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Meine
Herren!
Ihre gütige Zuschrift vom 24
tn Jenner
hat mir das größte Ver=
gnügen gemacht, da ich uns derselben ersehen habe, daß Ihnen
an der Achtung des deutschen Publikums zu viel gelegen ist,
als daß Sie dasselbe durch Werke irre führen sollten, die
nicht ganz auf die Rechnung meines verstorbenen Freundes
Mozart gehören. Ich habe den Lehren dieses grossen
Mannes zu viel zu danken, als daß ich stillschwiegend er=
lauben könnte, daß ein Werk, dessen größter Theil
meine Arbeit ist, für das seinige ausgegeben wird,
weil ich fest überzeugt bin, daß meine Arbeit dieses
grosse Mannes unwürdig ist.
Mozarts Composition
ist so einzig, und ich getraue mir zu behaupten, für
den größten Thel der lebenden Tonsetzer so unereich=
bar, daß jeder Nachahmer bsonders mit untergeschob=
bener Arbeit noch schli
mer wegko
men würde, als jener
Rabe, der sich mit Pfauen=Federn schmückte.
Das die Endigung des
Requiems, welches unseren Brief=
Wechsel veranlaßte, mir anvertraut wurde, ka
m auf
folgende Weise. Die
Wittwe Mozart konnte wohl vor=
aussehen, daß die hinterlassenen Werke ihres Mannes
würden gesucht werden; der Tod überraschte ihn, während
er an diesem
Requiem arbeitet.
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Die Endigung dieses Werkes wurde also mehreren Meistern über=
tragen; einige davon konnten wegen gehäuften Geschäften
sich dieser Arbeit nicht unterziehen, andere aber wollten ihr
Talent nicht mit dem Talente
Mozarts compromittiren.
Endlich kam dieses Geschäft an mich, weil man wuste, daß
ich noch bey Lebzeiten
Mozarts die schon in Musik gesetzen
Stücke öfters mit ihm durchgespielt, und gesungen, daß
er sich mit mir über die Ausarbeitung dieses Werkes
sehr ogt besprochen, und mir den Gang und die Gründe
seiner Instrumentirung mitgetheilt hatte. Ich kann
nur wünschen, daß es mir geglückt haben möge, wenig=
stens so gearbeitet zu haben, daß Kenner noch hin
und wieder einige Spuren seiner unvergeßlichen Lehren
darinn finde können.
Zu dem
Requiem samt
Kyrie. –
Dies iræ. –
Domine Jesu Christe. – hat
Mozart die 4
Singsti
men, und den GrundBaß samt der Bezif=
ferung ganz vollendet; zu der Instrumentirung
aber nur hin und wieder das
Motivum angezeigt.
In
Dies iræ war sein letzter
Vers –
qua resurgit es
favilla – und seine Arbeit ar die nemliche, wie
in den ersten Stücken. Von dem Verse an –
Judicandus homo reus etc: habe ich das
Dies iræ
ganz geendiget.
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Das
Sanctus –
Benedictus – und
Agnus Dei – ist
ganz von mir verfertiget; nur habe ich mir
erlaubt, um dem Werke mehr Einförmigkeit zu
geben, die
Fuge des
Kyrie, bei dem Verse –
cum Sanctis etc. zu wiederhollen.
Es soll mir herzlich lieb seyn, wenn ich Ihnen durch diese Mit=
theilung einen kleinen Dienst habe leisten können. Ich
würde mich auch mit Vergnügen Ihrer anderen
Comission
"das Verzeichnis der größten lebenden Tonsetzer und
ihrer Werke betreffend" entledigen, wenn mich nicht
meine täglichen Theater Geschäfte, und die damit ver=
bundene Arbeiten daran verhinderten.
Es ist schmeichelhaft für mich, daß sie zu wissen wünschen,
welche von meinen Arbeiten öffentlich bekannt geworden
sind
Moses, oder der Auszug aus Egypten. Ein Drama=
tisches
Oratorium in 2 Aufzügen.
L'incanto
superato, und
il Muselmano in Napoli. Zwei ita-
liänische Opern in zwey Aufzügen.
Der Spiegel von Arkadien, oder die neuen Arkadier,
eine deutsche Oper in 2 Aufzügen
Die edle Rache. Oper in 2 Aufzügen
Der Retter in Gefahr. eine
Cantate.
Die Freywlligen, ein GelegenheitsStück in
einem Aufzuge.
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Der Wildfang. Oper in 2 Aufzügen.
Der Marktschreier. Oper in einem Aufzuge.
Die 3 Sultaninnen, oder
Soliman der zweyte
Oper in 2 Aufzügen.
Hier haben Sie das ganze Verzeichnis; schenkten Sie dem
Verfasser Ihr ferneres gütiges Andenken, und seyn
Sie seiner ganzen Hochachtung versichert.
Wien den 8 Febr
ς: 1800.
Ihr
ergebenster Dienser
Franz Xaver Süßmayr mp
k: k: Hof=theatral Kapellmeister
1800 Wien
8 Febr.
– Süßmaÿr.
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