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Herrn A. Kühnel
       à                                                                               Offenbach a/m dς 19' Januar 1813.
       Leipzig.

Lieber alter Freund!

Ich fange mit der Beantwortung des Schlusses Ihres Briefs vom 4' d. M. nämlich mit meiner
Meynung über Ihre Magenkrämpfe an. Diese Krankheit entsteht einzig und allein daher,
daß man dem Magen mehr zumuthet, als er vertragen kann. Jemand der so wie Sie, lieber Freund,
fast den ganzen Tag über sitzt, wenig in Gottes freÿe Luft komt, seine Mahlzeiten mehr
als Stöhrung an seiner Arbeit, denn als wahre Labung für Körper und Geist betrachtet, der mehr
durch seine Magensäure, als durch einen gesunden Appetit zum Essen geneigt wird,
ich sage, daß so Jemand unmöglich gesund werden, oder wenn er gesund war, gesund bleiben kann.
Mitunter wird denn auch mancher Kumer, durch unangenehme Handels Verhältnisse, durch
Theilnahme an kranke Glieder der Familie pp miteingeschluckt, und somit der wohlthätigen
Absicht der Natur: uns durch unsre frugale Mahlzeiten aufzuheitern, und neu zur Arbeit
zu stärken, schnurgrad entgegen gehandelt. Wie will man auf dieses Weise gesund seÿn? –
Ich sage Ihnen hier freÿlich alltägliche Dinge, allein wenn Sie alltäglich drauf geachtet hätten,
so hätte Ihr Magenkrampf nicht so die Oberhand erhalten. – Da Sie nun, theils wegen angeborner
Thätigkeit, theils wegen mancherleÿ Arbeiten, die Sie wohl nur selbst verrichten können, und endlich
wegen unserer Neigung zu einer sitzenden als zu einer andern Lebensart, |: freÿlich eine Folge
von schon zu sehr eingerissener Kränklichkeit :| Ihre jetzige Lebensweise nicht ganz ändern können,
so rathe ich Ihnen, beÿ allen Ihren Mahlzeiten so wenig als möglich, aber dabeÿ leicht verdauliche
und nahrhafte Speisen, um wenn Sie Appetit dazu haben, öfters am Tage eine Semmel
und etwas alten reinen Wein, wenn auch nur einige Esslöffel voll, zu geniesen; ferner, sich es
zum unverbrüchlichen Grundsatz zu machen: sich beÿ Tisch und überhaupt beÿ jeder Mahlzeit,
André Joh Anton                                                                                                                     R: S.
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durch keine unangenehme Nachricht, durch keinen unglücklichen Vorfall, stören zu lassen,
eben dieß auch in denen der Ruhe bestimten Stunden der Nacht zu beobachten, in dem
Sie ein für allemal von dem Grundsatz ausgehen müssen: das geschehene Dinge
nicht ungeschehen
zu machen sind, mithin durch allen Kumer, so gerecht er auch seÿn mag,
nicht verbessert werden. Wenn Sie diese Lebensweise beobachten, ohne gerade
ängstlich in dieser Beobachtung zu seÿn, und wenn Sie so viel Philosophie über sich
herrschen lassen können, so werden Sie eher gesunder, als kränker werden, ja vielleicht
nach und nach ganz genesen. Arzneÿen brauchen Sie keine, in dem diese so
vorsichtig |: in Hinsicht so ganzen dernach einzurichten Lebensweise :| zu gebrauchen
sind, daß sie, einige ausgenomen und die plözlich anzuwenden sind, öfters mehr
schaden als gut machen. – Sie lachen mich vielleicht über meinen Eifer aus,
allein ich freu mich wenn Sie recht von Herzen lachen, wenn Sie sich so
recht, was man sagt, auslachen können, in dem dieß eine heilsame Erschütterung ist,
die nicht oft genug an einen Geschäftsmann komen kann. Lachen Sie also von
Herzen, allein befolgen Sie in Gottesnamen m. gutgemeÿnten Rath. Und nun.

Unsrer Übereinkunft nach wollten Sie zwar nur alle 2 Jahre das Lager specificirt aufnehmen,
allein demohnerachtet alle Jahre abrechnen, in dem die Lager Aufnahme ein allenfalsigen
kleinen Irrthum in der Abrechnung berichtigen sollte. Machen Sie dieß wie es Ihre
Geschäfte am besten zu lassen, nur bedenken Sie wie es Ihnen zu Muth ist, wenn
Sie nur alle 2 Jahre eine Abrechnung von Ihrem Korrespondenten erhalten.
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Kollmann’s Werk wird in 6—8 Wochen erst fertig werden, indem ich mehrere andre
Sachen, die eben nicht ins Musikfach einschlagen, aber sich gegenwärtig,
da die Musik nichts abwirft, besser bezahlen, drucken mußte.
Beÿde erwähnte Bassarien besitze ich in der Original Handschrift von Mozart,
nebst noch mehreren einzelnen Arien, Duetten pp die ich aber, weil ich die fatalen
deutschen Übersetzungen scheue, noch nicht herausgegeben habe. Kennen Sie in L.
jemand der gut übersetzt, und wollen Sie diese Sachen auch herausgeben, so mache
ich Ihnen den Vorschlag: mir die Übersetzung einzusenden, und dann von mir eine Anzahl
Exemplare mit Ihrer Adreße versehen um den Fabrikpreis abzubuchen. Oder
steht Ihnen das Reciprocum besser an? –
H. v. Klukowsky hat Ihnen wahrscheinlich in der Art von m. billige Bedingungen
gesprochen, wie er mich mit der Ihrigen und denen anderer Musikverleger bekannt gemacht hat.
Meine Verhältnisse mit Monfreulle seel: waren so, daß ich dHς. v. K.
lieber das alte Messe Lager mit 40% Rt in Commission lassen wollte, als vielleicht
gar keinen Nutzen daraus zu ziehen. Neu bestellte Werk erhält Hς. v. K. für seine
eigene Rechnung mit 50%
, mithin ich das alte Comissionslager aussterben lasse.
Dieß ist auf m. Wort wahr! – Von Lehnhold habe ich nichts vernomen,
auch bin ich eben nicht begierig auf Nachrichten aus Moscau, indem ich
mein dasiges Unglück imer noch zu früh erfahre, und ich mir vorher
keinen Kumer darüber machen will. Ich hoffe daß mich m. dasigen Correspondenten
so redlich behandeln werden, wie ich sie bisher behandelt habe, und erwarte
daß sie kein Vortheil zu meinem Nachtheil aus diesem Unglück ziehen werden.
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Ich hoffe Sie in nächster Messe zu besuchen, wo wir dann über Manches
ausführlicher sprechen können, dann auch über H. F. Hoffmeisters
LeihAnstalt pp
Noch beÿkomende Noten bringt Ihnen Fuhrmann Georg Beck von
Attorf, in ganzer Fracht à 20 GGς: ein Päckchen bez.
A. K. N.r 51 14 Zent: wofür Sie mir f 138.27 noch Richtig befinden
in Commission zu reditiren belieben.
Sie haben mir Mozart Davide Penitente aber nur die erste Abtheilung
gesandt. Wo bleibt denn die Fortsetzung? Ich besitze das Manuscript ganz.
Diese Partitur geht zu den Arabern in den anderen Welttheil.
Leben Sie wohl, und glauben Sie mich mit aufrichtiger Freundschaft
                                                                     der Ihrige
                                                                                Ant: André

1813             André
d. 19. Jan.     Offenbach
– 23. —