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                                                          den 18t October 1809

          Hochgeschätzter Herr!

Ihr geehrtes vom 6t Sept: note habe ich zu meinem grösten Vergnügen
am 12t dieses erhalten. Ihre gütige Nachfrage wegen der Flötensonaten note,
kan ich nur dadurch beantworten, daß ich mich schon seit 6 Monaten,
mit meiner Herrschaft, auf verschiedenen ihrer Güter herumziehe,
keinen bestimten Aufenthalt, kein Fp:, keine Beschäftigung gehabt, kurz,
kaum 20 Stunden gegeben. Sobald ich aber, wie ich es wünsche, in meine
gewöhnliche Residenz zurrükkehre | den Ihre geneigte Zuschrift hat
mich fast zwanzig Meilen weiter suchen müßen | werde ich meine
angefangene Arbeit, mit größtem Fleiße fortsetzen. Ihr Brief
war mir, eine um desto mehr freudige Ueberraschung, da ich so unglüklich
bin, daß mir niemand bei diesen Umständen schreibt, oder richtiger
zu reden, da alle Posten stille stehn; ich weiß nicht einmahl wo
meine Mutter ist, ihr letzter Brief ist vom 24 juny note aus Pressburg! –

Mein Bruder den ich schon 9 Jahre nicht gesehn, lebt itzt, um
Ihre gefällige Frage zu beantworten, in Meyland. Da er in
seinen jüngern Jahren nicht viel Freude zur Musik zeigte,
so schikte ihn meine Mutter nach Livorno, wo er die ersten
6 Jahre unserer Trennung, in dem Geschäfte der Handlung
zubrachte. Sein langer Aufenthalt, in dem Mutterlande der
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Musik, erwekte nun in seinem von Kindheit auf, sehr
gefühlvollem Herzen, Leidenschaft zu dieser göttlichen Kunst,
und er begab sich daher nach Meyland, um dort unter der
Anleitung des Hς Asioli die Musik zu studieren note.
Ich fürchte nur, daß er unter dieser Anleitung, samt seinem
großem Fleiße, nicht die gewünschten Fortschritte mache,
den mehrere gute Meister, die Hς Asioli und seine
Werke kennen, haben mir nicht zu vortheilhaft von ihm
gesprochen. Auf jeden Fall, verdient Hς Asioli, den
Dank meiner ganzen Familie, und insbesondere meines
Bruders, daß er sich seiner so freundschaftlich annimt;
so wie auch Sie, schätzbaarster Herr Härtel, mit vollem
Rechte, Anspruch machen könen, auf die Dankbarkeit Ihres ergς

                                                 W. A. Mozart.
Herr Griesinger, dem ich mich vielmahls empfehle, und den
ich bitte mich nicht zu vergessen, wird Ihnen mehr von
meinem Bruder sagen könen.
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In der Voraussetzung, daß Ihre Güte mir es nicht
zur Unbescheidenheit auslegen wird, schließe ich noch mit
der Bitte, mir gefälligst, meinem Concerte note etwas Notenpapier
beyzulegen, den in Lemberg ist keines zu haben, und nach Wien
ist die Passage gehemnote.
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1809
16 Oct   Podkaminień
21 9br
4 Jan 1810.    Mozart.

An
Herrn Herrn Breitkopf
und Härtel. Musikverleger
in
Leipzig.