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Wien, 24
Nov. 1871
1241
Sehr verehrter Freund!
Meinen alten Ruf als
Postaliter n° I wieder
zu erobern, erhalten Sie auf Ihr liebes Schrei-
ben von gestern – heute gleich Antwort.
Die Beilage an
Pohl habe ich heute abgegeben
und dem Empfänger viele Freude damit gemacht.
Der arme Mann hat eben die vierte Reci-
dive seiner Perityphlitis durchgemacht und
war nahezu aufgegeben. Seit etwa sechs
Wochen mußte er das Bett hüthen, und darf
erst seit ein paar Tagen stundenweise im
Lehnstuhl kauern. Seine Schwäche ist begreif-
lich sehr groß. Für jetzt scheint er mir geborgen.
Was Sie mir über meinen Fux
schreiben klingt al-
lerdings sehr tröstlich und erbaulich; allein
da Sie mir früher ein „sehr liebevolles”
Urtheil ankündigten, so könnte ich fast besor-
gen, daß unter den Rosen der freundlichen Wor-
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te manches Häckchen versteckt sein könne, das
Sie wohlwollend dem Freunde nicht blos legen
wollten. Ich sage Ihnen
ganz offenherzig: was
ich aus dem spärlich geflossenen Materiale zu
machen im Stande war, habe ich nach Kräften
zu machen mich bemüht, und außer dem Biogra-
phischen auch eine Geschichte der Musik am Wiener
Hofe zu seiner Zeit zu geben mich bestrebt.
Ob dies gelungen ist, muß freilich die Zeit lehren.
Über Ihre erfolgreichen Bemühungen, frucht-
bringende Samen in die Gemüther der empfäng-
lichen Jugend zu streuen, kann ich mich nur
freuen, das „
non omnis moriar” wird von
selbst folgen. In Bonn las ich das gute Motto
des berühmten Paläontologen Goldfuß:
Thu nur das Rechte in deinen Sachen,
das Andre wird sich von selbst dann machen.
Für Ihren jungen Mineralogen liegt etwas be-
reit, wenn Sie mir sagen, daß es für ihn von
Nutzen sein könnte. Ich habe aus dem Nachlaß
des Modelltischlers Becker eine erkleckliche An-
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zahl fertiger und unfertiger Krystallmodelle von
Holz erworben, die einen ansehnlichen Pack aus-
machen. Daraus wären die
unfertigen besonders
geeignet, mit Messer und Blattsäge sich einfache
Combinationen zu schneiden, eine Übung, die für
angehende Mineralogen sehr ersprießlich ist.
Erfahre ich von Ihnen, daß Sie auf dieses (Gratis)
Anerbiethen eingehen, so könnte die Spedition ent-
weder durch die mir früher erwähnte Privatge-
legenheit (auf der Landstraße?) – oder, wenn die-
ses nicht, durch die Post erfolgen.
In Erwartung, daß Ihrer verehrten Frau der
Landaufenthalt günstig nachwirkt, bitte ich mich ihr
bestens zu empfehlen, überhaupt von der Treue
Ihres allzeit getreuen
Köchel
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[vacat]