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                                       Podkamien den 22 Decem
                                                                   1808.

     Bester, Theuerster!

     Du wirst deinen Augen nicht trauen, wen Du diesen aus
Pohlen von mir geschriebenen Brief erhälst. Ja,
bester,! seit 2 Monathen, bin ich nicht mehr in Wien,
nicht mehr in der grossen, prachtvollen Residenz, bin
in Podkamien, einem kleinen Städtchen unweit Lemberg.
Quis, quid, ubi, quibus auxilis, cur, quomodo, quando note? [wirst
du mich fragen.] Gerne und gleich will ich deine Neugierde
befriedigen. du weist, bester, daß man mich zu
Hause nicht aufs beste behandelte. Ich ward älter, ward
Jüngling, mußte mir seit 3 Jahren schon, im mütterlichen
Hause, wie ein Fremder, den Lebensunterhalt,
und alle andern Bedürfniße verdienen, und
wurde doch [zu übertrieben] wie ein Kind am Gängel-
bande, behandelt. dieß verdroß mich, es suchte ein
reicher, pohlnischer Graf einen Klawiermeister
unter sehr vortheilhaften Bedingungen; Er machte
wen ich diese Stelle annehmen wollte, mir besondere
ansehnliche Vorschläge, ich unterzeichnete den Contract
und gieng. Ich gebe hier täglich 4 Stunden Lection,
dan bin ich mein eigner Herr, kan arbeiten so viel
ich will; dafür habe ich 1000 fl. Bar Gehalt Tafel, Abend-
mahl, mit der Herrschaft, Frühstuck, Wohnung in
gräflichen Schlosse, Holz, Licht und Wäscherin frey.
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habe zu Schülerinen, zwey lehrbegierigen Comtessen,
zur Gesellschaft die ganze Familie, die aus
meinen 2 ecolieres, Graf, Gräfin, 2 erwachsenen Söhnen,
und einem Abbé lauter trefflichen Leuten besteht.
Hier gedenke ich zu bleiben, bis ich meine Kunst durch
Fleiß vervollkomnet habe. Ich verlege
mich ganz auf Composition, habe schon viel
in Stich gegeben note, und werde in einigen Jahren
gewiß auf Reisen gehn note; ud dan! – sammt meine
die Freude, dich, zu umarmen. Was macht
deine Gute Frau?, grüsse und küsse Sie statt mir
recht herzlich. Hast du hoffnungsvolle Kinder?
Solltest du einen Knaben bekommen, so nene
ihn Wolfgang, damit du und deine Frau
desto gewisser recht oft auf mich denken.
Schreibe mir bald, aber deutsch. Ich spreche
zwar ziemlich fertig französch, aber es
macht mir doch ziemlich Schwierigkeit, alles
zu verstehn, da ich hier keinen Dictionaire
habe. Ich muß hier imer französisch sprechen
weil man wenig deutsch versteht. Schreibe
bald deinem aufrichtigsten Freunde
                                              Mozart
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Addresse. W. in diensten bey Grafen Victor
Baworowski
über Lemberg,
Streliska nach Podkamién.
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Podkamién
A
Monsieur Monsieur
Hauhsner, Juge-de-paix
du Canton d’Edenkoben,
Departement du
Mont-tonnerre
Empire Français.

Von 22tem Xber 1808.
Mozart
1930