darfst nicht fortgehen!
 
 
Fiordiligi
 
 
(zu Guilelmo)
 
 
Nein, Grausamer, du darfst nicht von hier weggehen!
 
 
Dorabella
 
 
Eher will ich mir das Herz herausreißen!
 
 
Fiordiligi
 
 
Eher will ich zu deinen Füßen sterben!
 
 
Ferrando
 
 
(zu Don Alfonso)
 
 
(Was sagst du dazu?)
 
 
Guilelmo
 
 
(zu Don Alfonso)
 
 
(Merkst du es?)
 
 
Don Alfonso
 
 
(zu den beiden Liebhabern)
 
 
(Sachte, Freund: Finem lauda.)
 
 
Zu fünft
 
     
 
    Das Schicksal betrügt so
 
 
die Hoffnungen der Sterblichen.
 
 
Ach, wer kann bei so viel Unglück,
 
 
wer kann das Leben noch lieben?
 
 
Rezitativ
 
 
Guilelmo
 
 
Weine nicht, meine Angebetete.
 
 
Ferrando
 
 
Verzweifle nicht,
 
 
meine geliebte Braut.
 
 
Don Alfonso
 
 
Gewährt ihnen diesen Ausbruch: Sie haben
 
 
allen Grund zu diesen Tränen.
 
 
(Die Geliebten umarmen sich zärtlich.)
 
 
Fiordiligi
 
 
Wer weiß, ob ich dich jemals wiedersehe!
 
 
Dorabella
 
 
Wer weiß, ob du jemals zurückkehrst!
 
 
Fiordiligi
 
 
Überlass mir dieses Schwert: Es soll mir den Tod geben,
 
 
wenn ein grausames Schicksal
 
 
in diese Brust, die mir teuer ist …
 
 
Dorabella
 
 
Ich würde vor Gram sterben, ich brauche kein Schwert.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
Lass, mein Alles,
 
 
diese unseligen Prophezeiungen;
 
 
die Götter werden
 
 
den Frieden deines Herzens mein Lebtag lang schützen.
 
 
Nr. 7 Duettino
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
     
 
    Über das Schicksal bestimmen
 
 
diese lieblichen Augen;
 
 
Amor beschützt sie,
 
 
und die grausamen Sterne
 
 
wagen es nicht,
 
 
ihre Ruhe zu stören.
 
     
 
    Wende deinen heiteren Blick,
 
 
mein Alles, mir zu;
 
 
an deine Brust hoffe ich
 
 
glücklich zurückzukehren.
 
 
Rezitativ
 
 
Don Alfonso
 
 
(Die Komödie ist reizend, und alle beide
 
 
spielen ihre Rolle gut.)
 
 
(Man hört den Klang einer Trommel in der Ferne.)
 
 
Ferrando
 
 
O Himmel! Das
 
 
ist die unselige Trommel,
 
 
die mich von meinem Schatz losreißt.
 
 
Don Alfonso
 
 
Dort, Freunde, ist das Boot.
 
 
Fiordiligi
 
 
Ich werde ohnmächtig.
 
 
Dorabella
 
 
Ich sterbe.
 
 
FÜNFTER AUFTRITT
 
 
Die Vorigen.
 
 
Militärmarsch in einiger Entfernung, dann der folgende Chor.
 
 
Nr. 8 Chor
 
 
Chor
 
     
 
    Schönes Soldatenleben!
 
 
Jeden Tag an einem anderen Ort,
 
 
heute viel, morgen wenig,
 
 
bald zu Land, bald auf dem Meer.
 
     
 
    Der Lärm von Trompeten und Pfeifen,
 
 
das Knallen von Flinten und Kanonen
 
 
vermehrt die Kraft des Armes und der Seele,
 
 
deren einziger Wunsch es ist zu triumphieren.
 
     
 
    Schönes Soldatenleben!
 
 
Rezitativ
 
 
Don Alfonso
 
 
Keine Zeit mehr, Freunde: Ihr müsst nun gehen,
 
 
wohin das Schicksal, ja die Pflicht euch ruft.
 
 
Fiordiligi
 
 
Mein Herz …
 
 
Dorabella
 
 
Mein Angebeteter …
 
 
Ferrando
 
 
Meine Liebste …
 
 
Guilelmo
 
 
Mein Leben …
 
 
Fiordiligi
 
 
Ach, einen Augenblick nur …
 
 
Don Alfonso
 
 
Das Schiff eures Regiments
 
 
ist bereits abgefahren.
 
 
Ihr müsst es mit einigen Freunden erreichen,
 
 
die mit einem leichteren Boot
 
 
auf euch warten.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
Umarme mich, meine Angebetete.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Ich sterbe vor Kummer.
 
 
Rezitativ [Nr. 8a Quintett]
 
 
Fiordiligi
 
 
(weint.)
 
     
 
    Dass … du … mir … je … den … Tag … schreibst …
 
 
schwö … re … mir … mein … Le … ben …
 
 
Dorabella
 
 
(weint.)
 
 
Schrei … be … mir … dop … pelt … so … viel …
 
 
wenn … du … kannst …
 
 
Ferrando
 
 
Sei … dir … des … sen … si … cher … mei … ne … Lie … be…
 
 
Guilelmo
 
 
Zwei … fle … nicht … mein … Le … ben …
 
 
Don Alfonso
 
 
(Ich platze gleich vor Lachen.)
 
 
Fiordiligi
 
 
Sei mir allein treu …
 
 
Dorabella
 
 
Bleib mir treu.
 
 
Die Übrigen
 
 
Leb wohl!
 
 
Guilelmo
 
 
Leb wohl!
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Leb wohl!
 
 
Fiordiligi, Dorabella, Guilelmo, Ferrando
 
 
Mir bricht das Herz, meine schöne Angebetete.
 
 
Leb wohl! Leb wohl! Leb wohl!
 
 
Nr. 9 Chor
 
 
Chor
 
     
 
    Schönes Soldatenleben!
 
 
Jeden Tag an einem anderen Ort,
 
 
heute viel, morgen wenig,
 
 
bald zu Land, bald auf dem Meer.
 
     
 
    Der Lärm von Trompeten und Pfeifen,
 
 
das Knallen von Flinten und Kanonen
 
 
vermehrt die Kraft des Armes und der Seele,
 
 
deren einziger Wunsch es ist zu triumphieren.
 
     
 
    Schönes Soldatenleben!
 
 
(Die beiden Liebhaberinnen bleiben am Ufer des Meeres stehen, das Boot entfernt sich unter Trommelklängen usw.)
 
 
SECHSTER AUFTRITT
 
 
Fiordiligi, Dorabella und Don Alfonso.
 
 
Rezitativ
 
 
Dorabella
 
 
(als erwache sie aus tiefem Schlaf)
 
 
Wo sind sie?
 
 
Don Alfonso
 
 
Sie sind fort.
 
 
Fiordiligi
 
 
O grausamster,
 
 
bitterer Abschied!
 
 
Don Alfonso
 
 
Fasst euch ein Herz,
 
 
meine liebsten Töchterlein.
 
 
(aus der Ferne mit einem Taschentuch winkend)
 
 
Seht, von weitem
 
 
winken eure lieben Verlobten.
 
 
Fiordiligi
 
 
Gute Reise, mein Leben!
 
 
Dorabella
 
 
Gute Reise!
 
 
Fiordiligi
 
 
O Götter! Wie schnell
 
 
fährt dieses Boot weg! Schon verschwindet es!
 
 
Schon sieht man es nicht mehr! Ach, beschere ihm der Himmel
 
 
eine günstige Fahrt.
 
 
Dorabella
 
 
Und gebe er, dass es das Schlachtfeld
 
 
unter einem glücklichen Stern erreicht.
 
 
Don Alfonso
 
 
Und möge er euch die Liebsten und mir die Freunde retten.
 
 
Nr. 10 Terzettino
 
 
Fiordiligi, Dorabella, Don Alfonso
 
     
 
    Sanft sei der Wind,
 
 
ruhig sei die Welle,
 
 
und jedes Element
 
 
möge gutmütig
 
 
auf unsere Wünsche eingehen.
 
 
(Die beiden Frauen gehen ab.)
 
 
SIEBTER AUFTRITT
 
 
Don Alfonso allein.
 
 
Rezitativ
 
 
Don Alfonso
 
 
Ich bin kein schlechter Komödiant! Es läuft gut …
 
 
An dem verabredeten Ort erwarten mich
 
 
die beiden Helden
 
 
der Venus und des Mars: Gleich ohne Zögern
 
 
muss ich zu ihnen … So viel Getue …
 
 
so viele Possen …
 
 
Umso besser für mich …
 
 
sie werden umso leichter zu Fall kommen:
 
 
Diese Sorte von Menschen wechselt
 
 
am schnellsten ihre Stimmung. O ihr arme Burschen!
 
 
Auf eine Frau hundert Zechinen wetten?
 
 
„Der pflügt das Meer und sät in den Sand
 
 
und hofft, den unsteten Wind im Netz zu fangen,
 
 
wer seine Hoffnungen auf das Herz eines Weibes gründet.“
 
 


Hübsches Zimmer mit verschiedenen Stühlen, einem Tischchen usw. Drei Türen: zwei seitlich, eine in der Mitte.
 
 
ACHTER AUFTRITT
 
 
Rezitativ
 
 
Despina, die gerade die Schokolade zubereitet.
 
 
Despina
 
 
Was für ein verfluchtes Leben,
 
 
Kammerzofe zu sein!
 
 
Vom Morgen bis zum Abend
 
 
hat man zu tun, schwitzt, arbeitet, und dann
 
 
ist von allem, was man tut, nichts für uns.
 
 
Eine halbe Stunde rühre ich schon,
 
 
die Schokolade ist fertig, und ich darf
 
 
sie nur riechen mit trockenem Mund?
 
 
Ist denn mein Mund nicht wie eurer,
 
 
o gnädige Damen,
 
 
dass für euch die Essenz sein soll und für mich der Duft?
 
 
Zum Teufel, ich will sie probieren …
 
 
Wie gut es schmeckt! Es kommt jemand.
 
 
(Sie wischt sich den Mund ab.)
 
 
O Himmel, es sind die Herrinnen!
 
 
NEUNTER AUFTRITT
 
 
Die Vorige, Fiordiligi und Dorabella, die voll Verzweiflung eintreten.
 
 
Despina
 
 
(reicht die Schokolade auf einem Tablett.)
 
 
Meine Damen, hier ist euer Frühstück.
 
 
(Dorabella wirft alles zu Boden.)
 
 
Zum Teufel! Was macht ihr?
 
 
Fiordiligi
 
 
Ach!
 
 
Dorabella
 
 
Ach!
 
 
(Sie reißen sich allen weiblichen Schmuck ab.)
 
 
Despina
 
 
Was ist geschehen?
 
 
Fiordiligi
 
 
Wo ist ein Schwert?
 
 
Wo ist Gift? …
 
 
Despina
 
 
Herrinnen, ich meine! …
 
 
Rezitativ
 
 
Dorabella
 
 
Ach,
 
 
entferne dich, fürchte die traurige Wirkung
 
 
einer verzweifelten Liebe.
 
 
Schließ diese Fenster … Ich hasse das Licht …
 
 
Ich hasse die Luft, die ich atme … Ich hasse mich selbst …
 
 
den, der meinen Schmerz verhöhnt … der mich tröstet.
 
 
Ach, flieh, lass mich um Himmelswillen allein.
 
 
Nr. 11 Arie
 
 
Dorabella
 
     
 
    Unerbittliche Qualen,
 
 
die ihr mich peinigt,
 
 
entweicht nicht mehr
 
 
aus dieser Seele,
 
 
bis der Kummer
 
 
mich sterben lässt.
 
     
 
    Ein bemitleidenswertes Beispiel
 
 
verhängnisvoller Liebe
 
 
werde ich den Eumeniden geben,
 
 
wenn ich weiterlebe,
 
 
mit dem fürchterlichen Klang
 
 
meiner Seufzer.
 
 
(Dorabella und Fiordiligi lassen sich weit voneinander entfernt wie von Sinnen auf die Sessel fallen.)
 
 
Rezitativ
 
 
Despina
 
 
Signora Dorabella,
 
 
signora Fiordiligi,
 
 
sagt mir: Was ist geschehen?
 
 
Dorabella
 
 
O schreckliches Unglück!
 
 
Despina
 
 
Nun sagt es doch endlich.
 
 
Fiordiligi
 
 
Unsere Liebhaber
 
 
sind von Neapel abgereist.
 
 
Despina
 
 
(lacht)
 
 
Sonst nichts?
 
 
Sie werden schon zurückkommen.
 
 
Dorabella
 
 
Wer weiß!
 
 
Despina
 
 
(wie oben)
 
 
Was heißt „wer weiß“?
 
 
Wohin sind sie denn gegangen?
 
 
Dorabella
 
 
Aufs Schlachtfeld.
 
 
Despina
 
 
Umso besser für sie:
 
 
Ihr werdet sehen, wie sie ruhmbekränzt zurückkehren.
 
 
Fiordiligi
 
 
Aber sie können auch dabei umkommen.
 
 
Despina
 
 
Nun, dann
 
 
umso besser für euch.
 
 
Fiordiligi
 
 
(springt wütend auf)
 
 
Du dummes Ding, was sagst du?
 
 
Despina
 
 
Die reine Wahrheit: Zwei verliert ihr,
 
 
aber es bleiben euch noch alle anderen.
 
 
Fiordiligi
 
 
Ach, Guilelmo zu verlieren,
 
 
kommt mir vor wie der Tod.
 
 
Dorabella
 
 
Ach, Ferrando zu verlieren,
 
 
kommt mir vor, wie lebendig begraben zu werden.
 
 
Despina
 
 
Bravo, „es kommt euch vor“, aber das ist nicht wahr: Bis jetzt
 
 
ist noch keine Frau je aus Liebe gestorben.
 
 
Wegen eines Mannes sterben! Es gibt andere,
 
 
die uns den Verlust ersetzen.
 
 
Dorabella
 
 
Und du glaubst, dass einen anderen
 
 
lieben kann, wer als Liebhaber
 
 
einen Guilelmo, einen Ferrando hatte?
 
 
Despina
 
 
Die anderen haben doch auch
 
 
alles, was diese haben.
 
 
Ihr liebt heute einen Mann
 
 
und morgen einen anderen: Einer ist so viel wert wie der andere,
 
 
weil keiner irgendetwas wert ist.
 
 
Aber sprechen wir nicht weiter darüber: Sie sind noch am Leben,
 
 
und lebendig werden sie zurückkehren; aber sie sind weit weg,
 
 
und statt mit eitlen Tränen
 
 
Zeit zu verlieren,
 
 
denkt lieber daran, euch zu amüsieren.
 
 
Fiordiligi
 
 
(mit einem Anfall von Wut)
 
 
Uns zu amüsieren?
 
 
Despina
 
 
Jawohl! Und was noch besser ist,
 
 
zu lieben mit Mordslust, genauso wie
 
 
es eure teuren Liebhaber im Felde tun.
 
 
Dorabella
 
 
Beleidige nicht so jene schönen Seelen,
 
 
Vorbilder von Treue und keuscher Liebe.
 
 
Despina
 
 
Geh, geh, vorbei sind die Zeiten,
 
 
wo man den Kindern solche Märchen erzählt hat.
 
 
Nr. 12 Arie
 
 
Despina
 
 
Von Männern, von Soldaten
 
 
Treue erhoffen?
 
 
(lachend)
 
 
Lasst das niemand hören, um Himmels willen!
 
     
 
    Aus dem gleichen Holz
 
 
sind sie doch alle:
 
 
Das flatternde Laub,
 
 
die unsteten Winde
 
 
sind beständiger
 
 
als die Männer.
 
     
 
    Verlogene Tränen,
 
 
täuschende Blicke,
 
 
trügerische Worte,
 
 
heuchlerische Liebkosungen
 
 
sind ihre wesentlichen
 
 
Eigenschaften.
 
     
 
    In uns lieben sie
 
 
nichts als ihr Vergnügen;
 
 
später verachten sie uns,
 
 
verweigern uns die Liebe,
 
 
es ist sinnlos, von Barbaren
 
 
Mitleid zu verlangen.
 
     
 
    Zahlen wir es ihnen, o Frauen,
 
 
mit gleicher Münze heim,
 
 
dieser bösen,
 
 
rücksichtlosen Brut:
 
 
Lieben wir aus Bequemlichkeit,
 
 
aus Eitelkeit.
 
     
 
    La ra la la ra la
 
 
la ra la la.
 
 
(Sie gehen ab.)
 
 
ZEHNTER AUFTRITT
 
 
Don Alfonso allein, dann Despina.
 
 
Rezitativ
 
 
Don Alfonso
 
 
Was für eine Stille! Was für einen traurigen Anblick
 
 
atmen diese Zimmer! Arme Mädchen!
 
 
Sie haben nicht ganz unrecht.
 
 
Sie brauchen Trost: In der Zeit,
 
 
in der die beiden leichtgläubigen Verlobten
 
 
sich verkleiden, wie ich es ihnen aufgetragen habe,
 
 
wollen wir überlegen, was man tun kann …
 
 
Despina macht mir etwas Sorgen … Diese Schlaufüchsin
 
 
könnte sie erkennen … könnte
 
 
meine Pläne über den Haufen werfen … Wir werden sehen…
 
 
Wenn es denn erforderlich sein wird,
 
 
ein kleines Geschenk zur rechten Zeit, ein Zechinchen
 
 
wirkt bei einer Kammerzofe Wunder.
 
 
Aber um sicher zu sein, könnte man
 
 
sie zum Teil einweihen …
 
 
Ausgezeichnet ist der Plan …
 
 
Dies ist ihr Zimmer …
 
 
(Er klopft an.)
 
 
Despinetta!
 
 
Despina
 
 
Wer klopft?
 
 
Don Alfonso
 
 
Oh!
 
 
Despina
 
 
Ih!
 
 
Don Alfonso
 
 
Meine Despina,
 
 
ich bräuchte etwas von dir.
 
 
Despina
 
 
Aber ich nichts von Ihnen.
 
 
Don Alfonso
 
 
Ich will dir etwas Gutes tun.
 
 
Despina
 
 
Für ein Mädchen
 
 
kann ein Greis wie Sie nichts tun.
 
 
Don Alfonso
 
 
(zeigt ihr eine Goldmünze.)
 
 
Sprich leise und pass auf.
 
 
Despina
 
 
Schenken Sie mir die?
 
 
Don Alfonso
 
 
Ja, wenn du gut zu mir bist.
 
 
Despina
 
 
Und was möchten Sie?
 
 
Gold ist mein Lebenselixier.
 
 
Don Alfonso
 
 
Und du wirst Gold bekommen,
 
 
aber ich brauche deine Treue.
 
 
Despina
 
 
Nichts weiter? Ich bin dabei.
 
 
Don Alfonso
 
 
Nimm und höre zu.
 
 
Du weißt, dass deine Herrinnen
 
 
ihre Liebhaber verloren haben …
 
 
Despina
 
 
Ich weiß.
 
 
Don Alfonso
 
 
All ihre Tränen,
 
 
all ihre Wahnvorstellungen kennst du auch …
 
 
Despina
 
 
Ich weiß alles.
 
 
Don Alfonso
 
 
Nun gut, wenn du,
 
 
um sie ein wenig zu trösten
 
 
und, wie man sagt, ein Übel durch ein anderes zu vertreiben,
 
 
einen Weg finden würdest,
 
 
ihre Gunst
 
 
zwei netten Männern zu verschaffen,
 
 
die es versuchen wollen, du verstehst schon …
 
 
Es gibt für dich eine Belohnung von zwanzig Scudi,
 
 
wenn du ihnen zum Erfolg verhilfst.
 
 
Despina
 
 
Dieser Vorschlag
 
 
ist nicht übel.
 
 
Aber mit diesen Närrinnen … Schluss, hört:
 
 
Sind sie jung, sind sie schön und vor allem
 
 
haben Eure Bewerber
 
 
einen dicken Geldbeutel?
 
 
(Das ist mir wichtig.)
 
 
Don Alfonso
 
 
Sie haben alles,
 
 
was Frauen mit Urteilsvermögen gefallen kann.
 
 
Magst du sie sehen?
 
 
Despina
 
 
Und wo sind sie?
 
 
Don Alfonso
 
 
Sie sind hier.
 
 
Darf ich sie hereinlassen?
 
 
Despina
 
 
Von mir aus gern.
 
 
(Don Alfonso bittet die verkleideten Liebhaber herein.)
 
 
ELFTER AUFTRITT
 
 
Die Vorigen, Ferrando, Guilelmo; dann Fiordiligi und Dorabella.
 
 
Nr. 13 Sextett
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    Der schönen Despinetta
 
 
stelle ich euch vor, meine Freunde;
 
 
es hängt von ihr allein ab,
 
 
dass euer Herz getröstet wird.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
(mit gespielter Zärtlichkeit)
 
     
 
    Bei der Hand, die ich freudig küsse,
 
 
bei diesen Augen voll Anmut,
 
 
mach, dass mein Schatz
 
 
mir ihre schönen Augen wohlwollend zuwendet.
 
 
Despina
 
 
(für sich, lachend)
 
     
 
    Was für Gesichter! Was für Gewänder!
 
 
Was für Gestalten! Was für Schnurrbärte!
 
 
Ich weiß nicht, ob die da Walachen
 
 
oder Türken sind.
 
 
Don Alfonso
 
 
(leise zu Despina)
 
     
 
    Was hältst du von diesem Anblick?
 
 
Despina
 
 
(leise zu Don Alfonso)
 
 
Um ganz offen mit Euch zu sprechen,
 
 
sie haben außergewöhnliche Fratzen,
 
 
wahres Heilmittel gegen die Liebe.
 
 
 
 
Guilelmo, Ferrando, Don Alfonso
 
     
 
    (Jetzt ist die Sache so gut wie entschieden:
 
 
Erkennt sie sie|uns nicht,
 
 
gibt es nichts mehr zu befürchten.)
 
 
Despina
 
 
(lachend, für sich)
 
     
 
    Was für Gestalten! Was für Schnurrbärte!
 
 
Ich weiß nicht, ob die da Walachen
 
 
oder Türken sind.
 
 
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
(hinter der Szene)
 
     
 
    He, Despina! Hallo, Despina!
 
 
Despina
 
 
Die Herrinnen!
 
 
Don Alfonso
 
 
(zu Despina)
 
 
Das ist der Moment!
 
 
Sei geschickt: Ich verstecke mich hier.
 
 
(Er zieht sich zurück.)
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
(treten auf.)
 
     
 
    Unverschämtes Lausemädchen,
 
 
was machst du hier mit solchen Leuten?
 
 
Mach, dass sie sofort verschwinden,
 
 
oder du wirst es zusammen mit ihnen bereuen.
 
 
Guilelmo, Ferrando, Despina
 
 
(knien nieder.)
 
     
 
    Ach, meine Damen, verzeiht:
 
 
Zu euren schönen Füßen seht ihr
 
 
zwei Unglückliche dahinsiechen, schmachtende Anbeter
 
 
eurer Tugend.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
     
 
    Gerechte Götter! Was höre ich?
 
 
Wer ist nur der unwürdige Anstifter
 
 
dieses ungeheuerlichen Verrats?
 
 
Despina, Guilelmo, Ferrando
 
     
 
    Oh, besänftigt euren Zorn!
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Ach, ich verliere die Beherrschung!
 
 
Meine Seele ist voller
 
 
Ärger und Schrecken.
 
 
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
(für sich)
 
 
Was für eine Freude ist für mein Herz
 
 
diese Wut und dieser Zorn.
 
 
Despina, Don Alfonso
 
 
(für sich, Don Alfonso von der Türschwelle)
 
 
Mir sind diese Wut und dieser Zorn
 
 
ein wenig verdächtig.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
(für sich)
 
 
Ach, verzeih, mein schöner Geliebter,
 
 
dieses Herz ist unschuldig.
 
 
 
 
Rezitativ
 
 
Don Alfonso
 
 
Was für ein Krach! Was für ein Lärm!
 
 
Was für ein Durcheinander ist denn das! Seid ihr von Sinnen,
 
 
meine lieben Mädchen?
 
 
Wollt ihr die Nachbarschaft aufwecken?
 
 
Was habt ihr denn? Was ist geschehen?
 
 
Dorabella
 
 
(voll Zorn)
 
 
O Himmel! Schaut:
 
 
Männer in unserem Haus!
 
 
Don Alfonso
 
 
(ohne die Männer anzusehen)
 
 
Was ist daran so schlimm?
 
 
Fiordiligi
 
 
(feurig)
 
 
Was daran schlimm ist? An diesem Tag! …
 
 
Nach diesem Trauerfall! …
 
 
Don Alfonso
 
 
Himmel! Träume ich oder wach ich? Meine Freunde,
 
 
meine allerliebsten Freunde!
 
 
Ihr hier? Wie? Warum? Wann? Unter welchen Umständen?
 
 
Götter! Wie ich mich freue!
 
 
 
 
(Helft mir.)
 
 
Ferrando
 
 
Mein Freund Don Alfonso!
 
 
Guilelmo
 
 
Mein teurer Freund!
 
 
(Sie umarmen sich überschwänglich.)
 
 
Don Alfonso
 
 
Oh, was für eine schöne Überraschung!
 
 
Despina
 
 
 
 
Kennt Ihr sie?
 
 
Don Alfonso
 
 
(wie oben)
 
 
Und ob ich sie kenne! Das
 
 
sind die liebsten Freunde,
 
 
die ich auf dieser Welt habe,
 
 
und es werden auch eure sein.
 
 
Fiordiligi
 
 
Und was tun sie in meinem Haus?
 
 
Guilelmo
 
 
Zu euren Füßen
 
 
zwei Sünder, zwei Verbrecher, seht, meine Damen!
 
 
Amor …
 
 
Dorabella
 
 
Himmel! Was höre ich?
 
 
(Die Frauen ziehen sich zurück, die Männer folgen ihnen.)
 
 
Ferrando
 
 
Amor, dieser mächtige Gott,
 
 
führt uns euretwegen hierher.
 
 
Guilelmo
 
 
Kaum haben wir das Licht
 
 
eurer überaus strahlenden Augen erblickt …
 
 
Ferrando
 
 
… und schon zu den hellen Funken …
 
 
Guilelmo
 
 
… wie verliebte Falter im Todeskampf …
 
 
Ferrando
 
 
… flattern wir vor euch …
 
 
Guilelmo
 
 
… und neben euch und hinter euch …
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
… um Mitleid zu erflehen mit jämmerlichen Versen!
 
 
Fiordiligi
 
 
Himmel, was für eine Dreistigkeit!
 
 
Dorabella
 
 
Schwester, was machen wir?
 
 
Fiordiligi
 
 
Verwegene, verlasst
 
 
dieses Haus!
 
 
(Despina zieht sich verängstigt zurück.)
 
 
Der unselige Hauch
 
 
dieser schändlichen Worte soll
 
 
unser Herz, unser Ohr und unsere Gefühle nicht entwürdigen.
 
 
Vergeblich versucht ihr oder andere
 
 
unsere Seelen zu verführen: Die unversehrte Treue,
 
 
die wir unsererseits bereits unseren teuren Geliebten geschworen haben,
 
 
werden wir ihnen bis zum Tod bewahren,
 
 
der Welt und dem Schicksal zum Trotz.
 
 
Nr. 14 Arie
 
 
Fiordiligi
 
     
 
    Wie der Fels unbeweglich steht
 
 
in Wind und Sturm,
 
 
so stark ist diese Seele jede Stunde
 
 
in der Treue und in der Liebe.
 
     
 
    Mit uns entstand diese Fackel,
 
 
die uns beglückt und tröstet,
 
 
und nur der Tod allein kann
 
 
das Herz dazu bringen, seine Gefühle zu ändern.
 
     
 
    Achtet, undankbare Seelen,
 
 
dieses Muster an Standhaftigkeit,
 
 
und keine wilde Hoffnung
 
 
ermutige euch ein zweites Mal.
 
 
(Sie wollen abgehen, Ferrando ruft die eine, Guilelmo die andere zurück.)
 
 
Rezitativ
 
 
Ferrando
 
 
(zu Fiordiligi)
 
 
Ach, geht nicht fort!
 
 
Guilelmo
 
 
(zu Dorabella)
 
 
Ach, Grausame, bleibt!
 
 
(zu Don Alfonso)
 
 
Was meint Ihr?
 
 
Don Alfonso
 
 
 
 
(Wartet ab.)
 
 
(zu den beiden Frauen)
 
 
Um Himmels Willen, Mädchen,
 
 
lasst mich nicht so schlecht dastehen.
 
 
Dorabella
 
 
(feurig)
 
 
Was verlangt Ihr denn?
 
 
Don Alfonso
 
 
Ach, nichts … aber mir scheint …
 
 
dass ein klein bisschen Freundlichkeit …
 
 
Schließlich sind sie vornehme Herren
 
 
und sind das meine Freunde.
 
 
Fiordiligi
 
 
Wie! Und ich soll mir anhören …
 
 
Guilelmo
 
 
… nur unsere Leiden
 
 
und deswegen Mitleid fühlen!
 
 
Die himmlische Schönheit eurer Augen
 
 
hat in den unseren die Wunde geöffnet,
 
 
die nur der Balsam der Liebe
 
 
zu heilen vermag.
 
 
Nur einen Augenblick öffnet euer Herz, ihr Schönen,
 
 
für seine süßen Worte, und ihr werdet sehen,
 
 
wie die treuesten Liebenden vor euch vergehen.
 
 
Nr. 15a Aria [KV 584]
 
 
Guilelmo
 
 
(zu Fiordiligi)
 
     
 
    Richtet Euren Blick auf ihn,
 
 
und Ihr werdet sehen, wie es ihm geht:
 
 
Alles sagt „ich friere … ich brenne …
 
 
meine Angebetete, Erbarmen, Erbarmen.“
 
 
(zu Dorabella)
 
     
 
    Und Ihr, meine Liebe, wendet nur für einen Augenblick
 
 
die schönen Augen mir zu,
 
 
und Ihr werdet in den meinen entdecken,
 
 
was der Mund nicht sagen kann.
 
     
 
    Ein verliebter Roland
 
 
ist nichts im Vergleich zu mir,
 
 
einem Medoros mit der verwundeten Brust
 
 
steht er meiner Meinung nach in nichts nach:
 
 
Meine Seufzer sind aus Feuer,
 
 
sein Begehren ist aus Bronze.
 
 
Wenn man dann von Tugend spricht,
 
 
sind er und ich uns sicher,
 
 
dass man unseresgleichen nicht
 
 
zwischen Wien und Kanada findet.
 
     
 
    Beide sind wir reich wie Krösus,
 
 
beide schön wie Narziss;
 
 
in Sachen Liebe wäre jemand wie Marcus Antonius
 
 
gegen uns nur ein Narr;
 
 
wir sind stärker als der Zyklop,
 
 
gebildet gleich wie Äsop,
 
 
wenn wir tanzen, weicht ein Picq zur Seite,
 
 
so elegant und flink ist der Fuß;
 
 
wenn wir singen, beschämen wir mit einem einzigen Triller
 
 
die Nachtigall,
 
 
und wir haben auch noch anderes zu bieten,
 
 
was nicht jeder kennt.
 
 
(Hier gehen die Mädchen zornig ab.)
 
 
(mit größter Freude)
 
     
 
    Schön, schön! Sie bleiben hart:
 
 
Sie gehen weg, und ich freue mich darüber;
 
 
Heldinnen der Beständigkeit!
 
 
Sie sind Muster der Treue.
 
 
(Ferrando und Guilelmo beginnen leise zu lachen.)
 
 
Nr. 15b Arie
 
 
Guilelmo
 
     
 
    Seid nicht widerspenstig,
 
 
liebliche Äugelein:
 
 
Zwei verliebte Blicke
 
 
werft kurz hierher.
 
     
 
    Macht uns glücklich,
 
 
erwidert unsere Liebe;
 
 
und wir werden auch euch
 
 
ganz glücklich machen.
 
 
Seht nur, fasst uns an,
 
 
schaut auf das Ganze:
 
 
Wir sind zwei liebe Narren,
 
 
wir sind stark und gut gebaut;
 
 
und wie jeder sieht,
 
 
sei es Verdienst, sei es Zufall,
 
 
haben wir schöne Füße,
 
 
schöne Augen, eine schöne Nase.
 
 
Seht her: schöne Füße,
 
 
schaut her: schöne Augen,
 
 
fasst an: eine schöne Nase,
 
 
schaut auf das Ganze;
 
 
und diese Schnurrbärte
 
 
lassen sich bezeichnen
 
 
als Triumph der Männlichkeit,
 
 
als Banner der Liebe.
 
 
(Hier gehen die Frauen zornig ab.)
 
 
(Guilelmo lacht.)
 
 
Triumph, Banner, Schnurrbärte!
 
 
ZWÖLFTER AUFTRITT
 
 
Ferrando, Guilelmo und Don Alfonso.
 
 
Nr. 16 Terzett
 
 
(Die beiden Liebhaber lachen maßlos und necken Don Alfonso.)
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    Und ihr lacht?
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
(lachen sehr laut.)
 
 
Natürlich lachen wir.
 
 
Don Alfonso
 
 
Was habt ihr denn?
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
(wie oben)
 
 
Wir wissen es schon.
 
 
Don Alfonso
 
 
Lacht leise.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
Ihr redet umsonst.
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    Wenn sie euch hören,
 
 
wenn sie euch erkennen würden,
 
 
wäre die ganze Geschichte
 
 
verdorben.
 
 
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
(lachen gedämpft und versuchen dabei, nicht zu lachen.)
 
     
 
    Ach, vor lauter Lachen
 
 
zerspringt meine Seele,
 
 
ach, ich fühle, wie meine Eingeweide
 
 
gleich platzen.
 
 
Don Alfonso
 
 
(für sich)
 
     
 
    Dies ihr Gelächter
 
 
macht mich lachen,
 
 
aber ich weiß, dass es mit Tränen
 
 
enden muss.
 
 
 
 
Rezitativ
 
 
Don Alfonso
 
 
Darf man wenigstens
 
 
den Grund für dieses Lachen erfahren?
 
 
Guilelmo
 
 
Ei, Donnerwetter,
 
 
glaubt Ihr nicht, dass wir allen Grund dazu haben,
 
 
mein lieber Herr?
 
 
Ferrando
 
 
(scherzend)
 
 
Wieviel wollt Ihr zahlen,
 
 
und die Wette ist geplatzt?
 
 
Guilelmo
 
 
(weiter scherzend)
 
 
Bezahlt die Hälfte.
 
 
Ferrando
 
 
(wie oben)
 
 
Bezahlt nur
 
 
vierundzwanzig Zechinen.
 
 
Don Alfonso
 
 
Ihr arme Kindsköpfe!
 
 
Kommt her: Ich will
 
 
euch das Fingerchen in den Mund stecken.
 
 
Guilelmo
 
 
Und Ihr traut Euch,
 
 
noch weiterzureden?
 
 
Don Alfonso
 
 
Vor Abend noch
 
 
werden wir uns wieder sprechen.
 
 
Ferrando
 
 
Wann immer Ihr wollt.
 
 
Don Alfonso
 
 
Inzwischen
 
 
Schweigen und Gehorsam
 
 
bis morgen früh.
 
 
Guilelmo
 
 
Wir sind Soldaten und lieben die Disziplin.
 
 
Don Alfonso
 
 
Nun gut, geht nur
 
 
und wartet beide auf mich im Gärtchen:
 
 
Dort werde ich euch meine Anweisungen geben.
 
 
Guilelmo
 
 
Und gibt es heute nichts zu essen?
 
 
Ferrando
 
 
Wozu denn?
 
 
Ist die Schlacht erst beendet,
 
 
schmeckt uns das Abendessen noch besser.
 
 
Nr. 17 Arie
 
 
Ferrando
 
     
 
    Ein Liebeshauch
 
 
unseres Schatzes
 
 
bringt süße Labung
 
 
unserem Herzen.
 
     
 
    Dem Herzen, das, erfüllt
 
 
von Hoffnung und Liebe,
 
 
einer besseren Nahrung
 
 
nicht bedarf.
 
 
(Ferrando und Guilelmo gehen ab.)
 
 
DREIZEHNTER AUFTRITT
 
 
Don Alfonso allein, dann Despina.
 
 
Rezitativ
 
 
Don Alfonso
 
 
Oh, wie werden wir lachen: So wenige
 
 
Frauen auf der Welt sind standhaft,
 
 
und hier sind gleich zwei davon … Das wird nichts …
 
 
(Despina tritt ein.)
 
 
Komm, komm, Mädchen, und sag mir,
 
 
wo deine Herrinnen sind und was sie tun.
 
 
Despina
 
 
Die armen Herrinnen
 
 
sind im kleinen Garten
 
 
und beschweren sich bei der Luft und den Fliegen,
 
 
ihre Geliebten verloren zu haben.
 
 
Don Alfonso
 
 
Und wie, glaubst du,
 
 
wird die Sache enden? Wollen wir hoffen,
 
 
dass sie vernünftig werden?
 
 
Despina
 
 
Ich wäre es jedenfalls,
 
 
und wo sie weinen, würde ich lachen.
 
 
Verzweifeln, vergehen,
 
 
nur weil ein Liebhaber davonzieht?
 
 
Schaut Euch den Unfug an!
 
 
Man holt sich zwei andere, wenn einer weggeht.
 
 
Don Alfonso
 
 
Bravo! Das nenne ich Klugheit.
 
 
 
 
(Man muss sie nur anspornen.)
 
 
Despina
 
 
Es ist ein Naturgesetz
 
 
und nicht nur Klugheit. Was ist Liebe?
 
 
Gefallen, Bequemlichkeit, Lust,
 
 
Freude, Vergnügen,
 
 
Zeitvertrieb, Fröhlichkeit: Es ist keine Liebe mehr,
 
 
wenn sie unbequem wird,
 
 
wenn sie, anstatt zu gefallen, schadet und quält.
 
 
Don Alfonso
 
 
Aber inzwischen diese Wahnsinnigen …
 
 
Despina
 
 
Diese Wahnsinnigen
 
 
werden das tun, was wir wollen. Es ist gut, dass sie wissen,
 
 
von jenen geliebt zu werden.
 
 
Don Alfonso
 
 
Das wissen sie.
 
 
Despina
 
 
Also werden sie diese Liebe erwidern.
 
 
„Sag es ihnen“, wie man zu sagen pflegt,
 
 
„und lass den Teufel den Rest besorgen.“
 
 
Don Alfonso
 
 
Und wie
 
 
willst du erreichen, dass sie zurückkehren,
 
 
jetzt, wo sie weg sind, und dass sie sie anhören
 
 
und sich verführen lassen,
 
 
diese zwei wilden Tierchen?
 
 
Despina
 
 
Überlasst nur mir
 
 
die Mühe, die ganze Intrige auszuführen.
 
 
Wenn Despina eine Intrige einfädelt,
 
 
kann der Erfolg nicht ausbleiben: Ich habe schon
 
 
tausend Männer an der Nase herumgeführt,
 
 
es wird mir auch bei zwei Frauen gelingen. Sind
 
 
die beiden Monsieurs mit Schnurbart reich?
 
 
Don Alfonso
 
 
Steinreich.
 
 
Despina
 
 
Wo sind sie?
 
 
Don Alfonso
 
 
Auf der Straße
 
 
erwarten sie mich.
 
 
Despina
 
 
Geht und bringt sie auf der Stelle
 
 
durch die kleine Tür
 
 
zu mir zurück: Ich warte auf Euch
 
 
in meinem Zimmer.
 
 
Wenn Ihr nur alles tut,
 
 
was ich Euch befehle, werden noch heute
 
 
Eure Freunde den Sieg besingen;
 
 
Und sie werden den Spaß haben, und ich den Ruhm.
 
 
(Sie gehen ab.)
 
 


Hübsches Gärtchen. An den Seiten zwei belaubte Bänke.
 
 
VIERZEHNTER AUFTRITT
 
 
Fiordiligi, Dorabella.
 
 
Nr. 18 Finale
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
     
 
    Ach, wie in einem Augenblick
 
 
mein Schicksal sich gewendet hat,
 
 
ach, ein Meer voller Kummer
 
 
ist das Leben nun für mich.
 
     
 
    Solange die grausamen Sterne
 
 
meinen Geliebten bei mir ließen,
 
 
wusste ich nicht, was Qualen sind,
 
 
wusste ich nicht, was Schmachten ist.
 
     
 
    Ach, wie in einem Augenblick
 
 
mein Schicksal sich gewendet hat,
 
 
ach, ein Meer voller Kummer
 
 
ist das Leben nun für mich.
 
 
FÜNFZEHNTER AUFTRITT
 
 
Die Vorigen, Guilelmo, Ferrando und Don Alfonso hinter der Szene; dann Despina.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
 
     
 
    Sterben, ja sterben,
 
 
damit die Grausamen zufrieden sind.
 
 
Don Alfonso
 
 
 
 
Es gibt noch Hoffnung;
 
 
tut es nicht, um Himmels willen, tut es nicht.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Himmel, was für schreckliche Schreie!
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
Lasst mich.
 
 
Don Alfonso
 
 
Wartet noch.
 
 
(Ferrando und Guilelmo treten ein, jeder mit einem Fläschchen, gefolgt von Don Alfonso.)
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
Das Arsen soll mich
 
 
von so viel Grausamkeit befreien.
 
 
(Sie trinken und werfen die Fläschchen weg. Während sie sich umdrehen, sehen sie die beiden Damen.)
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
     
 
    Himmel, war das Gift?
 
 
Don Alfonso
 
 
Ein Gift, gut und stark,
 
 
das ihnen in wenigen Augenblicken
 
 
das Leben nehmen wird.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Das tragische Schauspiel
 
 
lässt mein Herz erstarren.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
     
 
    Grausame, nähert euch;
 
 
seht das tragische Ende
 
 
einer verzweifelten Liebe
 
 
und habt wenigstens Mitleid.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Das tragische Schauspiel
 
 
lässt mein Herz erstarren.
 
 
Fiordiligi, Dorabella, Guilelmo, Ferrando, Don Alfonso
 
     
 
    Ach, der Sonnenstrahl
 
 
verfinstert sich vor mir.
 
 
Ich zittre: Leib und Seele
 
 
schwinden mir,
 
 
Zunge und Lippen können
 
 
keinen Laut mehr hervorbringen.
 
 
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    Da diese Armen
 
 
kurz vor dem Tod sind
 
 
bemüht euch, ihnen wenigstens Mitleid
 
 
zu zeigen.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
     
 
    Leute, zu Hilfe, Leute!
 
 
Niemand hört uns, o Gott!
 
 
Despina!
 
 
Despina
 
 
(von innen)
 
 
Wer ruft mich?
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Despina!
 
 
Despina
 
 
(tritt ein.)
 
 
Was sehe ich!
 
 
Ich glaube, dass die Armen tot sind,
 
 
oder dem Sterben nahe.
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    Ach, es ist leider wahr!
 
 
Rasend, verzweifelt
 
 
haben sie Gift genommen.
 
 
O einzigartige Liebe!
 
 
Despina
 
     
 
    Die Armen zu verlassen,
 
 
wäre für euch eine Schande:
 
 
Man muss ihnen helfen.
 
 
Fiordiligi, Dorabella, Don Alfonso
 
 
Was können wir denn tun?
 
 
Despina
 
     
 
    Sie geben noch Lebenszeichen von sich:
 
 
Stützt sie ein wenig
 
 
mit euren mitleidsvollen Händen.
 
 
(zu Don Alfonso)
 
 
Und Ihr lauft mit mir:
 
 
Eilen wir, einen Arzt, ein Gegenmittel
 
 
zu suchen.
 
 
(Sie geht mit Don Alfonso ab.)
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
     
 
    Götter, was für eine schwere Prüfung ist das!
 
 
Ein traurigeres Ereignis
 
 
könnte es nicht geben.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
(beiseite)
 
 
Ein schöneres Komödchen
 
 
könnte es nicht geben.
 
 
(laut)
 
     
 
    Ach!
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
(stehen weit weg von den Liebhabern.)
 
 
Sie seufzen, die Unglücklichen.
 
 
Fiordiligi
 
 
Was machen wir nur?
 
 
Dorabella
 
 
Was meinst du?
 
 
Fiordiligi
 
 
Wer könnte sie in so schmerzlichen Augenblicken
 
 
verlassen?
 
 
Dorabella
 
 
(kommt etwas näher.)
 
     
 
    Was für interessante Gestalten!
 
 
Fiordiligi
 
 
(kommt etwas näher.)
 
 
Wir können schon etwas näher heran.
 
 
Dorabella
 
 
Sein Kopf ist sehr kalt.
 
 
Fiordiligi
 
 
Ganz kalt ist auch dieser.
 
 
Dorabella
 
 
Und der Puls?
 
 
Fiordiligi
 
 
Ich fühle ihn nicht.
 
 
Dorabella
 
 
Dieser schlägt ganz langsam.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
     
 
    Ach, wenn die Hilfe noch lange braucht,
 
 
gibt es keine Hoffnung mehr für ihr Leben.
 
 
Die Ärmsten! Ihr Tod
 
 
würde mich zu Tränen rühren.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
(für sich)
 
     
 
    Freundlicher und zugänglicher
 
 
sind beide geworden:
 
 
Ich wette, dass ihr Mitleid
 
 
schließlich in Liebe endet.
 
 
SECHZEHNTER AUFTRITT
 
 
Die Vorigen, Despina als Arzt verkleidet, Don Alfonso.
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    Hier ist der Arzt,
 
 
meine schönen Damen.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
 
 
(Despina verkleidet:
 
 
Die arme Haut!)
 
 
Despina
 
 
Salvete, amabiles
 
 
bones puelles!
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Er spricht eine Sprache,
 
 
die wir nicht verstehen.
 
 
Despina
 
 
Wie Sie befehlen,
 
 
sprechen wir also:
 
 
Ich kann Griechisch und Arabisch,
 
 
ich kann Türkisch und Wandalisch;
 
 
Schwäbisch und Tatarisch
 
 
kann ich auch noch.
 
 
Don Alfonso
 
     
 
    Die vielen Sprachen
 
 
mögen Sie für sich behalten.
 
 
Werfen Sie stattdessen einen Blick
 
 
auf diese Unglücklichen:
 
 
Sie haben Gift genommen,
 
 
was kann man da tun?
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Herr Doktor,
 
 
was kann man da tun?
 
 
Despina
 
 
(fühlt beiden Puls und Stirn.)
 
     
 
    Zunächst muss ich
 
 
die Ursache kennen
 
 
und dann die Art
 
 
des Trankes:
 
 
ob warm oder kalt,
 
 
ob wenig oder viel,
 
 
ob auf einmal
 
 
oder mehrmals.
 
 
Fiordiligi, Dorabella, Don Alfonso
 
     
 
    Sie haben Arsen genommen,
 
 
Herr Doktor;
 
 
hier drinnen haben sie es getrunken,
 
 
die Ursache ist Liebe,
 
 
und in einem Schluck
 
 
haben sie es heruntergeschüttelt.
 
 
Despina
 
     
 
    Macht euch keine Sorgen,
 
 
regt euch nicht auf:
 
 
Hier ist ein Beweis
 
 
meines Könnens.
 
 
(Sie berührt mit einem Stück Magneteisen die Köpfe der angeblichen Kranken und streicht damit sanft an ihren Körpern entlang.)
 
 
Fiordiligi, Dorabella, Don Alfonso
 
     
 
    Er hält ein Eisen
 
 
in der Hand …
 
 
Despina
 
 
Dies ist ein Stück
 
 
Magneteisen,
 
 
der Mesmerische Stein
 
 
der seinen Ursprung
 
 
in Deutschland hat
 
 
und dann in Frankreich
 
 
so berühmt wurde.
 
 
Fiordiligi, Dorabella, Don Alfonso
 
     
 
    Wie sie sich bewegen,
 
 
winden und schütteln,
 
 
schon schlagen sie mit dem Schädel
 
 
auf den Boden.
 
 
Despina
 
 
He, haltet ihre Stirn
 
 
hoch.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
(legen den Liebhabern die Hand auf die Stirn.)
 
     
 
    Wir sind bereit.
 
 
Despina
 
 
Haltet sie fest!
 
 
Nur Mut! Nun seid ihr
 
 
vom Tode gerettet.
 
 
Fiordiligi, Dorabella, Don Alfonso
 
 
Sie blicken um sich,
 
 
sie kommen zu Kräften:
 
 
Ach, dieser Arzt
 
 
ist Gold wert.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
(stehen auf.)
 
     
 
    Wo bin ich! Was ist das für ein Ort!
 
 
Wer ist dieser! Wer sind jene!
 
 
Stehe ich vor Jupiters Thron?
 
 
(Ferrando zu Fiordiligi, Guilelmo zu Dorabella)
 
 
Bist du Pallas oder Venus?
 
 
Nein, du bist meine holde Göttin:
 
 
Ich erkenne dich am zarten Antlitz
 
 
und an der Hand, die ich jetzt genau sehe
 
 
und die allein mein Schatz ist.
 
 
(Sie umarmen die Geliebten zärtlich und küssen ihnen die Hände.)
 
 
Despina, Don Alfonso
 
     
 
    Das sind die Nachwirkungen des Giftes,
 
 
habt keine Angst.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Das mag sein, aber so viele Mätzchen
 
 
beleidigen unsere Ehre.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
 
 
(Ich habe solche Lust zu lachen,
 
 
dass mir gleich die Lunge platzt.)
 
 
(zu den Geliebten)
 
     
 
    Hab Erbarmen, meine schöne Angebetete,
 
 
wende deine seligen Augen mir zu!
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Ich kann nicht länger widerstehen.
 
 
Despina, Don Alfonso
 
 
In wenigen Stunden, ihr werdet schon sehen,
 
 
wird durch die Kraft des Magnetismus
 
 
dieser Anfall vorbei sein,
 
 
und sie werden sich wie früher benehmen.
 
 
Guilelmo, Ferrando
 
 
(Ferrando zu Fiordiligi, Guilelmo zu Dorabella)
 
     
 
    Gib mir einen Kuss, mein Schatz,
 
 
einen einzigen Kuss oder ich sterbe auf der Stelle.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Himmel! Einen Kuss?
 
 
Despina, Don Alfonso
 
 
Gewährt ihn nur
 
 
aus Güte.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
 
Ach, das ist zu viel verlangt
 
 
von einer treuen und anständigen Braut;
 
 
beleidigt ist meine Treue,
 
 
beleidigt ist dies Herz.
 
 
Guilelmo, Ferrando, Despina, Don Alfonso
 
 
(für sich)
 
     
 
    Einen lustigeren Anblick
 
 
hat man auf der ganzen|dieser Welt noch nicht gesehen.
 
 
Was mich am meisten lachen lässt,|Doch weiß ich nicht, ob sie echt oder gestellt sind
 
 
sind dieser Zorn und diese Wut.|dieser Zorn und diese Wut.
 
 
Fiordiligi, Dorabella
 
     
 
    Verzweifelt, vergiftet,
 
 
geht zum Teufel allesamt:
 
 
Später werdet ihr es bestimmt bereuen,
 
 
wenn meine Wut noch weiterwächst.
 
 
Guilelmo, Ferrando, Despina, Don Alfonso
 
 
(für sich)
 
     
 
    Einen lustigeren Anblick
 
 
hat man auf der ganzen|dieser Welt noch nicht gesehen.
 
 
Was mich am meisten lachen lässt,|Doch weiß ich nicht, ob sie echt oder gestellt sind
 
 
sind dieser Zorn und diese Wut.|dieser Zorn und diese Wut.
 
 
Denn ich weiß recht gut, dass solches Feuer|Und ich möchte nicht, dass solches Feuer
 
 
sich in Liebesglut wandeln wird.|in Liebesglut endet.
 
 
Ende des ersten Akts.