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N:° 254.
                                 ad 31.
Fasc. I.
     Hochgeehrter Herr!

Ihr leztes sehr werthes Schreiben habe ich einige
Tage aus dem Grunde zu beantworten ge-
zögert, um Ihnen gleichzeitig etwas defini-
tives meiner Wirksamkeit für Ihr schönes
Institut, welches Sie die Ehre zu begründen
hatten, mittheilen zu können.
Ich ein eben solcher Feind der Öffentlichkeit
als Sie, habe es vorgezogen: solche vorläu-
fig ganz ausser Acht zu lassen; u. es ist mir
durch meine vielfachen Verbindungen ge-
lungen: die musikalische Akademie, den
Sänger= u. Tonkünstlerverein zu Königs-
berg für meine Bestrebungen zu gewin-
nen. Alle drei Gesellschaften sind bereits
in den Vorbereitungen zu Concerten (deren
Programm nach meinem Wunsche nur
aus Mozart'schen Piecen bestehen soll)
für Ihr herrliches Institut zu Salzburg be-
griffen; u. es ist, hochgeehrter Herr! wie ich
Sie brieflich kennen zu lernen die Ehre
hatte, nicht die Pietät für den großen, unsterb-
lichen Meister allein, welche mich zu allen
diesen Schritten bewegen, sondern auch für
den ehemaligen Gründer eines Institutes,
dessen glorreiche Fortführung bis auf die
spätesten Tage der Welt zu sorgen anheim
fällt. Ich darf es hoffen die Sache wird gute
Früchte bringen u. vielleicht andere Provin-
zen u. Länder zur Nacheiferung anspornen.

                                      Denn
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
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Denn in einer Zeit, in welcher manches Große
der Vergangenheit hinzusterben droht, ist es
Ehrensache jedes Gebildeten für die Größe zu
arbeiten u. zu opfern, damit spätere Geschlech-
ter, in vielleicht besseren Tagen, auch noch die
Früchte dieser Bemühungen genießen können.
Was irgend in meinen Kräften steht, soll
u. wird geschehen das schöne Werk zu för-
dern!
Was Ihr specielles, gütiges Eingehen auf das
Institut u. die katholische Kirche betrifft,
so bin ich gewiß Einer von denjenigen,
welche (obgleich nicht Katholik) die Größe der
Geister, welche unter der Obhut dieser Kirche er-
standen, im höchsten Grade zu ehren weiß. –
Raphael u. Mozart sind unter ihren Einflüs-
sen die vorzugsweise größesten Männer
der Kunst geworden; aller der anderen bedeu-
tenden Namen, welche sich an diese reihen,
weiter nicht zu gedenken. Beide großen Talen-
te mußten die Welt so jung u. frühe ver-
lassen u. konnten als Erbschaft für die Nach-
welt Jeder nur eine Schule gründen, deren
Resultate die ihrer Meister noch lange nicht
erreicht haben.
Mit wahrem Hochgefühle gedenke ich jezt noch
manchmal in einsamen Stunden eines
Hochamtes, welchem ich auf meiner Reise (vor
jezt zwölf Jahren) in dem ehrwürdigen Dome
zu Cöln beizuwohnen Gelegenheit hatte. Es
war für mich, in der erhabenen Umgebung

                                                    die
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ergreifendste Musik, welche ich je gehört u. die mich fast zum
Übergange zur katholischen Kirche in ihre
Allmacht bewogen hätte. – So viel steht fest:
dass für uns Menschen, die wir vermöge
unseres materiellen Theils auf sinnliche Ein-
drücke viel geben müssen, in keiner Reli-
gion solche Höhepunkte, solche begeisternde
Augenblicke herauszufinden sein dürften.
     Neben der Musik habe ich stets mit
hohem Interesse mich (obgleich selbst nicht
Maler) dem Sammeln älterer Kunstwerke
in Gemälden u. Kupferstichen hingegeben;
u. weiß aus den mannigfachen Studien, wel-
che ich von ihnen gemacht am besten was auch
diese Kunst, ohne Einfluß der katholischen
Kirche geblieben wäre. – Raphael, Correggio,
Michel Angelo, Carlo Dolce, die Caracci u. da Vin-
ci sind nur (wie der Stoff zu ihren Schöpfun-
gen zeigt) in der Begeisterung ihrer Reli-
gion so groß geworden!
Wegen eines Mozart'schen Autographen sehe ich
Ihrer freundlichen Mittheilung entgegen
u. empfehle mich Ihnen in bester Zuversicht
für unsere gemeinsame Sache eben so hoch-
achtungsvoll als ganz ergebenst

             Minden.
       Gutsbesitzer auf Ziegelhof
       bei Könisgberg in Preussen
                  p 14' April 1850.
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