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Höchst verehrter Herr und Freund!
Da Mozart’s „Hochzeit des Figaro“ bald wieder auf
das Opern=Repertoir gelangt, weil
Dem. Hellwig
den Pagen singen wird, so hielt ich diesen Moment
für geeignet, der Intendanz die parlanten
Recitative für nächsten Herbst anzubieten, da
bis dahin auch der deutsche Text unterlegt seÿn
kann. Erfahren Sie nun gefälligst aus der Anlage,
aus
welchem Grunde mein Antrag abgelehnt wird.
„
Figaro’s Hochzeit” seÿ eine
Opera buffa!?
wo der Dialog nicht fehlen dürfe. Mithin hat
also
Mozart den unverzeihlichen Fehler begangen,
die
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die parlanten Recitative statt des Dialogs zu setzen
und 1787. selbst auf
Joseph II. Befehl aufzuführen!
O
sancta ....! – Die Arien der Gräfin, des Pagen
und selbst des Grafen, der
Susanne, des
Figaro u. s. w.
haben auch wohl den Charakter der
Opera buffa!
Daß
Basilio ein Spaßmacher seÿn soll, ist nirgends
angedeutet. Nur
fein komisch soll diese Figur und
Don Curzio, wie auch
Bartolo, Marcelline e. seÿn.
Die Recitative sind übrigens so fließend, und ver=
binden die Musikstücke so schön, daß die herrliche
Oper jedenfalls an Schwung und Kürze gewinnt.
Aber freilich müßte den
Basil auch ein
Tenorist singen,
da er in den
Ensemble’s der
einzige Tenor ist.
Rathen Sie mir, theuerster Freund, in diesem Kunst=
Jammer, was ich nun thun soll — temporisiren? Das
wird wohl das Beste seÿn. Mir ist es wahrlich nicht
um
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um die vergeblich angewandten Copialien und mein
Honorar, sondern um die Kunst und die Ehre der K.
Bühne hiebei zu thun! – Der Herr Regißeur kann
ja in Poßen soviel Witze loslaßen, als er will —
nur nicht in
Mozartschen Opern!
Figaro eine
Buffonade! Das gilt nicht einmal bei dem leicht=
fertigen
Rossinischen
Barbiere di Siviglia ganz,
aber hier bei
Mozarts Nozze di Figaro halte ich
den Stÿl auch für
semiserio. s. m.
Hochachtungsvoll
Das Dresdener Hoftheater
hat auch die Recit: zu
Don Juan noch nicht einmal
benuzt. Mit dem Vorurtheil
kämpfen selbst Götter vergebens!
Berlin 28. Mai 1846.
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Ihr
treuergebenster
J. P. Schmidt.
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