Kritische Edition des vertonten Textes KV 384       Diplomatische Übertragung der autographen Partitur 
Zweiter Auftritt
 
Belmonte, Pedrillo.
 
Pedrillo
 
Ach! – ich muss Atem holen. – Es zieht mir's Herz so eng zusammen, als wenn ich's größte Schelmstück vorhätte. – Ach wo mein Herr auch bleibt! –
 
Belmonte
 
(ruft leise)
 
Pedrillo! Pedrillo!
 
Pedrillo
 
Wie gerufen!
 
Belmonte
 
Ist alles fertig gemacht?
 
Pedrillo
 
Alles! Jetzt will ich ein wenig um den Palast herum spionieren, wie's aussieht. Singen Sie indessen eins. Ich hab das so alle Abende getan; und wenn Sie da auch jemand gewahr wird oder begegnet, denn alle Stunden macht hier eine Janitscharenwache die Runde, so hat's nichts zu bedeuten, sie sind das von mir schon gewohnt; es ist fast besser, als wenn man Sie so stille hier fände.
 
Belmonte
 
Lass mich nur machen und komm bald wieder.
 
(Pedrillo geht ab.)
 
Dritter Auftritt
 
Belmonte allein.
 
Belmonte
 
O Konstanze, Konstanze! wie schlägt mir das Herz! Je näher der Augenblick kommt, desto ängstlicher zagt meine Seele; ich fürchte und wünsche, bebe und hoffe. O Liebe, sei du meine Leiterin!
 
N° 17 Aria
 
17
Belmonte
 
Belmont
    Ich baue ganz auf deine Stärke,
 
    Ich Baue ganz auf deine Stärke,
vertrau, o Liebe! deiner Macht!
 
vertrau, o liebe! deiner Macht!
Denn ach! was wurden nicht für Werke
 
denn ach! was wurden nicht für Werke
schon oft durch dich zustand gebracht!
 
schon oft durch dich zu stadt gebracht
Was aller Welt ohnmöglich scheint,
 
was aller Welt ohnmöglich scheint
wird durch die Liebe doch vereint.
 
wird durch die liebe doch vereint
Vierter Auftritt
 
Belmonte und Pedrillo.
 
Pedrillo
 
Alles liegt auf dem Ohr; es ist alles so ruhig, so stille als den Tag nach der Sündflut.
 
Belmonte
 
Nun, so lass uns sie befreien. Wo ist die Leiter?
 
Pedrillo
 
Nicht so hitzig. Ich muss erst das Signal geben.
 
Belmonte
 
Was hindert dich denn, es nicht zu tun? Mach fort.
 
Pedrillo
 
(sieht nach der Uhr)
 
Eben recht, Schlag zwölfe. Gehen Sie dort an die Ecke, und geben Sie wohl Acht, dass wir nicht überrascht werden.
 
Belmonte
 
Zaudre nur nicht!
 
(geht ab)
 
Pedrillo
 
(indem er seine Mandoline hervorholt)
 
Es ist doch um die Herzhaftigkeit eine erzläppische Sache. Wer keine hat, schafft sich mit aller Mühe keine an! Was mein Herz schlägt! Mein Papa muss ein Erzpoltron gewesen sein. (fängt an zu spielen) Nun, so sei es denn gewagt!
 
(singt und akkompagniert sich)
 
N° 18 Romance
 
18. //Romance//
Pedrillo
 
Pedrillo.
N° 1
 
N:° 1
    In Mohrenland gefangen war
 
    In Mohrenland gefangen war
ein Mädel hübsch und fein;
 
ein Mädel hübsch und fein;
sah rot und weiß, war schwarz von Haar,
 
sah roth und weis, war schwarz von Haar
seufzt' Tag und Nacht und weinte gar;
 
seufzt tag und Nacht und weinte gar
wollt gern erlöset sein.
 
wollt' gern erlöset seÿn
N° 2
 
    N:° 2
    Da kam aus fernem Land daher
 
    da kamm aus fernen land daher
ein junger Rittersmann;
 
ein Junger Ritters=Mann;
den jammerte das Mädchen sehr;
 
den Jammerte das mädchen sehr;
"Jach", rief er, "wag ich Kopf und Ehr,
 
Jach rief er, wag ich kopf und Ehr
wenn ich sie retten kann."
 
wenn ich sie retten kann.
Pedrillo
 
Noch geht alles gut, es rührt sich noch nichts.
 
Belmonte
 
(kommt hervor)
 
Mach ein Ende, Pedrillo.
 
Pedrillo
 
An mir liegt es nicht, dass sie sich noch nicht zeigen. Entweder schlafen sie fester als jemals, oder der Bassa ist bei der Hand. Wir wollen's weiter versuchen. Bleiben Sie nur auf Ihrem Posten.
 
(Belmonte geht wieder fort.)
 
Pedrillo
 
Pedrillo.
N° 3
 
N:° 3
    "Ich komm zu dir in finstrer Nacht,
 
    Ich komm zudir in finstrer Nacht,
lass, Liebchen, husch mich ein!
 
laß liebchen husch mich ein!
Ich fürchte weder Schloss noch Wacht;
 
ich fürchte weder schloß noch Wacht;
holla! horch auf! um Mitternacht
 
holla horch auf um Mitter=Nacht
sollst du erlöset sein."
 
sollst du erlöset seÿn
N° 4
 
N:° 4
    Gesagt, getan; Glock zwölfe stand
 
    gesagt gethan; glock zwölfe stand
der tapfre Ritter da;
 
der Tapfre Ritter da;
sanft reicht sie ihm die weiche Hand;
 
sanft reicht sie ihm die weiche hand;
früh man die leere Zelle fand;
 
früh man die leere Zelle fand;
fort war sie, hopsasa!
 
fort war sie, hopsasa!
(Pedrillo hustet einige Mal, Konstanze öffnet das Fenster.)
 
Pedrillo
 
Sie macht auf, Herr! Sie macht auf.
 
Belmonte
 
Ich komme, ich komme!
 
Konstanze
 
(oben am Fenster)
 
Belmonte!
 
Belmonte
 
Konstanze! hier bin ich! Hurtig die Leiter!
 
(Pedrillo stellt die Leiter an Konstanzens Fenster, Belmonte steigt hinein; Pedrillo hält die Leiter.)
 
Pedrillo
 
Was das für ein abscheuliches Spektakel macht. (hält die Hand aufs Herz) Es wird immer ärger, weil es nun ernst wird. Wenn sie mich hier erwischten, wie schön würden sie mit mir abtrollen zum Kopfabschlagen, zum Spießen oder zum Hängen. Je nu! der Anfang ist einmal gemacht, itzt ist's nicht mehr aufzuhalten, es geht nun schon einmal aufs Leben oder auf den Tod los.
 
(Belmonte kommt mit Konstanzen unten zur Türe heraus.)
 
Belmonte
 
Nun, holder Engel! nun hab ich dich wieder, ganz wieder; nichts soll uns mehr trennen.
 
Konstanze
 
Wie ängstlich schlägt mein Herz! Kaum bin ich imstande, mich aufrecht zu halten; wenn wir nur glücklich entkommen.
 
Pedrillo
 
Nur fort! nicht geplaudert! Sonst könnt es freilich schiefgehen, wenn wir da lange Rat halten und seufzen. (stößt Belmonten und Konstanzen fort) Nur frisch nach dem Strande zu! Ich komme gleich nach.
 
(Belmonte und Konstanze ab)
 
Nun, Cupido, du mächtiger Herzensdieb, halte mir die Leiter und hülle mich samt meiner Gerätschaft in einen dicken Nebel ein! (Er hat unter der Zeit die Leiter an Blondens Fenster gelegt und ist hinaufgestiegen.) Blondchen, Blondchen! mach auf ums Himmels Willen, zaudre nicht! Es ist um Hals und Kragen zu tun.
 
(Es wird das Fenster geöffnet, er steigt hinein.)
 
Fünfter Auftritt
 
Osmin und ein schwarzer Stummer öffnen die Türe von Osmins Hause, wo Pedrillo hineingestiegen ist. Osmin noch halb schlaftrunken hat eine Laterne. Der Stumme gibt Osmin durch Zeichen zu verstehen, dass es nicht richtig sei, dass er Leute gehört habe usw.
 
Osmin
 
Lärmen hörtest du? Was kann's denn geben? Vielleicht Schwärmer? Geh, spioniere, bringe mir Antwort.
 
(Der Stumme lauscht ein wenig herum; endlich wird er die Leiter an Osmins Fenster gewahr, erschrickt und zeigt sie Osmin, der wie im Taumel mit der Laterne in der Hand an seine Haustüre gelehnt steht und nickt.)
 
Osmin
 
Gift und Dolch! Was ist das? Wer kann ins Haus steigen? Das sind Diebe oder Mörder.
 
(Er tummelt sich herum; weil er aber noch halb schlaftrunken ist, stößt er sich hier und da etc.)
 
Hurtig, hole die Wache! Ich will unterdessen lauren.
 
(Der Stumme ab; Osmin setzt sich auf die Leiter mit der Laterne in der Hand und nickt ein. Pedrillo kömmt rückwärts wieder zum Fenster herausgestiegen und will die Leiter wieder herunter. Blonde oben am Fenster wird Osmin gewahr und ruft Pedrillo zu.)
 
Blonde
 
O Himmel, Pedrillo! wir sind verloren.
 
Pedrillo
 
(sieht sich um, und so wie er Osmin gewahr wird, stutzt er, besieht ihn und steigt wieder zum Fenster hinein)
 
Ah! welcher Teufel hat sich wider uns verschworen.
 
Osmin
 
(auf der Leiter dem Pedrillo nach, ruft)
 
Blondchen! Blondchen!
 
Pedrillo
 
(im Hineinsteigen zu BlondchenBlonde)
 
Zurück, nur zurück!
 
Osmin
 
(steigt wieder zurück)
 
Wart, Spitzbube, du sollst mir nicht entkommen. Hilfe! Hilfe! Wache, hurtig, hier gibt's Räuber! Herbei, herbei!
 
(Pedrillo kommt mit Blonden unten zur Haustüre heraus, sieht schüchtern nach der Leiter und schleicht sich dann mit Blonden darunter weg.)
 
Blonde, Pedrillo
 
(im Abgehen)
 
O Himmel steh uns bei! sonst sind wir verloren.
 
Osmin
 
Zu Hilfe! zu Hilfe! geschwind!
 
(Er will nach.)
 
Wache
 
(mit Fackeln, halten Osmin auf)
 
Halt, halt! Wohin?
 
Osmin
 
Dorthin, dorthin.
 
Wache
 
Wer bist du?
 
Osmin
 
Nur nicht lange gefragt, sonst entkommen die Spitzbuben. Seht ihr denn nicht? Hier ist noch die Leiter.
 
Wache
 
Das sehn wir. Kannst nicht du sie angelegt haben?
 
Osmin
 
Gift und Dolch! Kennt ihr mich denn nicht? Ich bin Oberaufseher der Gärten beim Bassa. Wenn ihr noch lange fragt, so hilft euer Kommen nichts.
 
(Ein Teil der Wache bringt Pedrillo und Blonden zurück.)
 
Osmin
 
Ah endlich! Gift und Dolch! Seh ich recht! Ihr beide? Warte, spitzbübischer Pedrillo, dein Kopf soll am längsten fest gestanden sein.
 
Pedrillo
 
Brüderchen, Brüderchen! wirst doch Spaß verstehen? Ich wollt dir dein Weibchen nur ein wenig spazieren führen, weil du heute dazu nicht aufgelegt bist. Du weißt schon, (heimlich zu Osmin) wegen des Zyperweins.
 
Osmin
 
Schurke, glaubst du, mich zu betäuben? Hier verstehe ich keinen Spaß; dein Kopf muss herunter, so wahr ich ein Muselmann bin.
 
Pedrillo
 
Und hast du einen Nutzen dabei? Wenn ich meinen Kopf verliere, sitzt deiner um so viel fester?
 
(Ein anderer Teil der Wache, auch mit Fackeln, bringen Belmonte und Konstanze.)
 
Belmonte
 
(widersetzt sich noch)
 
Schändliche, lasst mich los!
 
Wache
 
Sachte, junger Herr! sachte! Uns entkömmt man nicht so geschwinde.
 
Osmin
 
Sieh da! die Gesellschaft wird immer stärker. Hat der Herr Baumeister auch wollen spazieren gehen? O ihr Spitzbuben! Hatte ich heute nicht recht, (zu Belmonte) dass ich dich nicht ins Haus lassen wollte? Nun wird der Bassa sehen, was für sauberes Gelichter er um sich hat.
 
Belmonte
 
Das beiseite! Lass hören, ob mit euch ein vernünftig Wort zu sprechen ist? Hier ist ein Beutel mit Zechinen, er ist euer, und noch zweimal so viel; lasst mich los.
 
Konstanze
 
Lasst euch bewegen!
 
Osmin
 
Ich glaube, ihr seid besessen? Euer Geld brauchen wir nicht, das bekommen wir ohnehin: Eure Köpfe wollen wir. (zur Wache) Schleppt sie fort zum Bassa!
 
Konstanze, Belmonte
 
Habt doch Erbarmen! Lasst euch bewegen!
 
Osmin
 
Um nichts in der Welt! Ich habe mir längst so einen Augenblick gewünschet. Fort, fort!
 
(Die Wache führt Belmont und Konstanzen fort samt Pedrillo und Blonden.)
 
N° 19 Aria
 
19.
Osmin allein.
 
Osmin
 
Osmin:
    Oh, wie will ich triumphieren!
 
    Oh, wie will ich triumphiren
wenn sie euch zum Richtplatz führen
 
wenn sie euch zum Richtplatz führen
und die Hälse schnüren zu;
 
und die hälse schnirren zu;
hüpfen will ich, lachen, springen
 
Hüpfen will ich, lachen, springen
und ein Freudenliedchen singen,
 
und ein freuden=liedchen Singen
denn nun hab ich vor euch Ruh.
 
denn nun hab ich vor euch ruh.
    Schleicht nur säuberlich und leise,
 
schleicht nur säuberlich und leise
ihr verdammten Haramsmäuse„Haram“ ist das persische Äquivalent zum türkischen „Harem“ im Sinne von „Serail“. Vgl. u. a. Karl Steuerwald, Türkisch-Deutsches Wörterbuch, Wiesbaden 2010, S. 365 und 367; Heinrich F. J. Junker und Buzurg Alawi, Persisch-Deutsch: Wörterbuch, Wiesbaden 2002, S. 246; Hans Wehr, Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart, 5 Aufl., Wiesbaden 1999, S. 155.

Das Wort „Haram“ ist im Sinne von „Serail“ auch in deutschsprachigen Quellen der Zeit mit Bezug auf Persien belegt. Vgl. u.a. Thomas Salomon und Matthias van Goch, Die heutige Historie und Geographie; oder der gegenwärtige Staat vom Königreich Persien, Flensburg und Altona 1739; Wilhelm Friedrich Hezel und Hermann Friedrich Koechel, Biblisches Real-Lexicon über biblische und die Bibel erläuternde alte Geschichte, Erdbeschreibung, Zeitrechnung, Altertümer und morgenländische Gebräuche, Naturlehre, Naturgeschichte, Religionsgeschichte, Isagogik, Onomatologie der in der Bibel vorkommenden interessantesten Personen etc., Bd. 2, Leipzig 1784, S. 94 (Art. „Frauenzimmer“); Barthélemy d'Herbelot de Molainville, Orientalische Bibliothek oder Universalwörterbuch, welches alles enthält, was zur Kenntnis des Orients nothwendig ist, Bd. 4, Halle: Gebauer 1790, S. 570.
,
 
ihr verdammten Harams=Mäuse
unser Ohr entdeckt euch schon;
 
unser ohr entdeckt euch schon
und eh ihr uns könnt entspringen,
 
und eh ihr uns könnt entspringen
seht ihr euch in unsern Schlingen
 
seht ihr euch in unsern schlingen
und erhaschet euren Lohn.
 
und erhaschet euren lohn
(geht ab)
 


Zimmer des Bassa.
 
Sechster Auftritt
 
Selim mit Gefolge, hernach Osmin, Belmonte, Konstanze und Wache.
 
Selim
 
(zu einem Offiziere)
 
Geht, unterrichtet euch, was der Lärm im Palast bedeutet; er hat uns im Schlaf aufgeschreckt, und lasst mir Osmin kommen.
 
(Der Offizier will abgehen, indem kommt Osmin zwar hastig, doch noch ein wenig schläfrig.)
 
Osmin
 
Herr! – Verzeih, dass ich es so früh wage – deine Ruhe zu stören.
 
Selim
 
Was gibt's, Osmin, was gibt's? Was bedeutet der Aufruhr?
 
Osmin
 
Herr, es ist die schändlichste Verräterei in deinem Palast –
 
Selim
 
Verräterei?
 
Osmin
 
Die niederträchtigen Christensklaven entführen uns – die Weiber. Der große Baumeister, den du gestern auf Zureden des Verräters Pedrillo aufnahmst, hat deine – schöne Konstanze entführt.
 
Selim
 
Konstanze? entführt? Ah, setzt ihnen nach!
 
Osmin
 
O 's ist schon dafür gesorgt! Meiner Wachsamkeit – hast du es zu danken, dass ich sie wieder beim Schopfe gekriegt habe. Auch mir selbst hatte der – spitzbübische Pedrillo eine gleiche Ehre zugedacht, und er hatte mein Blondchen schon beim Kopfe, um mit ihr – in alle Welt zu reisen. – Aber, Gift und Dolch! er soll mir's entgelten! – Sieh, da bringen sie sie!
 
(Belmonte und Konstanze werden von der Wache hereingeführt.)
 
Selim
 
Ah, Verräter! ist's möglich? – Ha, du heuchlerische Sirene! War das der Aufschub, den du begehrtest? Missbrauchtest du so die Nachsicht, die ich dir gab, um mich zu hintergehen?
 
Konstanze
 
Ich bin strafbar in deinen Augen, Herr, es ist wahr. Aber es ist mein Geliebter, mein einziger Geliebter, dem lang schon dieses Herz gehört. O nur für ihn, nur um seinetwillen fleht ich Aufschub. – O lass mich sterben! Gern, gern will ich den Tod erdulden: Aber schone nur sein Leben –
 
Selim
 
Und du wagst's, Unverschämte, für ihn zu bitten?
 
Konstanze
 
Noch mehr: für ihn zu sterben!
 
Belmonte
 
Ha, Bassa! Noch nie erniedrigte ich mich zu bitten, noch nie hat dieses Knie sich vor einem Menschen gebeugt: Aber sieh, hier lieg ich zu deinen Füßen und flehe dein Mitleid an. Ich bin von einer großen spanischen Familie, man wird alles für mich zahlen. Lass dich bewegen, bestimme ein Lösegeld für mich und Konstanze so hoch du willst. Mein Name ist Lostados.
 
Selim
 
(staunend)
 
Was hör ich! Der Kommendant von Oran, ist dir der bekannt?
 
Belmonte
 
Das ist mein Vater.
 
Selim
 
Dein Vater? Welcher glückliche Tag! den Sohn meines ärgsten Feindes in meiner Macht zu haben! Kann was Angenehmers sein! Wisse, Elender! dein Vater, dieser Barbar, ist schuld, dass ich mein Vaterland verlassen musste. Sein unbiegsamer Geiz entriss mir eine Geliebte, die ich höher als mein Leben schätzte. Er brachte mich um Ehrenstellen, Vermögen, um alles. Kurz, er zernichtete mein ganzes Glück. Und dieses Mannes einzigen Sohn habe ich nun in meiner Gewalt! Sage er: An meiner Stelle, was würde er tun?
 
Belmonte
 
(ganz niedergedrückt)
 
Mein Schicksal würde zu beklagen sein.
 
Selim
 
Das soll es auch sein. Wie er mit mir verfahren ist, will ich mit dir verfahren. Folge mir, Osmin, ich will dir Befehle zu ihren Martern geben. (zu der Wache) Bewacht sie hier.
 
Siebenter Auftritt
 
Belmonte und Konstanze.
 
N° 20 Recitativo e Duetto
 
20
Recitativo
 
//Recitativo://
Belmonte
 
Belmont
Welch ein Geschick! o Qual der Seele!
 
Welch ein Geschick! o qual der Seele!
Hat sich denn alles wider mich verschworen!
 
hat sich denn alles wieder mich verschworen!
Ach! Konstanze! durch mich bist du verloren!
 
ach! konstanze! durch mich bist du verlohren!
Welch eine Pein!
 
Welch' eine Pein!
Konstanze
 
konstanze
Lass, ach Geliebter! lass dich das nicht quälen!
 
laß, ach geliebter! laß dich das nicht quälen
Was ist der Tod? – Ein Übergang zur Ruh!
 
was ist der Tod? – ein übergang zur ruh!
Und dann, an deiner Seite,
 
und dann an deiner Seite
ist er Vorgeschmack der Seligkeit!
 
ist er vorgeschmack der Seeligkeit!
Belmonte
 
Belmont
Engelsseele,
 
Engels Seele
welch holde Güte!
 
Welch holde güte!
Du flößest Trost in mein erschüttert Herz.
 
du flössest trost in mein erschüttert herz.
Du linderst mir den Todesschmerz.
 
du linderst mir den todesschmerz.
Und ach! ich reiße dich ins Grab!
 
und ach! ich reisse dich ins grab!
Duetto
 
//Duetto//
Belmonte
 
Bellmont.
    Meinetwegen sollst du sterben!
 
Meinetwegen sollst du sterben!
Ach Konstanze! kann ich's wagen,
 
ach konstanze! kann ichs wagen
noch die Augen aufzuschlagen?
 
noch die augen aufzuschlagen?
Ich bereite dir den Tod!
 
ich bereite dir den tod!
Konstanze
 
konstanze
    Belmont! du stirbst meinetwegen!
 
belmont! du stirbst meinetwegen!
Ich nur zog dich ins Verderben,
 
ich nur zog dich ins verderben,
und ich soll nicht mit dir sterben!Schreibvariante in den Textwiederholungen:
und ich soll nicht mit dir sterben?
 
und ich soll nicht mit dir sterben!
Wonne ist mir dies Gebot!
 
Wonne ist mir dies geboth!
Beide
 
konstanze/Bellmont.
    Edle Seele! dir zu leben,
 
Edle Seele! dir zu leben
war mein Wunsch und all mein Streben!
 
war mein Wunsch und all mein streben
Ohne dich ist mir's nur Pein,
 
ohne dich ist mir's nur Pein
länger auf der Welt zu sein.
 
länger auf der Welt zu seÿn
Belmonte
 
Bellmont.
    Ich will alles gerne leiden,
 
Ich will alles gerne leiden,
Konstanze
 
konstanze
Ruhig sterb ich und mit Freuden,
 
ruhig sterb' ich, und mit freuden,
Beide
 
konstanze/Bellmont.
weil ich dir zur Seite bin.
 
weil ich dir zur Seite bin
Belmonte
 
Bellmont.
Um dich, Geliebte,
 
um dich geliebte,
Konstanze
 
konstanze
Um dich, Geliebter,
 
um dich geliebter,
Beide
 
konstanze/Bellmont.
geb ich gern mein Leben hin.
 
geb' ich gern mein leben hin
Beide
 
konstanze/Bellmont.
    O welche Seligkeit!
 
O welche Seeligkeit!
Mit dem|der Geliebten sterben,
 
mit dem|der geliebten sterben
ist seliges Entzücken!
 
ist Seeliges Entzücken!
Mit wonnevollen Blicken
 
mit Wonnevollen blicken
verlässt man da die Welt.
 
verläst man da die Welt.
Achter Auftritt
 
Pedrillo und Blonde werden von einem andern Teil der Wache hereingeführt, und die Vorigen.
 
Pedrillo
 
Ach Herr! wir sind hin! An Rettung ist nicht mehr zu denken. Man macht schon alle Zubereitungen, um uns aus der Welt zu schaffen. Es ist erschrecklich, was sie mit uns anfangen wollen! Ich, wie ich im Vorbeigehen gehört habe, soll in Öl gesotten und dann gespießt werden. Das ist ein sauber Traktament! Ach! Blondchen! Blondchen! was werden sie wohl mit dir anfangen?
 
Blonde
 
Das gilt mir nun ganz gleich. Da es einmal gestorben sein muss, ist mir alles recht.
 
Pedrillo
 
Welche Standhaftigkeit! Ich bin doch von gutem altchristlichen Geschlecht aus Spanien, aber so gleichgültig kann ich beim Tode nicht sein! – – Weiß der Teufel… Gott sei bei mir! Wie kann mir auch itzt der Teufel auf die Zunge kommen?
 
Letzter Auftritt
 
Die Vorigen, Bassa Selim, Osmin (voll Freuden) und Gefolge.
 
Selim
 
Nun, Sklave! elender Sklave! zitterst du? Erwartest du dein Urteil?
 
Belmonte
 
Ja, Bassa, mit so vieler Kaltblütigkeit als Hitze du es aussprechen kannst. Kühle deine Rache an mir, tilge das Unrecht, so mein Vater dir angetan; – – ich erwarte alles und tadle dich nicht.
 
Selim
 
Es muss also wohl deinem Geschlechte ganz eigen sein, Ungerechtigkeiten zu begehen, weil du das für so ausgemacht annimmst? Du betrügst dich. Ich habe deinen Vater viel zu sehr verabscheut, als dass ich je in seine Fußtapfen treten könnte. Nimm deine Freiheit, nimm Konstanzen, segle in dein Vaterland, sage deinem Vater, dass du in meiner Gewalt warst, dass ich dich freigelassen, um ihm sagen zu können, es wäre ein weit größer Vergnügen, eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohltaten zu vergelten, als Laster mit Lastern tilgen.
 
Belmonte
 
Herr!… du setzest mich in Erstaunen…
 
Selim
 
(ihn verächtlich ansehend)
 
Das glaub ich. Zieh damit hin und werde du wenigstens menschlicher als dein Vater, so ist meine Handlung belohnt.
 
Konstanze
 
Herr! vergib! Ich schätzte bisher deine edle Seele, aber nun bewundre ich…
 
Selim
 
Still! Ich wünsche für die Falschheit, so Sie an mir begangen, dass Sie es nie bereuen möchten, mein Herz ausgeschlagen zu haben.
 
(im Begriff abzugehen)
 
Pedrillo
 
(tritt ihm in Weg und fällt ihm zu Füßen)
 
Herr! dürfen wir beide Unglückliche es auch wagen, um Gnade zu flehen? – – Ich war von Jugend auf ein treuer Diener meines Herrn…
 
Osmin
 
Herr! beim Allah! lass dich ja nicht von dem verwünschten Schmarotzer hintergehn! Keine Gnade! Er hat schon hundertmal den Tod verdient.
 
Selim
 
Er mag ihn also in seinem Vaterlande suchen. (zur Wache) Man begleite alle viere an das Schiff. (gibt Belmonte ein Papier) Hier ist Euer Passport.
 
Osmin
 
Wie! meine Blonde soll er auch mitnehmen?
 
Selim
 
(scherzhaft)
 
Alter! sind dir deine Augen nicht lieb? – Ich sorge besser für dich, als du denkst.
 
Osmin
 
Gift und Dolch! Ich möchte bersten!
 
Selim
 
Beruhige dich. Wen man durch Wohltun nicht für sich gewinnen kann, den muss man sich vom Halse schaffen.
 
N° 21a Vaudeville
 
N: 21 //Vaudeville//
Belmonte
 
belmont
    Nie werd ich deine Huld verkennen,
 
    Nie werd' ich deine Huld verkennen
mein Dank bleibt ewig dir geweiht;
 
mein dank bleibt Ewig dir geweiht;
an jedem Ort, zu jeder Zeit
 
an Jedem ort, zu Jeder zeit
werd ich dich groß und edel nennen.
 
werd' ich dich groß und Edel nennen.
Wer so viel Huld vergessen kann,
 
wer so viel Huld vergessen kann
den seh man mit Verachtung an.
 
den seh' man mit verachtung an.
Konstanze, Blonde, Belmonte, Pedrillo, Osmin
 
konstanze/Blonde/belmont/Pedrillo/Osmin.
    Wer so viel Huld vergessen kann,
 
wer so viel huld vergessen kann
den seh man mit Verachtung an.
 
den seh' man mit verachtung an.
Konstanze
 
konstanze
    Nie werd ich im Genuss der Liebe
 
Nie werd' ich im genuß der liebe
vergessen, was der Dank gebeut;
 
vergessen was der Dank gebeut;
mein Herz, der Liebe nun geweiht,
 
mein herz der liebe nun geweiht
hegt auch dem Dank geweihte Triebe.
 
hegt auch dem dank geweihte Triebe
Wer so viel Huld vergessen kann,
 
wer so viel huld vergessen kann
den seh man mit Verachtung an.
 
den seh' man mit verachtung an.
Konstanze, Blonde, Belmonte, Pedrillo, Osmin
 
konstanze/Blonde/belmont/Pedrillo/Osmin.
    Wer so viel Huld vergessen kann,
 
wer so viel huld vergessen kann,
den seh man mit Verachtung an.
 
den seh' man mit verachtung an.
Pedrillo
 
Pedrillo
    Wenn ich es je vergessen könnte,
 
wenn ich es Je vergessen könnte
wie nah ich am Erdrosseln war
 
wie nah ich am erdrosseln war,
und all der anderen Gefahr;
 
und all der anderen Gefahr;
ich lief', als ob der Kopf mir brennte.
 
ich lief als ob der kopf mir brennte.
Wer so viel Huld vergessen kann,
 
wer so viel huld vergessen kann,
den seh man mit Verachtung an.
 
den seh' man mit verachtung an.
Konstanze, Blonde, Belmonte, Pedrillo, Osmin
 
konstanze/Blonde/belmont/Pedrillo/Osmin.
    Wer so viel Huld vergessen kann,
 
wer so viel huld vergessen kann,
den seh man mit Verachtung an.
 
den seh' man mit verachtung an
Blonde
 
Blonde
    Herr Bassa, ich sag recht mit Freuden
 
Herr Bassa Ich sag recht mit freuden
viel Dank für Kost und Lagerstroh.
 
viel dank für kost und lager Stroh.
Doch bin ich recht von Herzen froh,
 
doch bin ich recht von herzen froh
dass er mich lässt von hinnen scheiden.
 
daß er mich lässt von hinnen scheiden.
(auf Osmin zeigend)
 
(auf osmin zeigend)
Denn seh er nur das Tier dort an,
 
denn seh' er nur das thier dort an,
ob man so was ertragen kann.
 
ob man so was ertragen kann
Osmin
 
Osmin.
    Verbrennen sollte man die Hunde,
 
verbrennen sollte man die hunde
die uns so schändlich hintergehn;
 
die uns so schändlich hintergehn;
es ist nicht länger auszustehn,
 
Es ist nicht länger auszustehn
mir starrt die
 
mir starrt die
Zunge fast im Munde,
 
zunge fast im Munde
um ihren Lohn zu ordnen an:
 
um ihren lohn zu ordnen an:
    Erst geköpft,
 
    Erst geköpft,
dann gehangen,
 
dann gehangen,
dann gespießt
 
dann gespiest,
auf heiße Stangen,
 
auf heisse stangen,
dann verbrannt,
 
dann verbrannt,
dann gebunden
 
dann gebunden,
und getaucht,
 
und getaucht,
zuletzt geschunden.
 
zulezt geschunden;
(lauft wütend ab)
 
(lauft wüthend ab.)
Konstanze, Blonde, Belmonte, Pedrillo
 
konstanze/Blonde/belmont/Pedrillo
    Nichts ist so hässlich als die Rache;
 
Nichts ist so hässlich als die Rache,
hingegen menschlich gütig sein
 
hingegen menschlich gütig seÿn
und ohne Eigennutz verzeihn,
 
und ohne Eigennutz verzeÿhn
ist nur der großen Seelen Sache.
 
ist nur der grossen Seelen Sache
Wer dieses nicht erkennen kann,
 
wer dieses nicht erkennen kann,
den seh man mit Verachtung an.
 
den seh' man mit verachtung an.
N° 21b Chor der Janitscharen
 
Chor der Janitscharen
Chor
 
Chor.
    Bassa Selim lebe lange!
 
Bassa Selim lebe lange!
Ehre sei sein Eigentum!
 
Ehre seÿ sein Eigenthum!
Seine holde Scheitel prange
 
seine holde scheitel Prange
voll vom Jubel, voll von Ruhm.
 
voll vom Jubel voll von Rum
Ende des Singspiels.