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den 6
t Jä
ner
1809
1810
Liebster! Bester!
Ich gestehe dir aufrichtig, daß ich dir Deinen lieben Brief vom 28.
aprill
verflossenen Jahres

noch nicht geantwortet habe. Wir sind
beyde schuldig, de
n du hast mir auch nicht seit der Zeit geschrieben,
doch wir sind einer vom andern überzeugt, daß es nicht aus
abnehmender Liebe geschehn ist, sondern daß die traurigen Zeit=
umstände

uns hinderten. Da ich aber hoffe, und überzeugt
bin, daß du mich, noch mit ebender Zärtlichkeit liebst, mit
der ich dich ewig lieben werde, so ergreiffe ich, da es nun
die Umstände erlauben, die Feder, meinem besten Freunde
den ich auf der Welt habe, meinem lieben
Aust zu schreiben.
Du kennst meine Gesi
nung,
pro mea patria; zu gut, daß du es nicht
solltest fühlen ke
nen, was mein, meinem Vaterlande
so zugethanes Herz gelitten hat, drum erlaube mir daß ich meine
Wunden nicht wieder aufreiße. Ich will mich nun mit
Dir unterhalten,
darum mache dich nun auf einen langen langen Brief gefaßt. –
Seit deinem letzten Briefe vom 28
t aprill bin ich nicht in
Podkamién, sondern
beynahe i
mer mit meiner Herrschaft auf der Reise. Ich war
ein Monat lang in Lemberg, und die übrige Zeit, war, und bin
ich noch auf einen andern Gute meines
Grafen. Die ganze Zeit
habe ich wegen Mangel eines
Fortep. nichts, gar nichts
componirt, wenig
und unordlich
Lection gegeben, was mich beynahe noch mehr verdrießt,
weil ich meine Bezahlung geno
men, und meinen
Schülerinen, nichts
profitirt
haben.
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Itzt, da ich aber wieder nach und nach ins Geleise ko
me, werde ich wieder
meine Lieblingsarbeit, meine
Sonaten mit
accompagnement einer
Flöte vornehmen. Du ka
nst dir nicht vorstellen, wie viel Vergnügen
mir diese Arbeit macht! Die
Flöte ist ein so sanftes Instrument,
welches recht gut, zu meinem, ziemlich schwärmerischen
Temperamente
sti
mt; die 1
t Sonate 
, welche beynahe geendet ist, geht aus
E moll. Sie ist mir | was ich dir als meinem Freunde sagen darf |
recht gut gelungen. Sie ist so sanft so singend! als ich sie
componirte, habe ich immer an dich, und unsere Freundschaft
gedacht; es giebt nichts hi
mlischeres, nichts so begeisterndes,
als diese Eri
nerung; hat sie auch Einfluß, auf deine
Geistes
producten, schreibe mir doch, was du machst, was du
compo=
nirst? – Rathe mir auch, was ich mit meiner
jüngern
Schülerin machen soll, damit sie Lust zur Musik bekö
mt,
die ihr gänzlich fehlt. Ich gäbe so gerne die Hälfte von meiner
Besoldung jährlich weg, we
n ich meine beyden Schüleri
nen,
kö
nte noch besser spielen lehren, als ich es selbst ka
n, welches
zwar nicht viel sagen will, de
n ich vernachläßige
mein Spiel mit Vorsatz gänzlich. Und weißt du warum?
|: du wirst lachen, we
n ich es dir sage :| weil es mich ärgert,
daß man in Gesellschaften, nicht mich, nicht deinen Freund, sondern
sondern ... sein mechanisches Talent einladet. Dieß ist die
|: lächerliche | Ursache, die mich mit dem Klawirspielen verfeindet
hat, und
ich will mich künftig mit doppelten Fleiße, auf die
Composition
|als meinem Weibe| legen, und mich überglücklich schätzen, we
n die
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daraus entspringenden Kinder, meinem Nahmen Ehre machen,
und besonders
Dir gefallen! – Mit meinen
Eltern, bin ich
gänzlich ausgesöhnt, es sind wirklich gute Eltern, obwoh sie bey
meiner Erziehung nicht den besten Weg eingeschlagen haben, so war
doch gewiß ihre Absicht gut. Mein
Vater hat von seinem
Könige
den
Dannebrog Orden

bekommen. – Daß
Albrechtsberger
am 7
tn März, und
Haydn am 31
tn May gestorben ist
wirst Du wissen? – Welch grosser Verlust ist des erstern
Todt für die Kunst, er hätte bey seinem Fleiße, gewiß
noch viel schönes gemacht;
Haydn ist nicht so sehr zu bedauern,
den er war schon seit mehreren Jahren Kind. – Ich weiß
noch nicht wie viel Du jährlich Bezahlung ni
mst; bist du noch
zufrieden, machen deine Fräulen gute Fortschritte.
Was macht der
Herr Strohkopf, wie ist seine Messe ausgefallen.
Die
Josephine Karst, hat mir noch nie geschrieben, lebt sie noch?
Obwoh ich trachte mich zu Beschäftigen, so habe ich doch genug lange
weile, den ich ka
n sagen, daß ich mich, seit ich dich gesehn, nicht
einmahl gut unterhalten hätte. Es ko
men zwar i
mer vielle
Gäste zu uns, aber diese Leute haben keinen Sinn, für
edle Unterhaltungen, we
n sie nur ihren
Vhutgi | Brandtwein |
haben. Ich bin zwar immer auf dem Lande, aber gütiger
Hi
mel! welch elendes Landleben! 7 Monate Winter, 5 Monate
unerträgliche Hitze, Bauern, eher Bären als Menschen,
Juden! Kurz, mein lieber
Aust, hier werden wir uns
kein Landgut kauffen. Itzt ko
me ich wohl bald nach Lemberg.
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Dort werde ich mich zwar besser, aber doch nicht sehr
gut unterhalten, den Du mangelst mir! – Mein Herr=
schaft sind
excellente Menschen. Sihst du, ich ka
n auch
lange Briefe schreiben, sey aber auch dankbar, und schreibe
mir einen 3mahl so langen. Lebe wohl, herzens Freund,
und vergiß nicht deinen treuen
Mozart.
Das beste, kö
mt zuletzt: Ich wünsche
Dir alles erdenkliche
zum neuen Jahre, und
mir die Freude dich bald zu
umarmen. – Bitte deine Schüleri
nen, meine
Gratulation zum
neuen Jahre, von deinem Freunde gütigst aufzunehmen.
Meine
Addresse wie sonst. Lebe wohl, ich küße dich
in Gedanken, und erri
nere dich mir bald zu schrei=
ben. –
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