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[... (Schluss der Abschrift des Briefes von Franz Xaver Wolfgang Mozart an Constanze Nissen vom 28. Dezember 1827.)]

     Meine liebe gute Mutter!            Lemberg 16. Jäner 1828.
– – – – Unser Gouverneur, der Fürst Lobkowitz,
hat sich vorigen Monath mit einer Fürstinn Schwarzen=
berg
, Tochter des regierenden Fürsten vermählt, und
ist mit seiner jungen Gemahlinn am 4ten d. M. von Wien
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hier angekomen. Nun jagt ein Ball, ein Fest das andere,
zum Empfang des jungen Fürstenpaars. Unter andern
gab auch unser Erzbischof aus dieser Veranlassung
vorigen Sonnabend eine grosse Assemblée, und da beÿ
ihm nie getanzt wird, und er dem Fürsten eine besondere
Ueberraschung bereiten wollte, so gab er mir den
Auftrag eine Cantate zum Empfange der Fürstinn
zu componiren. Mondtag am 7ten faßte der Erzbischof
erst diesen Entschluss. Dienstag Mittags bekam ich die
Worte und Samstag sollte die Aufführung seÿn!
Da hieß es sich zusamen nehmen. Ich war auch so glücklich,
bis Donerstag Abends mit meiner Arbeit fertig zu
seÿn. Freÿtag wurden die Stimen ausgeschrieben, und
Sambstag probirt, und Abends mit Beÿfall aufgeführt.
Mit weniger Eile hätte ich es wohl besser machen können,
aber ich kann mir doch selbst das Zeugniß geben, daß
meine Composition mir gelungen ist, und daß sie
Effekt macht. Nach dieser Cantate spielte meine Schülerin,
die jüngere Fräulein Baroni das Rondo brilliant
in A-dur
von Humel, welchem eine von Hr. Servaczinski
sehr schön gespielte Polonoise von Maÿseder folgte,
und den Beschluß machte meine der Kaiserin dedizirte
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Cantate die allgemein ansprach. Mir machte das Gan[=]
ze viele Freude, denn es lieferte mir neuerdings den
Beweis, daß ich Talent zum Componiren habe, und daß
ich etwas Ausgezeichnetes zu leisten im Stande seÿn
werde, wenn ich meine ganze Zeit darauf werde ver=
wenden können. Aber so muß ich mich gegenwärtig mit
Lektionen plagen und abstumpfen. Nur 2 Jahre Herr
meiner Zeit und mein Vater sollte sich im Grabe über
mich freuen! – Ich brauche noch 4 – 5 Monathe, um mit
meinen Studien fertig zu werden, und wenn ich ein=
mal soweit bin, so werde ich früher einige kleinere
und größere Stücke für die Kirche schreiben müssen,
um mich in diesen Stÿl erst recht einzuüben. – – – –
Das Galizische Abendblatt für gebildete Leser note in Lemberg hat
in Nro 35 folgendes: „Ihro Majestät unsere gelieb=
te Kaiserin Carolina Augusta geruhte huldreichst
die Dedikation einer Cantate „Der erste Frühlings[=]
tag
, von W. A. Mozart anzunehmen. Diese 4stimi=
ge, Cantate ist bereits in Wien unter der Pres=
se note und wird ehestens erscheinen, sie soll nach dem
Urtheile der Kener ein vortrefliches Werk seÿn.“
Bis Ende Junius, hoffe ich, wird sie endlich heraus=
komen. – – – – –