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Berlin. N. W.
Alsenstr: 12.
Geehrter Herr!
Auf Ihren Brief (der
mir gestern zukam,
ich bin schon seit Mona-
ten
hier bei meiner
Tochter Keudell,)
beeile ich mich zu er-
wiedern, daß es
mich sehr freut, daß
Sie sich noch meiner,
u. des reizenden
Bildes vom lieben
Mozart eri
nern!
Gern
bin ich zu jeder Auskunft
bereit, – verweise
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aber zugleich, auf einen
sehr
interess. Artikel
von
Rudolf Genée, der vor
einig. Jahren „vom Fels
zum Meer” (od. wie's
hieß?) erschien; darin
ist meine Schnalle abge-
bildet, u. Viel besprochen:
Ich verweilte
Mozart zu
Liebe einen ganzen Monath
im Mai 57. – mit meinen
Eltern, u. gingen wir
tägl. sä
mtl. Opern von
sein. Vater durch, was
den guten
Mozart gerade-
zu seelig machte: (er lebte
als östr. Rechnungsbeamte
stets in Mailand, u. hörte
natürl. nie die Sachen seines
Vater's gut
interpretiren.
Er schenkte mir erst
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eine
Vocalice (
Manuscript)
für die Schwägerin
Lange
componirt u. beim Schei-
den (unter Thränen) gab
er mir die Schnalle, hinzu-
fügend, „er habe dieselbe
60 Jahr' lang bei sich gehabt;
– (er war 13 Jahr' alt, als
sein Vater starb, – schlief
stets mit Demselben im
Zi
mer, ka
nte jed.
tempo,
wie's sein Vater gemeint,
– spielte selbst gut Klavier,
– gab hierin Unterricht,
da's ihm knapp ging,) – er
fürchte, nach seinem Tode
käme dies seltene Ver-
mächtniß in
profane Hände.
(in
Salzburg, wo mein
Mozart
beim 100 jähr.
Mozart Gedenk-
fest
präsidirte bot ein
Engländer ihm für meine
Schnalle 1000 Pfund, – er
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gab sie aber nicht: als der
Kaiser einst in
Mailand war,
ließ er meinen
Mozart kom-
men, – u. bot ihm Verdopplung
des Gehalt's an; was M.
aber
refüsirte! er fühlte,
nicht lang mehr zu leben,
war Magenleidend!) Ich hatte
um nichts gebeten, – er gab
mir Alles von selbst! Als
ich kurz darauf in
Verona
sang, u.
Mozart's Schnalle
zeigte, – wunderte sich
Alles, daß M. sich bei Lebs-
zeit, von Derselb. getre
nt
habe: – ich schrieb ihm dies,
(natürl. ohne z. bitten,
mir ein
Certificat auszu-
stellen) was er aber von
selbst that: ich
copirte es
genau, u. füg's bei: das
Daguerotip von
Carl Mozart
bekam ich auch gesandt,
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2.) u. ließ es
photografieren.
Ich sang 57. (als ich nach
München kam u. A.
die
Donna Anna, was ihn
unendlich freute, u. blieb
bis zum Tod (der
58 er-
folgte,) – in
Correspondenz
mit meinem
Mozart! mein
letzt. Brief kam bei ihm
an – als er die letzte Ölung
erhalten, – nachher ließ er
sich Denselben von einem
gemeinsamen Beka
nten
Herr
v. Mandach vorlesen
(mehrmals,) u. trug ihm
auf, mir zu danken, daß
ich die letzten Stunden
eines Sterbenden erheitert
hätte! – Als
Mandach nach
einig. Stund. zu Mozart zu-
rückkehrte, lag mein
Brief auf dem Todenbett!
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Dies Alles ward s. Z. viel
in den „Neuesten Hamburger
Nachrichten besprochen!
Mein
Mozart (älteste Sohn)
hätte geradeso viel Ta-
lent, als wie sein Bruder
Joseph gehabt zum
compo-
niren, allein
er (wie er sag-
te,) scheute sich, den Namen
seines
genialen Vater's
zu verunglimpfen! –
Das alte liebe Mä
nchen,
war das Urbild der
Bescheidenheit u. En-
gelsgüte! Alles liebte
ihn in
Mailand, u. hatten
seine Gö
ner (
Banquier's)
Milius u.
Schmutziger's
(durch Die ich
Mozart auch
ke
nen lernte,) ihn stets
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im So
mer auf ihre Güter
an
Como-See bei sich, u. schenk-
ten ihm sogar 1 Wägel-
chen: – er bewohnte ein
nettes
Logis, ward von
ein brav. Ehepaar ge-
pflegt, – u. ging's ihm
im Alter besser, als in
der Jugend, – wo er sich
dürftig sein. Unterhalt
verschaffte. In seinem
Zi
mer hatte er ein Ölge-
mälde seiner Mutter, die
meine Schnalle an einer
Ceintüre anhatte: entwed.
testirte er dies Freunden,
od. an
Mozarteum in
Salz-
burg; = Ich hab' in
Coburg
vielleicht noch 1
Photografie
meiner Schnalle, – sobald
ich heimko
me, sollen Sie
'nen Abdruck haben! ob
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dies bald sein ka
n? weiß
ich heut' noch nicht z. sagen!
Oft beklagte
Mozart, daß Er
Alles damals auf dem
Mozart[-]fest in
Salzburg verschenkt
habe, – u. mir nichts mehr von
seine Vater schenken zu
kö
nen! - Sobald ich
Rud. Ge-
nèe sehe, werd' ich ihn nach
dem
quest. Artikel frag.
u. Ihnen darüber
per Kar-
te berichten! – –
Was Sie
von dem hier Gesagten
benützen wollen, steht Ihnen
frei: – was
Mozart (in der
heutigen verrückt.
Wagner
u.
melodielosen Zeit) nützen
ka
n, dazu trag' ich gern Alles
bei, mein Name,
etc. steht
Ihnen hiezu ganz zu Diensten.
Mit bestem Gruß
Ihre ergebenste
Natalie
v. Grünhof
geb.
Eschborn (gena
nt
Frassini[)].