[S. 1]


36 61
Lemberg am 1t October 1831
Lieber theurer
Freund!
Ich ka
n Ihnen nicht sagen, welch große Freude Sie mir, mit Ihrem lieben
Briefe vom 17
t Sept 
gemacht haben. Gerade um diese Zeit kamen hier
die niederschlagendensten Gerüchte, von den Verheerungen in Umlauf, die
die abscheuliche
Cholera, in meiner guten Vaterstadt, verursachen soll, und
Ihr Brief, mein lieber Freund, war der erste, der die Sache ohne Ue=
bertreibung darstellte, wie sie wirklich war, und leider wohl auch noch ist.
Indem ich dieses schreibe, haben Sie hoffentlich, wohl schon das ärgste
überstanden, de
n aus der heutigen Wienerzeitung | vom 24
t Sept | sehe ich mit
Vergnügen,
dß die Krankheit nicht bedeutend zuni
mt, und die Zahl der Gene=
senen schon zweÿ Tage auf 35 stieg

. Gott gebe,
dß meine Wünsche und
Hoffnungen
sich erfüllen, und
dß Sie nicht volle vier Monate, wie es beÿ uns hier
der Fall war, von dieser Seuche verfolgt werden! Sie werden mir einen
großen Beweis Ihrer Freundschaft geben, we
n Sie sich die Mühe nicht reuen lassen,
mir, | so lange Sie nicht gänzlich von aller Gefahr befreÿt sind | öfters Nachricht
von Ihnen und Ihrer lieben Familie zu geben; de
n we
n ich gleich volles Vertrauen
in Ihre Klugheit und Vorsicht setze, und vollko
men überzeugt bin,
dß Ihr Alle, die
mir so lieb und theuer seyd, gewiß keinen Fehler gegen die Verhaltungs=Regeln
begehen werdet, so ka
n ich mich doch aller Besorgniß nicht entschlagen. – Von hier
ka
n ich Ihnen nur erfreuliches mittheilen. Unser böser Gast scheint, uns schon förm=
lich Lebewohl gesagt zu haben. Seit 14 Tagen hat sich kein neuer Krankheitsfall mehr
gezeigt, alle Spitäler sind leer, und wir kö
nen mit Wahrscheinlichkeit hoffen, keinen
zweÿten Besuch zu beko
men, da der erste länger, als irgendwo gedauert hat.
Auf dem Lande ist freÿlich noch nicht alles vorüber, aber doch auch schon viel schwächer,
[S. 2]


und so wird wohl das Ende dieses Jahres erfreulicher für uns seÿn, als der Anfang
es war. Daß Sie wohl täglich mit falschen Nachrichten erschrekt mögen werden, ka
n ich
mir wohl denken; ging es uns doch hier nicht um ein Haar besser, obwohl wir
um ein paar mahl hunderttausend Erzähler weniger haben! Wie oft sagte man
Leute tod, die man des andern Tages wohlgemuth in den Strassen
gehn sah; und diese unglückseeligen Uebertreibungen und Lügen, mögen wohl
Schuld an dem Tode so Manches Furchtsamen seÿn, de
n es ist eine ausgemachte
Sache,
dß ein durch Furcht, Ku
mer, oder was i
mer für
Affekt aufgeregtes Gemüth,
stets höchst nachtheilig auf den Körper wirkt, und in unserer itzigen Epoche, ihn
am
ehesten für die
Cholera empfänglich macht.
Es heißt zwar, seit gestern,
dß der
Cordon 
beÿ
Kentÿ 
aufgehoben wird, aber we
n dem
auch so ist, bitte ich Sie de
noch mein
Fortep: noch beÿ sich zu behalten. Ich ka
n mich vor
der Hand noch mit einem ausgeliehenen behelfen.
Leben Sie recht wohl, lieber theurer
Freund, empfehlen Sie mich bestens Ihren
gütigen
Eltern,
Frau,
Schwester,
Schwager,
Schram,
Metzler etc etc etc
und behalten Sie lieb Ihren aufrichtigen Frd
Mozart mp
ÖST. NATIONAL BIBLIOTHEK
WIEN
[S. 3]


[vacat]
[S. 4]


Lemberg Herrn Herrn
J. B. Streicher per adresse
Nanette Streicher und Sohn
Klaviermacher
Landstraße in
Ungergasse Wien
Nro 371.
LEMBERG
WIEN
7 OCT.
Netto di fuora
e di dentro

Mozart
Lemberg den 1 Oct)
empf " 7 " ) 831
beant 29 " )
119