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No 11

     Schätzbarster Herr und Freund.

     Der Wunsch, Ihnen gute und erfreuliche
Nachrichten über das Befinden des Fräu-
leins geben zu können, war der Grund
daß ich mit meinem Schreiben an Sie
mehr, als ich gewilligt war, gezögert habe.
Und als ich doch nicht länger es aufschie-
ben wollte, langte Ihr sehr herzlicher und
sehr werther Brief vom 12ten l. M. an,
den ich mit dem größten Vergnügen
empfing und dessen sehr freundschaft-
licher Inhalt uns alle ungemein erfreu-
te. Ich kann Ihnen die aufrichtigste Ver-
sicherung geben daß Ihre Freundschaft
gegen uns eben so werth ist als die unse-
re gegen Sie die innigste und die herz-
lichste ist. Es fällt uns wirklich ungemein
schwer von Ihnen entfernt zu seyn und
Sie nicht sehen zu können; der Gedanke
aber in einigen Monaten noch weiter
von Ihnen zu seyn würde uns noch weh-
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müthiger stimmen, wenn die Hoffnung
nicht wäre, welche nun durch Ihre feierliche Ver-
sicherung belebt und bestärkt ist, Sie
im nächsten Frühjahre längstens in un-
serem neuen Aufenthaltsorte (den ich
Ihretwegen auch zu Salzburg zu bestim-
men Willens bin) zu sehen und, wie ich
es mir schmeicheln will, Sie bleibend
zu wissen. Mein Haus und wir alle
werden stets zu dem herzlichsten und
freudigsten Empfange Ihrer hochwer-
then Person bereit seyn.
Um nun Ihnen über das Befinden des
Fräuleins zu berichten muß ich Ihnen
sagen daß sie nach unserer Ankunft
auf das Land von einer der heftigsten
Flussion am Kopfe ergriffen wurde, welche
ihr die fürchterlichsten Leiden insbeson-
ders an den Zähnen verursachte, so zwar
daß sie nicht einmal liegen, geschweige
den ruhen und viel weniger schlafen
konnte. Dieser schreckliche Zustand dau-
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erte volle zwei Wochen, so daß sie in
ihren Aussehen und in ihren Kräften
unendlich abnahm: dazu mag wohl am
meisten die nasse und mitunter auch
kalte Witterung beigetragen haben. Nun,
Gott sei gelobt, befindet sich bedeutend
besser, denn das Zahnweh hat fast ganz nach-
gelassen, der sonstige Husten ist völig ver-
schwunden, auch das Fieber so wie auch die
Leberübeln sind stark in Abnahme.
Sie hat bereits die Wassercur ange-
t[ret]en d. i. den Gebrauch des Gleichen-
[ber]g-Wassers angefangen und, wie e[s]
[sch]eint mit guter Wirkung. Sie dankt [Ihnen]
[v]ielmals und recht herzlich für Ihre [Thei]l-
nahme und schickt Ihnen im Verein mit
meinen Kindern die herzlichsten Grüsse
zu. Weit entfernt daß meinen Kindern
Ihre Anfoderungen am Klavier Plackerei-
en
gewesen wären, bedauern sie es daß
sie nun von denselben aus-
geschlossen sind, und wünschen sehnlichst
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Al Pregiatis. Signore
Il Sig. Carlo Mozart
Milano
Strada della Cavalchina N 1419

Marke


BRESCIA
176

MILANO
186

Porta [lettere]
I Dist[ribuz.]
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recht bald und auch in der Folge bis
zu ihrer Ausbildung von Ihrer lie-
ben Person geleitet zu werden; das hoffe
ich und wünsche es eben so warm. Es
hängt also blos von Ihnen unsere hei-
ßesten Wünsche und unsere schönsten
Hoffnungen zu realisiren ab, dadurch
daß Sie Sich in Salzburg etabliren
möchten. Sie werden durch eigene
Erfahrung selbst gesehen haben, daß man in
Mailand mit jener Ruhe und Sicher-
heit, die zur Zufriedenheit und zu dem
Glücke des Lebens unerläßlich sind, nicht
mehr leben kann. Also das Verlassen
einer Stadt wie Mailand ist wahrlich
kein Opfer sondern vielmehr ein Glück.
Demnach, werthester Freund, mögen Sie
auch einen solchen Entschluß fassen und
in einer unseren Wünschen entspre-
chender Weise. Es freut uns übri-
gens sehr daß Sie ungeachtet der Be-
fürchtungen neuer Unglücke über
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Mailand und insbesondere der bevor-
stehenden Sündfluth Sie guten Muthes
sind und an eine Arche mit Giuseppe 
und Peppa zur Erhaltung der Race
denken: und was wollen mit Moretto
thun, von dem Sie keine Erwähnung
machen? Also die befiederte Fami-
lie scheint sich durchaus nicht vermehren
zu wollen wegen der Grausamkeit der
Alten, welche sich um die Fütterung der
Kleinen nicht kümmern wollen! Ich
bilde es mir ein, welchen Verdruß
der gute Giuseppe darüber haben, und
welche Sorgen er sich nehmen wird
um doch die kleinen Wesen dem Hun-
gerstod zu entreissen. Ich bitte Sie
ihn und Peppa unserseits zu grüssen.
Empfangen Sie, bester Freund, die
wiederholten Versicherungen unserer
ausgezeichnesten Hochachtung und Er-
gebenheit mit denen ich verharre
Pavone 14 Juni 1853  Ihr zugethanster Freund
                                   und Diener Joh. Finetti