Kritische Edition des Librettos       Diplomatische Übertragung des Librettos 
Siebenter Auftritt
 
FSiebenter Auftritt.
Belmonte und Konstanze.
 
Belmonte und Konstanze.
Recitativ
 
Recitativ.
Belmonte
 
Belmonte.
Welch Geschick! o Qual der Seele!
 
Welch Geschick! o Qual der Seele!
Hat sich denn alles wider mich verschworen!
 
Hat sich denn alles wider mich verschworen!
Ach! Konstanze! durch mich bist du verloren!
 
Ach! Konstanze! durch mich bist du verloren!
Welch eine Pein!
 
Welch eine Pein!
Konstanze
 
Konstanze.
Lass, ach Geliebter, lass dich das nicht quälen!
 
Laß, ach Geliebter, laß dich das nicht quälen!
Was ist der Tod? Ein Übergang zur Ruh;
 
Was ist der Tod? ein Uebergang zur Ruh;
und dann, an deiner Seite,
 
Und dann, an deiner Seite
ist er Vorgeschmack der Seligkeit.
 
Ist er Vorgeschmack der Seligkeit.
Belmonte
 
Belmonte.
    Meinetwegen sollst du sterben!
 
Meinetwegen sollst du sterben!
Ach Konstanze! kann ich's wagen,
 
Ach Konstanze! kann ich's wagen,
noch die Augen aufzuschlagen?
 
Noch die Augen aufzuschlagen?
Ich bereite dir den Tod!
 
Ich bereite dir den Tod!
Konstanze
 
Konstanze.
    Belmont! du stirbst meinetwegen,
 
Belmont! du stirbst meinetwegen,
ich nur zog dich ins Verderben,
 
Ich nur zog dich ins Verderben,
und ich soll nicht mit dir sterben?
 
Und ich soll nicht mit dir sterben?
Wonne ist mir dies Gebot!
 
Wonne ist mir dies Geboth!
Beide
 
FBeyde.
    Edle Seele! dir zu leben,
 
Edle Seele! dir zu leben
war mein Wunsch und all mein Streben;
 
War mein Wunsch und all mein Streben;
ohne dich ist mir's nur Pein,
 
Ohne dich ist mirs nur Pein,
länger auf der Welt zu sein.
 
Länger auf der Welt zu seyn.
Konstanze
 
Konstanze.
    Ich will alles gerne leiden,
 
Ich will alles gerne leiden,
Belmonte
 
Belmonte.
Ruhig sterb ich und mit Freuden,
 
Ruhig sterb' ich, und mit Freuden,
Beide
 
Beyde.
da ich dir zur Seite bin.
 
Da ich dir zur Seite bin.
Konstanze
 
Konstanze.
Um dich, Geliebter!
 
Um dich, Geliebter!
Belmonte
 
Belmonte.
Um dich, Geliebte!
 
Um dich, Geliebte!
Beide
 
Beyde.
Geb ich gern mein Leben hin!
 
Geb' ich gern mein Leben hin!
Beide
 
Beyde.
    O welche Seligkeit!
 
O welche Seligkeit!
Mit der|dem Geliebten sterben,
 
Mit der Geliebten|dem Geliebten sterben
ist seliges Entzücken!
 
Ist seliges Entzücken!
Mit wonnevollen Blicken
 
Mit wonnevollen Blicken
verlässt man da die Welt.
 
Verläßt man da die Welt.
Achter Auftritt
 
FAchter Auftritt.
Pedrillo und Blonde werden von einem andern Teil der Wache hereingeführt, und die Vorigen.
 
Pedrillo und Blonde werden von einem andern
Theil der Wache hereingeführt; und die
Vorigen.
Pedrillo
 
Pedrillo.
Ach Herr! wir sind hin! An Rettung ist nicht mehr zu denken. Man macht schon alle Zubereitungen, um uns aus der Welt zu schaffen. Es ist erschrecklich, was sie mit uns anfangen wollen! Ich, wie ich im Vorbeigehen gehört habe, soll in Öl gesotten und dann gespießt werden. Das ist ein sauber Traktament! Ach! Blondchen! Blondchen! was werden sie wohl mit dir anfangen?
 
Ach Herr! wir sind hin! An Ret=
tung ist nicht mehr zu denken. Man macht schon
alle Zubereitungen, um uns aus der Welt zu
schaffen. Es ist erschrecklich, was sie mit uns
anfangen wollen! Ich, wie ich im Vorbeygehen
gehört habe, soll in Oel gesotten, und dann
gespießt werden. Das ist ein sauber Traktament!
Ach! Blondchen! Blondchen! was werden sie
wohl mit dir anfangen?
Blonde
 
Blonde.
Das gilt mir nun ganz gleich. Da es einmal gestorben sein muss, ist mir alles recht.
 
Das gilt mir nun ganz gleich. Da
es einmal gestorben seyn muß, ist mir alles
recht.
Pedrillo
 
Pedrillo.
Welche Standhaftigkeit! Ich bin doch von gutem altchristlichen Geschlecht aus Spanien, aber so gleichgültig kann ich beim Tode nicht sein! – – Weiß der Teufel… Gott sei bei mir! Wie kann mir auch itzt der Teufel auf die Zunge kommen?
 
Welche Standhaftigkeit! Ich bin
doch von gutem altchristlichen Geschlecht aus Spa=
nien, aber so gleichgültig kann ich beym Tode
nicht seyn! – – Weiß der Teufel… Gott
sey bey mir! wie kann mir auch itzt der Teufel
auf die Zunge kommen?
Letzter Auftritt
 
FLetzter Auftritt.
Die Vorigen, Bassa Selim, Osmin (voll Freuden) und Gefolge.
 
(Die Vorigen, Bassa Selim, Osmin (voll
Freuden) und Gefolge.
Selim
 
Selim.
Nun, Sklave! elender Sklave! zitterst du? Erwartest du dein Urteil?
 
Nun Sklave! elender Sklave! zitterst
du? erwartest du dein Urtheil?
Belmonte
 
Belmonte.
Ja, Bassa, mit so vieler Kaltblütigkeit als Hitze du es aussprechen kannst. Kühle deine Rache an mir, tilge das Unrecht, so mein Vater dir angetan; – – ich erwarte alles und tadle dich nicht.
 
Ja Bassa mit so vieler Kaltblü=
tigkeit, als Hitze du es aussprechen kannst.
Kühle deine Rache an mir, tilge das Unrecht, so
mein Vater dir angethan; – – ich erwarte
alles, und tadle dich nicht.
Selim
 
Selim.
Es muss also wohl deinem Geschlechte ganz eigen sein, Ungerechtigkeiten zu begehen, weil du das für so ausgemacht annimmst? Du betrügst dich. Ich habe deinen Vater viel zu sehr verabscheut, als dass ich je in seine Fußtapfen treten könnte. Nimm deine Freiheit, nimm Konstanzen, segle in dein Vaterland, sage deinem Vater, dass du in meiner Gewalt warst, dass ich dich freigelassen, um ihm sagen zu können, es wäre ein weit größer Vergnügen, eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohltaten zu vergelten, als Laster mit Lastern tilgen.
 
Es muß also wohl deinem Geschlechte
ganz eigen seyn Ungerechtigkeiten zu begehen,
weil du das für so ausgemacht annimmst? Du
betrügst dich. Ich habe deinen Vater viel zu sehr
verabscheut, als daß ich je in seine Fußtapfen
treten könnte. Nimm deine Freyheit, nimm
Konstanzen, seegle in dein Vaterland, sage dei=
nem Vater, daß du in meiner Gewalt warst,
daß ich dich frey gelassen, um ihm sagen zu kön=
nen, es wäre ein weit grösser Vergnügen eine
erlittene Ungerechtigkeit durch Wohlthaten zu
vergelten, als Laster mit Lastern tilgen.
Belmonte
 
Belmonte.
Herr!… du setzest mich in Erstaunen…
 
Herr!… du setzest mich in
Erstaunen…
Selim
 
Selim.
(ihn verächtlich ansehend)
 
(ihn verächtlich ansehend)
Das glaub ich. Zieh damit hin und werde du wenigstens menschlicher als dein Vater, so ist meine Handlung belohnt.
 
Das
glaub ich. Zieh damit hin und werde du wenig=
stens menschlicher, als dein Vater, so ist meine
Handlung belohnt.
Konstanze
 
FKonstanze.
Herr! vergib! Ich schätzte bisher deine edle Seele, aber nun bewundre ich…
 
Herr! vergieb! Ich schätzte bisher
deine edle Seele, aber nun bewundre ich…
Selim
 
Selim.
Still! Ich wünsche für die Falschheit, so Sie an mir begangen, dass Sie es nie bereuen möchten, mein Herz ausgeschlagen zu haben.
 
Still! Ich wünsche für die Falschheit,
so Sie an mir begangen, daß Sie es nie bereu=
en möchten, mein Herz ausgeschlagen zu haben.
(im Begriff abzugehen)
 
(im Begriff abzugehen)
Pedrillo
 
Pedrillo.
(tritt ihm in Weg und fällt ihm zu Füßen)
 
(tritt ihm in Weg und fällt ihm
zu Füßen)
Herr! dürfen wir beide Unglückliche es auch wagen, um Gnade zu flehen? – – Ich war von Jugend auf ein treuer Diener meines Herrn…
 
Herr! dürfen wir beyde Unglückliche es
auch wagen, um Gnade zu flehen? – – Ich war
von Jugend auf ein treuer Diener meines Herrn…
Osmin
 
Osmin.
Herr! beim Allah! lass dich ja nicht von dem verwünschten Schmarotzer hintergehn! Keine Gnade! Er hat schon hundertmal den Tod verdient.
 
Herr! beym Alla! laß dich ja nicht
von dem verwünschten Schmarotzer hintergehn!
Keine Gnade! Er hat schon hundertmal den Tod
verdient.
Selim
 
Selim.
Er mag ihn also in seinem Vaterlande suchen. (zur Wache) Man begleite alle viere an das Schiff. (gibt Belmonte ein Papier) Hier ist Euer Passport.
 
Er mag ihn also in seinem Vaterlan=
de suchen. (zur Wache) Man begleite alle viere
an das Schif. (giebt Belmonte ein Papier)
Hier ist euer Paßport.
Osmin
 
Osmin.
Wie! meine Blonde soll er auch mitnehmen?
 
Wie! meine Blonde soll er auch mit=
nehmen?
Selim
 
Selim.
(scherzhaft)
 
(scherzhaft)
Alter! sind dir deine Augen nicht lieb? – Ich sorge besser für dich, als du denkst.
 
Alter! sind dir deine
Augen nicht lieb? – Ich sorge besser für dich
als du denkst.
Osmin
 
Osmin.
Gift und Dolch! Ich möchte bersten!
 
Gift und Dolch! Ich möchte bersten!
Selim
 
Selim.
Beruhige dich. Wen man durch Wohltun nicht für sich gewinnen kann, den muss man sich vom Halse schaffen.
 
Beruhige dich. Wen man durch
Wohlthun nicht für sich gewinnen kann, den muß
man sich vom Halse schaffen.
Belmonte
 
Belmonte.
    Nie werd ich deine Huld verkennen,
 
    Nie werd' ich deine Huld verkennen,
mein Dank bleibt ewig dir geweiht!
 
Mein Dank bleibt ewig dir geweiht!
An jedem Ort, zu jeder Zeit
 
FAn jedem Ort, zu jeder Zeit
werd ich dich groß und edel nennen.
 
Werd' ich dich groß und edel nennen.
Wer so viel Huld vergessen kann,
 
Wer so viel Huld vergessen kann,
den seh man mit Verachtung an.
 
Den seh' man mit Verachtung an.
Alle
 
Alle.
    Wer so viel Huld etc.
 
Wer so viel Huld etc.
Konstanze
 
Konstanze.
    Nie werd ich im Genuss der Liebe
 
Nie werd' ich im Genuß der Liebe
vergessen, was der Dank gebeut,
 
Vergessen, was der Dank gebeut,
mein Herz, der Liebe nun geweiht,
 
Mein Herz, der Liebe nun geweiht,
hegt auch dem Dank geweihte Triebe.
 
Hegt auch dem Dank geweihte Triebe.
Wer so viel Huld vergessen kann,
 
Wer so viel Huld etc.
den seh man mit Verachtung an.
 
Pedrillo
 
Pedrillo.
    Wenn ich es je vergessen könnte,
 
Wenn ich es je vergessen könnte,
wie nah ich am Erdrosseln war
 
Wie nah' ich am Erdrosseln war,
und all der anderen Gefahr:
 
Und all der anderen Gefahr:
Ich lief', als ob der Kopf mir brennte.
 
Ich lief', als ob der Kopf mir brennte.
Wer so viel Huld vergessen kann,
 
Wer so viel Huld etc.
den seh man mit Verachtung an.
 
Blonde
 
Blonde.
    Herr Bassa, ich sag recht mit Freuden
 
Herr Bassa, ich sag' recht mit Freuden
viel Dank für Kost und Lagerstroh,
 
Viel Dank für Kost und Lagerstroh,
doch bin ich recht von Herzen froh,
 
Doch bin ich recht von Herzen froh,
dass er mich lässt von dannen scheiden.
 
Daß er mich lässt von dannen scheiden.
(auf Osmin zeigend)
 
(auf Osmin zeigend)
Denn seh er nur das Tier dort an,
 
Denn seh' er nur das Thier dort an,
ob man so was ertragen kann.
 
Ob man so was ertragen kann.
Osmin
 
Osmin.
    Verbrennen sollte man die Hunde,
 
Verbrennen sollte man die Hunde,
die uns so schändlich hintergehn;
 
Die uns so schändlich hintergehn;
es ist nicht länger anzusehn,
 
Es ist nicht länger anzusehn,
mir starrt die
 
FMir starrt die
Zunge fast im Munde,
 
Zunge fast im Munde,
um ihren Lohn zu ordnen an:
 
Um ihren Lohn zu ordnen an:
    Erst geköpft,
 
    Erst geköpft,
dann gehangen,
 
Dann gehangen,
dann gespießt
 
Dann gespießt
auf heiße Stangen,
 
Auf heiße Stangen;
dann verbrannt,
 
Dann verbrannt,
dann gebunden
 
Dann gebunden
und getaucht,
 
Und getaucht,
zuletzt geschunden.
 
Zuletzt geschunden.
(läuft voll Wut ab)
 
(läuft voll Wuth ab)
Alle
 
Alle.
    Nichts ist so hässlich als die Rache;
 
Nichts ist so häßlich, als die Rache;
hingegen menschlich, gütig sein
 
Hingegen menschlich, gütig seyn;
und ohne Eigennutz verzeihn,
 
Und ohne Eigennutz verzeihn,
ist nur der großen Seelen Sache.
 
Ist nur der großen Seelen Sache.
Wer dieses nicht erkennen kann,
 
Wer dieses nicht erkennen kann,
den seh man mit Verachtung an.
 
Den seh' man mit Verachtung an.
Die Wache
 
Die Wache.
    Bassa Selim lebe lange,
 
Bassa Selim lebe lange,
Ehre sei sein Eigentum,
 
Ehre sey sein Eigenthum,
seine holde Scheitel prange
 
Seine holde Scheitel prange
voll von Jubel, voll von Ruhm.
 
Voll von Jubel, voll von Ruhm.
Ende des Singspiels.
 
Ende des Singspiels.