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N.o 33
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Smolanka den 22t november 1810
Lieber
Bruder!
Deinen lieben Brief vom 21
t octoς
war ich so glücklich gestern zu erhalten, und
ich glaube dir nicht erst sagen zu dürfen, wie viel Vergnügen er mir gemacht.
Von unserer
Mutter, habe ich vor einigen Tagen den ersten Brief seit Ihrer Abreise
von Wien erhalten, Sie meldet mir daß sie glücklich in Kopenh
ς angeko
men

, daß sie
sich sehr wohl befindet, mit einem Worte, sie scheint recht zufrieden zu seyn.
In Ihrem
Etuhsiasmus erhebt sie sogar die Gelindigkeit des dortigen
Climas.
Gott gebe! daß alles i
mer so bleibe, und sich ja nichts zu Ihrem Nachtheile ändere!
Für unseres
Vaters Wohlseyn bin ich weit weniger besorgt, de
n schon das Glück, mit seinen
Landsleuten zu seyn hat ihn gewiß um zehn Jahre verjüngt. Wien zu verlassen,
und mit Kopenhagen umzutauschen, war, wie du wohl wissen wirst, schon mehre Jahre
seyn Wunsch, und einziges Bestreben. – Du hast, wie du sagst, wenig Hoffnung, unsere
liebe
Mutter zu sehen! das heißt,
sie bald zu sehen. Ich leider auch nicht. Bis itzt wenigstens, lassen
mich weder
oeconomische noch andere Umstände, diesen so glücklichen zeitpunkt
vor aus sehen, ja nicht einmahl vermuthen. Mein Gehalt war vor 2 Jahren
groß genug, itzt aber, wo der Dukate zu 30
fl steht, schmilzt er gewaltig zusa
men.
Aber, wirst du fragen, trägt dir deine
Composiς nichts ein? Ja, lieber
Bruder, es würde mir viel eintragen, aber ich
componire — nichts.
Das traurige, einsa
me Leben was ich hier führen muß, stumpft meine Sinne
so sehr ab, daß ich mich oft tagelang martern muß, bis ich die geringste Kleinigkeit
zu Stande bringe. Studieren läßt es sich hier trefflich, und dazu verwende
ich auch den meisten Theil meiner Zeit. Itzt studiere ich
Kirnbergers
reinen Satz

. In den zwey Jahren, die
ich hier bin, habe ich wenige vergnügte
Augenblicke gehabt. Ich habe zwar keinen Mangel, bin unter guten
Menschen, die mich zu lieben scheinen, und kö
nte mir daher als
Mensch, keinen
bessern Ort wünschen. Aber als Künstler? — als Künstler,
werde ich in einem Dorfe, in einem Lande, wo ich vielleicht der erste in
meinem Fache bin wenig profitiren. Hälst Du dieses für überspa
nt,
für Eitelkeit, so ersuche ich dich, selbst herzu ko
men,
u dich zu über=
zeugen.
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Anton Lange werde ich grüssen, er hat keine Kinder. An
Härtel
werde ich mit nächstem schreiben

. Meine Herrschaft läßt dich unbeka
nter
Weise grüssen. Wir haben auch eine sehr geschikte Zeichenmeisteri
n
bey uns sie heißt
Caroline Roth. Ich habe Ihr so viel schlechtes von
dir gesagt | wie es i
mer meine Gewohnheit ist | daß sie mir eben=
falls aufgetragen hat dich zu grüssen. Ich gebe gerne zu, daß
Hς Lichtenthal, dich, durch seine Gegenwart
genirt, de
n er ist in der That,
wie ich ihm schon oft gesagt habe das
Triplicatum, von Prahlerey und
Eitelkeit. Uebrigens ka
n er dir doch viel von unserer
Mutter,
und unserer ganzen
familie erzählen, da er durch beynahe 8
Jahre täglich in unser Haus ka
m. Frage ihn, ob er nicht zu
mir, auf ein
Parthie Viste oder
Tarock ko
men will.
Wovon lebt er de
n? Verzeihe, mein lieber
Carl, we
n mein
Brief nicht so lange wird, als der deine, aber bedenke auch daß du
in einer grossen Stadt bist,
u ich hingegen in einem elenden
Dorfe. Lebe wohl, aber auch fröhlicher als ich, und schreibe
bald und viel. Lebe wohl, es umarmt dich dein zärtlicher
Bruder
Wolfgang
Correspondirst Du mit der
Sophie?
Obwohl ich in Smolanka bin, so
adressire dennoch wie sonst
nach
Podkaς. aber nicht an H
ςG
ς Bawarowski sondern
Baworowski
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[vacat]
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An Podkamién
Herrn Herrn Karl
Mozart.
in
Maÿland
Königreich Italien
MILO.DICE
29
1810