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Mailand 5⁄5 .
Vielgeliebter Freund.
Dein lieber Brief vom
27⁄4 fand
mich unpäßlich, was mir seit einiger
Zeit ziemlich häufig zu begegnen
pflegt. – Dieses die Ursache daß ich
mehrere Tage vorübergehen ließ ihn
zu erwiedern. Nun stehe ich auf
dem Sprunge mich für einen Raum
Zeit auf’s Land zu begeben, wohl
hauptsächlich des Vergnügens wegen,
doch Theils
auch in der Hofnung, daß
die balsamische Luft in jener
herrlichen Gegend mir zuträglich seyn
könne. Mit großer Freude und Theil=
nahme lese ich wiederholter Mahlen
die von Dir mir gemachten Mitthei=
lungen in Betreff Deines häuslichen
Glückes, und dann auch in Betreff
des ausgezeichneten Erfolges deßen
sich Deine eifrigen und so sehr
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anstrengenden Bemühungen erfreuen –
nur aber, und sehr bedauere ich es,
daß dieser – zwar sehr schöne Lohn – der
einzige sey welcher Dir bisher zu
Theil ward! – Ist denn bis jetzt
auch gar nicht’s noch gethan worden,
denkt man denn noch gar nicht
daran Dir eine Sorgenfreye, frohe
existenz zu sichern? – Wahrer Undank
wäre es! – Ich kann mir denken
welche angenehme Beschäftigungen
unseren werthen H
ς v.
Finetti die
Bauten und Anlagen in seinem schönen
Landbesitze darbieten. – Sage diesem
meinem so verehrten und geliebten
Freunde, wie gleichfall’s Seinen lieben
Angehörigen Alles nur Erdenkliche
Herzliche und Ehrfurchtsvolle von mir.
Hoffentlich wird es Dir baldigst möglich
sein, Seinem und meinem Wunsche
zu entsprechen, und den Unterricht
seiner beyden Talentvollen und Lehr=
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begierigen kleinen Töchter zu beginnen.
–
Ich erhielte
einen Gulden
C: M. in Silber
für jede Stunde – Der Abstand zwischen
Deinen so ausgezeichneten, und meinen
so geringfügigen Verdiensten ist allerdings
sehr groß, doch beträchtlich auch ist der
Abstand zwischen dem Großstädtischen
kostspieligen
Mailand, und dem
modesten
Salzburg, daher ich erachte daß sich der
Unterschied gegenseitig ausgleichen, und
Du dieselbe Forderung stellen könntest,
wofern Sie Dir nicht allzu mäßig scheinen
sollte. – Was nun meinen beabsich=
tigten Besuch in
Salzburg im heurigen
Jahre anbelangt, gegen diesen, mein
Bester! – stemmen sich große Hinder=
niße, und eigentlich
zu sagen Unmöglichkeiten,
selbst auch ohne meinen gegenwärtigen
unvollkommenen Gesundheitsstand in
Betracht zu ziehen, der mich zaghaft
macht, und allen Muth benimmt. Dazu
fügt sich aber noch daß meine finanziellen
Verhältniße in diesem Jahre so ziemlich
beengt sind, da ich gezwungen bin die
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Intereßen meines nicht sehr ansehnlichen
Capitals, welche mir in
Banknoten zuge=
schickt werden, mit bedeutender Einbuße in
Silber umzusetzen; – wie könnte ich sodann
ohne Undankbarkeit gegen meine lieben
Freunde in
Wien und ohne sie auf das
empfindlichste zu betrüben, die Reise einzig
allein auf
Salzburg beschränken? Viel=
leicht daß die Zusage eines Besuches im
künftigen Jahre es vermögen könnte deren
gerechtes Mißvergnügen zu besänftigen,
– aber! – schon im nächsten Jahre wieder
eine Reise, dann eine abermalige zum
Säcularfest – wenn ich es erlebe – würde
Ausgaben erheischen die meine Mittel weit
übersteigen. – H
ς v.
Finetti meint freylich
ich solle den Gordianischen Knoten mit
einem einzigen Hiebe zerhauen und für
die mir noch erübrigende Lebenszeit meinen
stäten Wohnsitz im lieben, schönen
Salzburg
bestimmen; – offenherzig muß ich Dir aber
bekennen Theuerer Freund, daß ich diesen
Entschluß nicht zu faßen vermag. In
so vorgerücktem Alter und so schwankendem
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Gesundheitsstande wie nunmehr
ich mich
befinde, ist es nicht sehr rathsam Klima
zu wechseln, und schon gar nicht, das
gewöhnte, gegen ein weniger mildes
zu vertauschen. – Ein anderer –
obgleich nur Nebengrund, (doch immerhin
sehr Betrachtungs würdig) besteht darinn,
daß ich genöthigt sein würde mit
großem Verluste all’ mein hiesiges
Habe zu veräußern, unter welchem
ein kleines Landhäuschen mit ansto=
ßenden KüchenGärtchen welches ich mir
nach und nach zu meiner Bequemlichkeit
eingerichtet und vollständig meublirt
habe, – mir sehr lieb ist; und wohin ich
so eben in Begriffe stehe mich für
einige Zeit zu verfügen. Daß den
obenangeführten Gründen die Billigung
unsers Verehrten, in voller Gesundheits=
kraft, blühendem Mannes Alter sich be=
findlichen, und reich begüterten H
ς v.
Finetti,
zu Theil werden könne – besorge ich
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sehr, mir nicht erwarten zu dürfen – denn
mir selbst, würden sie in früheren
Zeiten nicht eingeleuchtet haben. –
Sogar auf Deine Beistimmung mein
Bester! baue ich nur schwache Hofnung –
erst in 30 Jahren – bei erreichtem,
dem meinigen gleichen, Lebens Alter,
werdet Ihr Beyde in der Lage seyn,
ein vollkommen gerechtes Urtheil zu
fällen, daher wir den Prozeß offen
erhalten, und die Entscheidung bis dann
hinnausschieben wollen. Größeres Ver=
trauen setze ich auf die Fürsprache Deiner
liebenswürdigen Gemahlin – die Frauen
sind uns Männern vom Himmel schon
zu Vermittlerinnen, Versöhnerinnen
und milden Engeln bestimmt – mit
voller Sicherheit daher auf den Beystand
Deiner theuern LebensGefährti
n rechnend,
bitte ich Derselben, nebst der Versiche=
rung der ausgezeichnetsten Hochachtung,
schon im Voraus meinen Danksagungen
darzubringen, und hiemit schließt für heute
Dich herzlich umarmend Dein dich zärtlich
Küße Deine kleinen liebender C.
Mozart.
Mädchen auch für mich. –