Sechster Auftritt
 
 
Der Bassa Selim und Konstanze kommen in einem Lustschiffe angefahren, vor welchem ein anderes Schiff mit Janitscharenmusik voraus landet. Die Janitscharen stellen sich am Ufer in Ordnung, stimmen folgendes Chor an und entfernen sich dann.
 
 
Chor
 
     
 
    Singt dem großen Bassa Lieder,
 
 
töne, feuriger Gesang;
 
 
und vom Ufer halle wieder
 
 
unsrer Lieder Jubelklang!
 
 
Eine oder zwo Stimmen
 
 
1.
 
     
 
    Weht ihm entgegen,
 
 
kühlende Winde,
 
 
ebne dich sanfter,
 
 
wallende Flut!
 
 
2.
 
     
 
    Singt ihm entgegen,
 
 
fliegende Chöre,
 
 
singt ihm der Liebe
 
 
Freuden ins Herz!
 
 
Chor
 
     
 
    Singt dem großen Bassa Lieder,
 
 
töne, feuriger Gesang;
 
 
und vom Ufer halle wieder
 
 
unsrer Lieder Jubelklang!
 
 
(Janitscharen ab)
 
 
Siebenter Auftritt
 
 
Selim, Konstanze.
 
 
Selim
 
 
Immer noch traurig, geliebte Konstanze? immer in Tränen? – Sieh, dieser schöne Abend, diese reizende Gegend, diese bezaubernde Musik, meine zärtliche Liebe für dich – Sag, kann nichts von allem dich endlich beruhigen, endlich dein Herz rühren? – Sieh, ich könnte befehlen, könnte grausam mit dir verfahren, dich zwingen –
 
 
(Konstanze seufzt.)
 
 
Selim
 
 
Aber nein, Konstanze, dir selbst will ich dein Herz zu danken haben – dir selbst –
 
 
Konstanze
 
 
Großmütiger Mann! o dass ich es könnte! dass ich's erwidern könnte – aber –
 
 
Selim
 
 
Sag, Konstanze, sag, was hält dich zurück?
 
 
Konstanze
 
 
Du wirst mich hassen.
 
 
Selim
 
 
Nein, ich schwöre dir's. Du weißt, wie sehr ich dich liebe, wie viel Freiheit ich dir vor allen meinen Weibern gestatte; dich wie meine Einzige schätze –
 
 
Konstanze
 
 
O so verzeih!
 
     
 
    Ach, ich liebte,
 
 
war so glücklich,
 
 
kannte nicht der Liebe Schmerz!
 
 
Schwur ihm Treue,
 
 
dem Geliebten,
 
 
gab dahin mein ganzes Herz:
 
     
 
    Doch im Hui schwand meine Freude,
 
 
Trennung war mein banges Los;
 
 
und nun schwimmt mein Aug in Tränen,
 
 
Kummer ruht in meinem Schoß.
 
 
(Während des Gesanges geht der Bassa unwillig hin und her.)
 
 
Konstanze
 
 
Ach, ich sagt es wohl, du würdest mich hassen. Aber verzeih, verzeih dem liebekranken Mädchen! – Du bist ja so großmütig, so gut. – Ich will dir dienen, deine Sklavin sein, bis ans Ende meines Lebens: Nur verlange nicht ein Herz von mir, das auf ewig versagt ist. –
 
 
Selim
 
 
Ha, Undankbare! was wagst du zu bitten?
 
 
Konstanze
 
 
Töte mich, Selim, töte mich! Nur zwinge mich nicht, meineidig zu werden. – Noch zuletzt, wie mich der Seeräuber aus den Armen meines Geliebten riss, schwur ich aufs Feierlichste –
 
 
Selim
 
 
Halt ein! nicht ein Wort! Reize meinen Zorn nicht noch mehr. Bedenke, dass du in meiner Gewalt bist –
 
 
Konstanze
 
 
Ich bin es: Aber du wirst dich ihrer nicht bedienen, ich kenne dein gutes, dein mitleidvolles Herz. Hätte ich's sonst wagen können, dir das meinige zu entdecken? –
 
 
Selim
 
 
Wag es nicht, meine Güte zu missbrauchen –
 
 
Konstanze
 
 
Nur Aufschub gönne mir, Herr! nur Zeit, meinen Schmerz zu vergessen –
 
 
Selim
 
 
Wie oft schon gewährt ich dir diese Bitte –
 
 
Konstanze
 
 
Nur noch diesmal!
 
 
Selim
 
 
Es sei! zum letzten Male! – Geh, Konstanze, geh! Besinne dich eines Bessern, und morgen –
 
 
Konstanze
 
 
(im Abgehn)
 
 
Unglückliches Mädchen! O Belmonte, Belmonte!
 
 
Achter Auftritt
 
 
Selim, Pedrillo, Belmonte.
 
 
Selim
 
 
Ihr Schmerz, ihre Tränen, ihre Standhaftigkeit bezaubern mein Herz immer mehr, machen mir ihre Liebe nur noch wünschenswerter. Ha! wer wollte gegen ein solches Herz Gewalt brauchen? – Nein, Konstanze, nein, auch Selim hat ein Herz; auch Selim kennt Liebe –
 
 
Pedrillo
 
 
Herr! verzeih, dass ich es wage, dich in deinen Betrachtungen zu stören –
 
 
Selim
 
 
Was willst du, Pedrillo?
 
 
Pedrillo
 
 
Dieser junge Mann, der sich in Italien mit vielem Fleiß auf die Baukunst gelegt, hat von deiner Macht, von deinem Reichtum gehört und kommt her, dir als Baumeister seine Dienste anzubieten.
 
 
Belmonte
 
 
Herr! könnte ich so glücklich sein, durch meine geringen Fähigkeiten deinen Beifall zu verdienen.
 
 
Selim
 
 
Hm! Du gefällst mir. Lass sehen, was du kannst. – (zum Pedrill) Sorge für seinen Unterhalt. Morgen werde ich dich wieder rufen lassen. –
 
 
(Der Bassa geht ab.)
 
 
Neunter Auftritt
 
 
Belmonte, Pedrillo.
 
 
Pedrillo
 
 
Ha! Triumph, Triumph, Herr! der erste Schritt war getan.
 
 
Belmonte
 
 
Ach lass mich zu mir selbst kommen! – Ich habe sie gesehen, hab das gute, treue, beste Mädchen gesehen! – O Konstanze, Konstanze! Was könnt ich für dich tun, was für dich wagen?
 
 
Pedrillo
 
 
Ha! gemach, gemach, bester Herr! Stimmen Sie den Ton ein bisschen herab; Verstellung wird uns weit bessere Dienste leisten. Wir sind nicht in unserm Vaterlande. Hier fragen sie den Henker darnach, ob's einen Kopf mehr oder weniger in der Welt gibt. Bastonade und Strick um Hals sind hier wie ein Morgenbrot.
 
 
Belmonte
 
 
Ach, Pedrillo! wenn du die Liebe kenntest –
 
 
Pedrillo
 
 
Hm! Als wenn's mit unsereinem gar nichts wäre. Ich habe so gut meine zärtlichen Stunden als andere Leute. Und denken Sie denn, dass mir's nicht auch im Bauche grimmt, wenn ich mein Blondchen von so einem alten Spitzbuben, wie der Osmin ist, bewacht sehen muss?
 
 
Belmonte
 
 
O wenn es möglich wäre, sie zu sprechen –
 
 
Pedrillo
 
 
Wir wollen sehen, was zu tun ist. Kommen Sie nur mit mir in Garten: Aber, um alles in der Welt, vorsichtig und fein. Denn hier ist alles Aug und Ohr.
 
 
(Sie wollen in den Palast; Osmin kommt ihnen in der Tür entgegen und hält sie zurück.)
 
 
Zehnter Auftritt
 
 
Die Vorigen, Osmin.
 
 
Osmin
 
 
Wohin?
 
 
Pedrillo
 
 
Hinein!
 
 
Osmin
 
 
(zu Belmonte)
 
 
Was will das Gesicht? – Zurück mit dir, zurück!
 
 
Pedrillo
 
 
Ha, gemach, Meister Grobian, gemach! Er ist in des Bassa Diensten.
 
 
Osmin
 
 
In des Henkers Diensten mag er sein! Er soll nicht herein!
 
 
Pedrillo
 
 
Er soll aber hinein!
 
 
Osmin
 
 
Kommt mir nur einen Schritt über die Schwelle –
 
 
Belmonte
 
 
Unverschämter! Hast du nicht mehr Achtung für einen Mann meines Standes?
 
 
Osmin
 
 
Ei, Ihr mögt mir vom Stande sein! – Fort, fort, oder ich will Euch Beine machen.
 
 
Pedrillo
 
 
Alter Dummkopf! Es ist ja der Baumeister, den der Bassa angenommen hat.
 
 
Osmin
 
 
Meinethalben sei er Stockmeister: Nur komm er mir hier nicht zu nahe. Ich müsste nicht sehen, dass es so ein Kumpan deines Gelichters ist und dass das so eine abgeredte Karte ist, uns zu überlisten. Der Bassa ist weich wie Butter, mit dem könnt ihr machen, was ihr wollt; aber ich habe eine feinere Nase. Gaunerei ist's um den ganzen Kram mit euch fremden Gesindel; und ihr abgefeimten Betrüger habt lange euer Plängen angelegt, eure Pfiffe auszuführen: Aber wart ein bisschen! Osmin schläft nicht. Wär ich Bassa, ihr wärt längst gespießt. – Ja! schneid't nur Gesichter, lacht nur höhnisch in Bart hinein!
 
 
Pedrillo
 
 
Ereifre dich nicht so, Alter; es hilft dir doch nichts. Sieh, soeben werden wir hineinspazieren.
 
 
Osmin
 
 
Ha! das will ich sehen!
 
 
(stellt sich vor die Türe)
 
 
Pedrillo
 
 
Mach keine Umstände. –
 
 
Belmonte
 
 
Weg, Niederträchtiger!
 
 
Terzett
 
 
Osmin
 
     
 
    Marsch! Marsch! Marsch! trollt euch fort!
 
 
Sonst soll die Bastonade
 
 
euch gleich zu Diensten stehn.
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
 
Ei, ei! das wär ja schade,
 
 
so mit uns umzugehn.
 
 
Osmin
 
 
Kommt mir nicht näher.
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
 
Weg von der Türe.
 
 
Osmin
 
 
Sonst schlag ich drein.
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
 
Wir gehn hinein.
 
 
(Sie drängen ihn von der Türe weg.)
 
 
Osmin
 
 
Marsch, fort!
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
 
Platz, fort!
 
 
(zugleich)
 
 
 
 
Osmin
 
 
Ich schlage drein!
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
 
Wir gehn hinein!
 
 
 
 
(Sie stoßen ihn weg und gehn hinein.)