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No 26
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Podkamièn den 22 jäner
1809
Bester
Bruder!
Wie sonderbar das Schicksaal mit den Menschen spielt!
leibliche Brüder, wie wir beyde, die einander
so herzlich lieben | wenigstens wie ich dich | ko
men
an zwey so verschiedene
Pole, und haben gar
keine Hoffnung sich nach einer 8jährigen
Tre
nung wieder zu sehn. Unsere
Mutter,
hat dir vielleicht, schon geschrieben, daß ich
seit 3 Monathen, nicht mehr in unserer lieben
Vaterstadt

, sondern in
Gallicien einige
Meilen hinter
Lemberg, bei einem
Grafen
angestellt bin, um seinen
2 Töchtern täglich
4 Stunden zu geben. Dafür habe ich 1000
fl und
Tafel,
Logis, Holz, Licht, Wäsche etc frey. Hier
werde ich mich bemühen, meine Kunst, nach Kräf=
ten zu vervollko
men, und da
n, we
n es anders
die Umstände zulassen, werde ich eine
Reise unter=
nehmen.
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Ich bin hier seit meinem 3monathlichen Aufenthalte
sehr zufrieden, und werde es noch mehr
seyn, we
n ich durch eine Antwort werde versichert
seyn, daß du meinen Brief erhalten.
Unsere
Mutter, hat mir, ich weiß nicht warum?
noch nicht geschrieben. Was macht die Musik?

Ich bin sehr neugierig, etwas von deiner
Composition zu sehn. Du vielleicht auch –
ich möchte dir gerne etwas davon mittheilen,
we
n ich nur Gelegenheit fände. Lebe wohl
Bester, und schreibe bald deinem dich herz=
lich liebenden
Bruder
Wolfgang Moz.
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Addresse. An M
xx bey dem H
ς Grafen
Victor Baworowski über
Lemberg,
Streliska
nach
Podkamièn.
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[... (Preisangaben)]
1809