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Zu Mozarts Geburtsfeyer.
Der Vater schrieb und sprang empor!
„Endloser Lärm betäubt mein Ohr!
Die Angel knarrt, das Spinnrad schnurrt,
Die Elster schwatzt, der Pudel knurrt;
Ein Schreyer wird nun noch geboren,
Dann bin ich vollends ganz verloren.”
Nach Wochen war das Knäblein da,
Und schier ein Wunder jetzt geschah:
Flug’s waren Hund und Vogel stum,
Still drehten Thür und Rad sich um,
Und ohne widerliches Tosen
Ging selbst die Wiege wie auf Rosen.
Ha! rief der Alte fröhlich aus,
Ganz umgewandelt ist mein Haus!
Hat denn mein Söhnlein Zaubermacht,
Und diesen Frieden mir gebracht?
Der Schalk wird aber selbst ihn stören,
Er läßt gewiß sich tapfer hören!
Verstand das Kind des Vaters Wort?
Bescheiden grüßt es ihn sofort.
Dem kleinen Mann fiel’s nicht ein,
Wie andere Püppchen roh zu schrei’n.
Er ließ ein zartes Stimmchen schallen,
Das glich dem Sang der Nachtigallen.

INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
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Der Vater lauscht. – Da ward schnell
Das Abendgrau der Kammer hell,
Ein Chor von Geistern schwebt herein,
Die Wieg’ umflog ihr Ringelreih’n,
Und husch! wie Schmetterlinge nippen,
Berührt ihr Kuß des Kindes Lippen.
Drauf schwand der Reih’n wie Blitzesflug
Und unser Alter sagte klug:
„Nun sprech ich allen Sorgen Hohn,
Ein Götterliebling ist mein Sohn!
Er wähle jede Kunst auf Erden,
Er wird darin ein Riese werden.”
Bald war die Tonkunst seinem Sinn
All’ andrer Künste Königinn.
Die Sprache der gesamten Welt
Vor das für ihn geweihte Feld;
Und, wie die Stern’ am Himelsbogen,
Glänzt jede Frucht, die er gezogen.
Ein Kunstwerk seiner Jugendkraft,
Ein Spiegel seiner Meisterschaft,
Ein Werk, das über unser Lob
Mit Engelschwingen sich erhob,
Soll heut’ das Fest des Meisters schmücken,
Und seiner Freunde Schaar entzücken.
Stolz sey der Tag, der ihn gebar,
Den Mann, der ohne Gleichen war,
Er schuf mit seiner Töne Macht
Des Himels Licht, des Abgrunds Nacht,
Und seiner Leiden Lust und Schmerzen
Sie drangen selbst in ihre Herzen.
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Zum Unglück trat in jenen Reih’n
Die Schicksalsgöttin nicht mit ein,
Die streng den Lebensfaden kürzt,
Und Freude tief in Trauer stürzt,
Sie wollte nicht dem Kinde gnaden,
Und trennte früh des Mannes Faden.
Doch leuchtet ihm an’s dunkle Ziel
Der Ehrenkronen Flammenspiel.
Er schwang sich über Künstlerneid
Und alles Nichts der Erdenzeit!
Und blicket vom Gestirn der Leyer
Geneigt herab auf unsre Feyer.
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