Zweiter Akt
 
 
Garten am Palast des Bassa Selim; an der Seite Osmins Wohnung.
 
 
Erster Auftritt
 
 
Osmin, Blonde.
 
 
Blonde
 
 
O des Zankens, Befehlens und Murrens wird auch kein Ende! Einmal für allemal: Das steht mir nicht an! Denkst du alter Murrkopf etwa eine türkische Sklavin vor dir zu haben, die bei deinen Befehlen zittert? O da irrst du dich sehr! Mit europäischen Mädchen springt man nicht so herum; denen begegnet man ganz anders.
 
     
 
    Durch Zärtlichkeit und Schmeicheln,
 
 
Gefälligkeit und Scherzen
 
 
erobert man die Herzen
 
 
der guten Mädchen leicht:
 
 
Doch mürrisches Befehlen
 
 
und Poltern, Zanken, Plagen
 
 
macht, dass in wenig Tagen
 
 
so Lieb als Treu entweicht.
 
 
Osmin
 
 
Ei seht doch mal, was das Mädchen vorschreiben kann! Zärtlichkeit! Schmeicheln! – Es ist mir wie pure Zärtlichkeit! – Wer, Teufel, hat dir das Zeug im Kopf gesetzt? – Hier sind wir in der Türkei, und da geht's aus einem andern Tone: Ich dein Herr; du meine Sklavin; ich befehle, du musst gehorchen!
 
 
Blonde
 
 
Deine Sklavin? ich deine Sklavin! – Ha! ein Mädchen eine Sklavin! Noch einmal sag mir das, noch einmal!
 
 
Osmin
 
 
(für sich)
 
 
Ich möchte toll werden, was das Mädchen für ein starrköpfiges Ding ist. (laut) Du hast doch wohl nicht vergessen, dass dich der Bassa mir zur Sklavin geschenkt hat?
 
 
Blonde
 
 
Bassa hin, Bassa her! Mädchen sind keine Ware zum Verschenken! Ich bin eine Engländerin, zur Freiheit geboren, und trotz jedem, der mich zu etwas zwingen will!
 
 
Osmin
 
 
(beiseite)
 
 
Gift und Dolch über das Mädchen! – Beim Mahomet! sie macht mich rasend. – Und doch lieb ich die Spitzbübin, trotz ihres tollen Kopfs! – (laut) Ich befehle dir augenblicklich, mich zu lieben.
 
 
Blonde
 
 
Hahaha! Komm mir nur ein wenig näher, ich will dir fühlbare Beweise davon geben.
 
 
Osmin
 
 
Tolles Ding! Weißt du, dass du mein bist und ich dich dafür züchtigen kann?
 
 
Blonde
 
 
Wag's nicht, mich anzurühren, wenn dir deine Augen lieb sind.
 
 
Osmin
 
 
Wie? du unterstehst dich –
 
 
Blonde
 
 
Da ist was zu unterstehen! Du bist der Unverschämte, der sich zu viel Freiheit herausnimmt. So ein altes, hässliches Gesicht untersteht sich, einem Mädchen wie ich, jung, schön, zur Freude geboren, wie einer Magd zu befehlen! Wahrhaftig, das stünde mir an! Uns! uns gehört das Regiment; ihr seid unsre Sklaven und glücklich, wenn ihr Verstand genung habt, euch die Ketten zu erleichtern.
 
 
Osmin
 
 
Bei meinem Bart, sie ist toll! Hier, hier in der Türkei?
 
 
Blonde
 
 
Türkei hin, Türkei her! Weib ist Weib, sie sei, wo sie wolle! Sind eure Weiber solche Närrinnen, sich von euch unterjochen zu lassen, desto schlimmer für sie; in Europa verstehen sie das Ding besser. Lass mich nur einmal Fuß hier gefasst haben, sie sollen bald anders werden.
 
 
Osmin
 
 
Beim Allah! die wär imstande, uns allen die Weiber rebellisch zu machen – Aber –
 
 
Blonde
 
 
Aufs Bitten müsst ihr euch legen, wenn ihr etwas von uns erhalten wollt; besonders Liebhaber deines Gelichters. –
 
 
Osmin
 
 
Freilich, wenn ich Pedrillo wär, so eine runde Figur wie er machte, da wär ich vermutlich willkommen: Denn euer Mienenspiel hab ich lange weg.
 
 
Blonde
 
 
Erraten, guter Alter, erraten! Das kannst du dir wohl einbilden, dass mir der hübsche fette Pedrillo lieber ist wie dein ausgehungertes Gesicht. Also, wenn du klug wärst –
 
 
Osmin
 
 
sollt ich dir die Freiheit geben, zu tun und zu machen, was du wolltest? He?
 
 
Blonde
 
 
Besser würdest du immer dabei fahren: Denn so wirst du sicher betrogen.
 
 
Osmin
 
 
Gift und Dolch! Nun reißt mir die Geduld! Den Augenblick hinein ins Haus! Und wo du's wagst –
 
 
Blonde
 
 
Mach mich nicht zu lachen.
 
 
Osmin
 
 
Ins Haus, sag ich!
 
 
Blonde
 
 
Nicht von der Stelle!
 
 
Osmin
 
 
Mach nicht, dass ich Gewalt brauche –
 
 
Blonde
 
 
Gewalt werd ich mit Gewalt vertreiben. Meine Gebieterin hat mich hier im Garten bestellt; sie ist die Geliebte des Bassa, sein Augapfel, sein Alles; und es kostet mir ein Wort, so hast du funfzig auf die Fußsohlen. Also geh –
 
 
Osmin
 
 
(für sich)
 
 
Der Henker hole die Engländerinnen! Jetzt muss ich schon tanzen, wie sie pfeift: Aber alle Tritt und Schritte will ich beobachten. (laut) Ich gehe: Aber wo du eine Miene machst, den Pedrillo zu sprechen –
 
 
Blonde
 
 
Fort, fort, fort! da kommt Konstanze.
 
 
(Osmin geht unwillig ab.)
 
 
Zweiter Auftritt
 
 
Blonde, Konstanze.
 
 
Blonde
 
 
Wie traurig das gute Mädchen daherkommt! Freilich tut's weh, den Geliebten zu verlieren und Sklavin zu sein. Es geht mir wohl auch nicht viel besser; aber ich habe doch noch das Vergnügen, meinen Pedrillo manchmal zu sehen, ob's gleich auch mager und verstohlen genug geschehen muss. Doch wer kann wider den Strom schwimmen? –
 
 
Konstanze tritt, ohne Blonden zu bemerken, mit folgender Arie auf:
 
     
 
    Traurigkeit ward mir zum Lose,
 
 
weil ich dir entrissen bin.
 
 
Gleich der wurmzernagten Rose,
 
 
gleich dem Gras im Wintermoose
 
 
welkt mein banges Leben hin.
 
     
 
    Selbst der Luft darf ich nicht sagen
 
 
meiner Seele bittern Schmerz:
 
 
Denn unwillig ihn zu tragen,
 
 
haucht sie alle meine Klagen
 
 
wieder in mein armes Herz.
 
 
Blonde
 
 
Ach mein bestes Fräulein! noch immer so traurig?
 
 
Konstanze
 
 
Kannst du fragen, da du meinen Kummer weißt? – Wieder ein Abend und noch keine Nachricht, noch keine Hoffnung! – Und morgen – ach Gott! ich darf nicht daran denken.
 
 
Blonde
 
 
Heitern Sie sich wenigstens ein bisschen auf. Sehn Sie, wie schön der Abend ist, wie blühend uns alles entgegenlacht, wie freudig uns die Vögel zu ihrem Gesang einladen! Verbannen Sie die Grillen, und fassen Sie Mut! – – Kommen Sie, lassen Sie uns unsern Rundgesang anstimmen; vielleicht ist die Hülfe nicht mehr weit.
 
 
Konstanze
 
 
Wie glücklich bist du, Mädchen, bei deinem Schicksale so gelassen zu sein! O dass ich es auch könnte!
 
 
Blonde
 
 
Hoffen wir es wenigstens! Aber, bestes Fräulein, das Rondo! Sie wissen ja, mit welchem Zauber die Musik aufs Herz wirkt; und es ist ja Ihr Lieblingsstück, so schmelzend, so zärtlich! O ich fange an!
 
 
Rondeau
 
 
Konstanze, Blonde
 
 
(zugleich)
 
     
 
    Hoffnung, Trösterin im Leiden!
 
 
du versüßest allen Schmerz;
 
 
lächelst uns nach langem Scheiden
 
 
Freuden ins gebeugte Herz.
 
 
Konstanze
 
     
 
    Oft im öden Hain verlassen,
 
 
schreckt uns Finsternis und Grab,
 
 
und der Wangen Rosen blassen
 
 
von des Kummers Zähren ab.
 
 
Blonde
 
     
 
    Doch wie schwinden alle Sorgen,
 
 
jede Träne wird verscheucht,
 
 
wenn sich der gewünschte Morgen
 
 
nur in ferner Dämmrung zeigt.
 
 
Konstanze, Blonde
 
 
(zugleich)
 
     
 
    Hoffnung, Trösterin im Leiden!
 
 
du versüßest allen Schmerz;
 
 
lächelst uns nach langem Scheiden
 
 
Freuden ins gebeugte Herz.
 
 
Konstanze
 
     
 
    Wenn von Sturm und Nacht umgeben,
 
 
sinkend sich der Nachen beugt,
 
 
Angst und Zagen uns umschweben
 
 
und der grimme Tod sich zeigt:
 
 
Blonde
 
     
 
    Schleudert uns im Todesschlummer
 
 
eine Well auf weiches Moos;
 
 
und wir ruhen frei vom Kummer,
 
 
süße Hoffnung, dir im Schoß.
 
 
Konstanze, Blonde
 
 
(zugleich)
 
     
 
    Hoffnung, Trösterin im Leiden!
 
 
du versüßest allen Schmerz;
 
 
lächelst uns nach langem Scheiden
 
 
Freuden ins gebeugte Herz.
 
 
Blonde
 
 
Nicht wahr, es ist Ihnen nicht mehr so eng ums Herz? – Ach! dort seh ich den Bassa; vermutlich hat er Ihnen was zu sagen –
 
 
Konstanze
 
 
Den Bassa? – Ach ich muss seinen Anblick vermeiden! – Einsame Schatten! seid ihr meine Tröster!
 
 
(geht ab)
 
 
Dritter Auftritt
 
 
Blonde, hernach Pedrillo.
 
 
Blonde
 
 
Die gute Donna! sie dauert mich herzlich! – Aber ist das nicht Pedrillo, der mir so geheimnisvoll winkt? – Was muss der mir zu sagen haben?
 
 
Pedrillo
 
 
Bst, bst! Blondchen, Blondchen! Ist der Weg rein?
 
 
Blonde
 
 
Komm nur, komm! Der Bassa ist wieder zurück. Ich habe eben meinem Alten den Kopf ein bisschen gewaschen. Was hast du denn?
 
 
Pedrillo
 
 
O Neuigkeiten, Neuigkeiten, die dich entzücken werden.
 
 
Blonde
 
 
Nun? hurtig heraus damit!
 
 
Pedrillo
 
 
Erst, liebes Herzensblondchen, lass dir vor allen Dingen einen recht herzlichen Kuss geben: Du weißt ja, wie gestohlnes Gut schmeckt.
 
 
Blonde
 
 
Pfui, pfui! Wenn das deine Neuigkeiten alle sind –
 
 
Pedrillo
 
 
Närrchen, mach darum keinen Lärm; der alte spitzbübische Osmin lauert uns sicher auf den Dienst.
 
 
Blonde
 
 
Nun? und die Neuigkeiten? –
 
 
Pedrillo
 
 
sind, dass das Ende unsrer Sklaverei vor der Türe ist. – (Er sieht sich sorgfältig um.) Belmonte, Konstanzens Geliebter, ist angekommen; und ich hab ihn unter dem Namen eines Baumeisters hier im Palast eingeführt.
 
 
Blonde
 
 
Ah, was sagst du? Belmonte da?
 
 
Pedrillo
 
 
Mit Leib und Seele!
 
 
Blonde
 
 
Ha! das muss Konstanze wissen!
 
 
(will fort)
 
 
Pedrillo
 
 
Hör nur, Blondchen, hör nur erst: Er hat ein Schiff hier in der Nähe in Bereitschaft, und wir haben beschlossen, euch diese Nacht zu entführen.
 
 
Blonde
 
 
O allerliebst, allerliebst! Herzens-Pedrillo! Das verdient einen Kuss. Geschwind, geschwind zu Konstanzen!
 
 
(will wieder fort)
 
 
Pedrillo
 
 
Halt nur, halt, und lass erst mit dir reden. Um Mitternacht kommt Belmonte mit einer Leiter zu Konstanzens Fenster und ich zu dem deinigen; und dann geht's heidi davon!
 
 
Blonde
 
 
O vortrefflich! Aber Osmin?
 
 
Pedrillo
 
 
Hier ist ein Schlaftrunk für den alten Schlaukopf, den misch ihm fein manierlich ins Getränke, verstehst du? Ich habe dort auch schon ein Fläschchen angefüllt. Geht's hier nicht, wird's dort wohl gehen.
 
 
Blonde
 
 
Sorg nicht für mich! – Aber kann Konstanze ihren Geliebten nicht sprechen?
 
 
Pedrillo
 
 
Sobald es vollends finster ist, kommt er hier in Garten. Nun geh und bereite Konstanzen vor; ich will hier Belmonten erwarten. Leb wohl, Herzchen, leb wohl!
 
 
Blonde
 
 
Leb wohl, guter Pedrillo! Ach, was werd ich für Freude anrichten!
 
 
(Blonde ab)
 
 
Vierter Auftritt
 
 
Pedrillo allein.
 
 
Ah, dass es schon vorbei wäre! dass wir schon auf offner See wären, unsre Mädels im Arm und dies verwünschte Land im Rücken hätten! Doch sei's gewagt; entweder itzt oder niemals. Wer zagt, verliert!
 
     
 
    Frisch zum Kampfe!
 
 
Frisch zum Streite!
 
 
Nur ein feiger Tropf verzagt.
 
 
Sollt ich zittern?
 
 
Sollt ich zagen?
 
 
Nicht mein Leben
 
 
mutig wagen?
 
 
Nein, ach nein, es sei gewagt!
 
 
Frisch zum Kampfe!
 
 
Frisch zum Streite!
 
 
Nur ein feiger Tropf verzagt.
 
 
Fünfter Auftritt
 
 
Pedrillo, Osmin.
 
 
Osmin
 
 
Ha! Geht's hier so lustig zu? Es muss dir verteufelt wohl gehen.
 
 
Pedrillo
 
 
Ei, wer wird so ein Kopfhänger sein; es kommt beim Henker da nichts bei heraus: Das haben die Pedrillos von jeher in ihrer Familie gehabt. Fröhlichkeit und Wein versüßt die härteste Sklaverei. Freilich könnt ihr armen Schlucker das nicht begreifen, dass es so ein herrlich Ding um ein Gläschen guten, alten Lustigmacher ist. Wahrhaftig, da hat euer Vater Mahomet einen verzweifelten Bock geschossen, dass er euch den Wein verboten hat. Wenn das verwünschte Gesetz nicht wäre, du müsstest ein Gläschen mit mir trinken, du möchtest wollen oder nicht. (für sich) Vielleicht beißt er an: Er trinkt ihn gar zu gerne.
 
 
Osmin
 
 
Wein mit dir? Ja Gift –
 
 
Pedrillo
 
 
Immer Gift und Dolch und Dolch und Gift! Lass doch den alten Groll einmal fahren und sei vernünftig. Sieh einmal, ein Paar Flaschen Zyperwein! – Ah – (Er zeigt ihm zwei Flaschen, wovon die eine größer als die andere ist.) die sollen mir trefflich schmecken!
 
 
Osmin
 
 
(für sich)
 
 
Wenn ich trauen dürfte?
 
 
Pedrillo
 
 
Das ist ein Wein! das ist ein Wein!
 
 
(Er setzt sich nach türkischer Art auf die Erde und trinkt aus der kleinen Flasche.)
 
 
Osmin
 
 
Kost einmal die große Flasche auch.
 
 
Pedrillo
 
 
Denkst wohl gar, ich habe Gift hineingetan? Ha! lass dir keine graue Haare wachsen. Es verlohnte sich der Mühe, dass ich deinetwegen zum Teufel führe. Da sieh, ob ich trinke. (Er trinkt aus der großen Flasche ein wenig.) Nun, hast du noch Bedenken? Traust mir noch nicht? Pfui, Osmin! sollt'st dich schämen – Da nimm! (Er gibt ihm die große Flasche.) Oder willst du die kleine?
 
 
Osmin
 
 
Nein, lass nur, lass nur! Aber wenn du mich verrätst –
 
 
(sieht sich sorgfältig um)
 
 
Pedrillo
 
 
Als wenn wir einander nicht weiter brauchten. Immer frisch! Mahomet liegt längst auf'm Ohr und hat nötiger zu tun, als sich um deine Flasche Wein zu bekümmern.
 
 
Duett
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Vivat Bacchus!
 
 
Bacchus lebe!
 
 
Bacchus war ein braver Mann!
 
 
Osmin
 
     
 
    Ob ich's wage?
 
 
Ob ich trinke?
 
 
Ob's wohl Allah sehen kann?
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Was hilft das Zaudern?
 
 
Hinunter, hinunter!
 
 
Nicht lange, nicht lange gefragt!
 
 
Osmin
 
     
 
    Nun war's geschehen,
 
 
nun war's hinunter;
 
 
das heiß ich, das heiß ich gewagt!
 
 
Beide
 
     
 
    Es leben die Mädchen,
 
 
die Blonden, die Braunen,
 
 
sie leben hoch!
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Das schmeckt trefflich!
 
 
Osmin
 
 
Das schmeckt herrlich!
 
 
Beide
 
 
Ah! das heiß ich Göttertrank!
 
     
 
    Vivat Bacchus,
 
 
Bacchus lebe,
 
 
Bacchus, der den Wein erfand!
 
 
Pedrillo
 
 
Wahrhaftig, das muss ich gestehen, es geht doch nichts über den Wein! Wein ist mir lieber als Geld und Mädchen. Bin ich verdrüßlich, mürrisch, launisch: Hurtig nehm ich meine Zuflucht zur Flasche; und kaum seh ich den ersten Boden, weg ist all mein Verdruss! – Meine Flasche macht mir kein schiefes Gesicht wie mein Mädchen, wenn ihr der Kopf nicht auf dem rechten Flecke steht. Und schwatzt mir von Süßigkeit der Liebe und des Ehestands, was ihr wollt: Wein auf der Zunge geht über alles!
 
 
(Osmin fängt bereits an, die Wirkung des Weins und des Schlaftrunks zu spüren, und wird bis zu Ende des Auftritts immer schläfriger und träger; doch darf's der Schauspieler nicht übertreiben und muss nur immer halb träumend und schlaftrunken bleiben.)
 
 
Osmin
 
 
Das ist wahr – Wein – Wein – ist ein schönes Getränke; und unser großer – Prophet mag mir's nicht übel nehmen – – Gift und Dolch! es ist doch eine hübsche Sache um den Wein! – Nicht – – Bruder Pedrillo?
 
 
Pedrillo
 
 
Richtig, Bruder Osmin, richtig!
 
 
Osmin
 
 
Man wird gleich so – munter (Er nickt zuweilen.) so vergnügt – so aufgeräumt – – Hast du nichts mehr, Bruder?
 
 
(Er langt auf eine lächerliche Art nach einer zwoten Flasche, die Pedrillo ihm reicht.)
 
 
Pedrillo
 
 
Hör du, Alter: Trink mir nicht zu viel; es kommt einem im Kopf.
 
 
Osmin
 
 
Trag doch keine – Sorge, ich bin ja – so – nüchtern wie möglich – Aber das ist wahr – (Er fängt an, auf die Erde hin und her zu wanken.) es schmeckt – – vortrefflich! –
 
 
Pedrillo
 
 
(für sich)
 
 
Es wirkt, Alter; es wirkt!
 
 
Osmin
 
 
Aber verraten musst du mich nicht – Brüderchen – verraten – denn – wenn's Mahomet – – nein, nein – der Bassa wüsste – – denn siehst du – – – liebes Blondchen – – ja oder nein! – –
 
 
Pedrillo
 
 
(für sich)
 
 
Nun wird's Zeit, ihn fortzuschaffen! (laut) Nun komm, Alter, komm, wir wollen schlafen gehn!
 
 
(Er hebt ihn auf.)
 
 
Osmin
 
 
Schlafen? – Schämst du dich nicht? – – Gift und Dolch! Wer wird denn so schläfrig sein – es ist ja kaum Morgen –
 
 
Pedrillo
 
 
Hoho, die Sonne ist schon hinunter! – Komm, komm, dass uns der Bassa nicht überrascht!
 
 
Osmin
 
 
(im Abführen)
 
 
Ja, ja – – eine Flasche – guter – Bassa – geht über – – alles! – Gute Nacht – – Brüderchen – gute Nacht. –
 
 
(Pedrillo führt ihn hinein, kommt aber gleich wieder zurück.)
 
 
Sechster Auftritt
 
 
Pedrillo, hernach Belmonte, Konstanze, Blonde.
 
 
Pedrillo
 
 
(macht's Osmin nach)
 
 
Gute Nacht – Brüderchen – gute Nacht! Hahahaha, alter Eisenfresser! erwischt man dich so? Gift und Dolch! – Du hast deine Ladung! Nur fürcht ich, ist's noch zu zeitig am Tage; bis Mitternacht sind noch drei Stunden, und da könnt er leicht wieder ausgeschlafen haben. – – Ach! kommen Sie, kommen Sie, liebster Herr! Unser Argus ist blind; ich hab ihn tüchtig zugedeckt.
 
 
Belmonte
 
 
O dass wir glücklich wären! – Aber sag: Ist Konstanze noch nicht hier?
 
 
Pedrillo
 
 
Eben kommt sie da den Gang herauf. Reden Sie alles mit ihr ab; aber fassen Sie sich kurz, denn der Verräter schläft nicht immer.
 
 
(Während der Unterredung des Belmonte mit Konstanzen unterhält sich Pedrillo mit Blonden, der er durch Pantomime den ganzen Auftritt mit dem Osmin vormacht und jenen nachahmt; zuletzt unterrichtet er sie ebenfalls, dass er um Mitternacht mit einer Leiter unter ihr Fenster kommen wolle, um sie zu entführen.)
 
 
Konstanze, Belmonte (einander im Arm).
 
 
 
 
Konstanze
 
 
O mein Belmonte!
 
 
Belmonte
 
 
O Konstanze!
 
 
 
 
Konstanze
 
 
Ist's möglich? – Nach so viel Tagen der Angst, nach so viel ausgestandenen Leiden dich wieder in meinen Armen –
 
 
Belmonte
 
 
Oh, dieser Augenblick versüßt allen Kummer, macht mich all meinen Schmerz vergessen –
 
 
Konstanze
 
 
Hier will ich an deinem Busen liegen und weinen! – Ach, jetzt fühl ich's: Die Freude hat auch ihre Tränen!
 
 
Belmonte
 
 
Lass mich sie hinwegküssen, diese Tränen; o dass es die letzten wären! – Aber, Konstanze, ist's wahr? Du bist die Geliebte des Bassa? –
 
 
Konstanze
 
 
Wie, Belmonte? Konntest du glauben, dass deine Konstanze jemals untreu werden könnte? Traust du einem Mädchen nicht mehr Treue und Standhaftigkeit zu? – Wie viel Nächte hab ich schlaflos auf meinem Lager durchwacht, wie viel Seufzer für dich zum Himmel geschickt – Ha! rief ich aus: Gütiger Himmel! erhalte nur meinen Belmonte; und ich will gern alles erdulden, ihm dies Herz so treu wiederzubringen, als es bei unserer Trennung war.
 
 
Belmonte
 
 
O verzeih, Konstanze, verzeih dem misstrauischen Liebhaber. Du weißt ja: Unglück macht misstrauisch. Mit diesem Kuss empfange meine Gelübde aufs Neue, ewig, ewig der Deinige zu sein! – – Und nun zu unserm Vorhaben: Ich hab hier ein Schiff in Bereitschaft; um Mitternacht, wenn alles schläft, komm ich an dein Fenster; und dann sei die Liebe unser Schutzengel!
 
 
Konstanze
 
 
Mit tausend Freuden! Was wollt ich nicht mit dir wagen? Ich erwarte dich –
 
 
Pedrillo
 
 
Also, liebes Blondchen, pass ja hübsch auf, hörst du's?
 
 
Blonde
 
 
Sorge für mich nicht. Das wär das erste Abenteuer, das ein Mädchen verschlafen hätte.
 
 
Pedrillo
 
 
Du wirst's schon merken, wenn du so was Gesungenes hörst, wie's so meine Art des Abends immer ist; dann pass auf, und dann mit einem Sprung ins Schiff! – Nur hübsch Mut gefasst und nicht verzagt: Wer alles zu verlieren hat, muss alles wagen!
 
     
 
    Mit Pauken und Trompeten
 
 
und Tapferkeit und Stärke
 
 
gehn Helden rasch zu Werke
 
 
und tragen Sieg davon.
 
 
Blonde
 
     
 
    Auch schwacher Mädchen Herzen
 
 
kann Heldenmut beleben;
 
 
trotz Zagen, Angst und Beben
 
 
ist endlich Sieg ihr Lohn.
 
 
Belmonte
 
     
 
    Für dich, mein teures Leben,
 
 
sollt ich nicht alles wagen?
 
 
Selbst Fesseln für dich tragen,
 
 
wär schon ein süßer Lohn.
 
 
Konstanze
 
     
 
    Was acht ich die Gefahren!
 
 
In dir nur find ich Freuden.
 
 
Den Tod für dich zu leiden,
 
 
wär für mich süßer Lohn.
 
 
Alle zugleich
 
     
 
    Wie bebt das Herz vor Freuden!
 
 
Ha! mit der Liebe Flügeln
 
 
eil ich durch Meer und Fluten,
 
 
Geliebte|Geliebter schon davon.