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N:° 214.
                                    ad 31.
Fasc. I.
     Hochgeehrter Herr!

Mit wahrhafter Freude haben wir Ihr lie-
bes Schreiben vom 15'tn. hier begrüßt; und
es war uns doppelt werth, da es ja aus des
großen Meisters Geburtsort kam, und uns
manches Umständliche, was wir bisher nicht
wußten, mittheilte; nur darin hat es uns
Trauer bereitet: daß ein Institut so schöner
Art, welches den Namen des großen Todten
trägt und dem Sie auch durch eine Charge
die Ehre anzugehören haben, in pecuniä-
rer Hinsicht nicht den gewünschten Fort-
gang hat. – Auch unser Vaterland u. speci-
ell wir haben durch die beiden letzten
Jahre der gewaltsamen Umwälzung be-
deutende Einbußen erlitten. Der Handel mit
dem Auslande, auf welchen die Preußischen
Ostsee-Provinzen fast allein angewiesen
sind, liegt wegen des Krieges mit Dänmark
gänzlich darnieder u. der Preis des Getreides
(des Haupt-Productes in dieser Gegend) ist so
gesunken, wie nie zuvor.
Unter solchen Umständen erdreiste ich mich eben
nicht, für einen Autographen Mozart's (so
wünschenswerth mir auch selbiger wäre) eine
Summe zu bieten, da solche zu gering sein
könnte, u. hieraus für eine oder die ande-
re Seite eine Verlegenheit entstehen dürf-
te. – Sie sind vielleicht so freundlich, hochgeehr-
ter Herr! bei dem Vorstande des Mozar-
teums meinen Wunsch zu publiciren und

                                            mich
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
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mich gütigst zu benachrichtigen, welches der
geringste Satz zu Erlangung eines Autogra-
phen wäre, dessen Etat ich als dann in Rück-
sicht auf die gute Sache allerdings überschrei-
ben würde.
Aber ich habe jetzt noch einen anderen, ganz
ergebenen Vorschlag. – Ihr werthes Schreiben
vom 15tn. ist selbst für das Allgemeine u. die
vielen Verehrer Mozart's, welche sich in Kö-
nigsberg befinden, so interessant: dass ich
die Bitte wage: selbiges der Öffentlichkeit
(d. h. einer Königsberger Zeitung) übergeben
zu können? – Mich drängt nicht Eitelkeit
hierzu; sondern der wirklich rege Wunsch
für den gesegneten Fortgang der schönen
Stiftung „Mozarteum” auch hier etwas im
Großen wirken zu können; ich meine durch
ein Concert zum Besten dieses Institutes –
oder durch Aufführung etwa des „Don Juan”
im Theater – oder durch Anregung zur Mit-
gliedschaft jener schönen Stiftung hier.
ich weiß es zuversichtlich Anklang genug
würde es finden. Das große Ganze kann
mehr als der Einzelne thun. Der Tribut,
welcher dem Lebenden leider! nicht wurde,
wollen wir gerne dem Todten abtragen.
Jeder in der Welt ist es dem Namen des ge-
feierten Meisters und der Stadt Salzburg, wo
er das Licht der Welt erblickt, schuldig, sein
Schärflein einer Stiftung beizutragen, wel-
che seinen Namen führt. Denn seine

                                          großen
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großen Tonschöpfungen sind nicht Eigenthum
seines Geburtsortes, sie sind Eigenthum der
Welt geworden; u. er ist es fast allein, wel-
cher „deutsche” Musik in allen Welttheilen stets
mit Ehren repräsentieren wird. Also diesen
Tribut giebt Jeder gerne – er ist das Sühneopfer
für das, was dem Lebenden nicht wurde – dem
Todten – Unsterblichen.
Theilen Sie uns, hochgeehrter Herr! über bereg-
tes Institut u. andere Erinnerungen an Mo-
zart gütigst noch Mehres mit. Sie finden hier
die dankbarste Aufnahme dafür. Mein
greiser Vater hat früher schon dem großen
Meister u. jezt wiederum, durch Ihr werthes
Schreiben veranlasst, manche Thräne der Er-
innerung geweiht; u. es ist ihm ein ewiger
Vorwurf, dass jener große Genius nicht schon
bei seinem Leben die Lorbeeren errin-
gen konnte, welche ihm erst der Tod bringen
mußte.
Sollten Sie es, hochgeehrter Herr! im Namen
des „Mozarteum's” als durch mich für angemesse-
ner finden in Königsberg eine „Betheiligung"
hieran zu veranlassen; so will ich mit Ver-
gnügen der Beförderer derselben sein.
Übermorgen, Donerstag p 28' tn. feiern wir hier
Vaters siebenzigjährigen Geburtstag; u. ist auch
kein Autograph Mozart's hierzu eingetroffen,
so ist Ihr werthes Schreiben hinlänglicher Ersatz
dafür, u. wir haben schon gestern u. heute aus-

                                            schließlich
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schließlich nur davon gesprochen.
Vater möchte gerne noch durch Sie erfah-
ren: ob die verstorbene Frau Sophie Haibl,
die Wittwe des Componisten des „Tÿroler Wastel”
war?
Indem ich nochmals zugleich im Namen mei-
ner Eltern und Geschwister für Ihr gütiges,
ausführliches Schreiben danke, bitte ich ganz
ergebenst das Weitere in obigen Angelegen-
heiten nach eigenem, besten Ermessen ge-
neigtest veranlassen zu wollen.
Mit Freude sehen wir schon einem Berichte
von Ihrer werthen Hand entgegen; u. ich fühle
mich für Sie, hochgeehrter Herr! zu ganz be-
sonderer Hochachtung u. Ergebenheit verpflich-
tet.

             Minden.
       Gutsbesitzer auf Ziegelhof. bei
       Könisgberg in Preussen p 26' März
                  1850.