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                                                                               Salzbς dς 18 Maÿ
Der Leopoldl ist gesund!                                                        1786.

Ich schreibe nach u nach und werde sehς, ob den Brief mit dem
Grazer bothς hinausbringe, ohne daß er ihn nach Gratz spatziern
führt.       Da ich den hς: Polis schon gestern beÿ meinem Fenster
in dς Frühe, mit Lautem geschreÿ u geschwätz mit einem Weib, vor=
beÿgehς sahe, so war ich frohe euch ausser weiterer Verlegenheit
zu wissen. Die Hubernanerl hatte ihn in Monsee beÿm Hofrichter
erfragt, – und seiner köchin, die ehemals beÿ euch war, der Sybilla
Trinkt kein Bier
, hatte er geschriebς, daß er ein Kalb, mer,
Änten, Hüner p: u, was weis ich alles voraus nach Hause
schicken, theils aber auch mit bringς werde. das Mensch erzehlte
es aller ort. Es hatte das Ansehς, als wäre er, wie die Franzis=
caner, auf die Samlung ausgereiset. Wen dς Man so fortfährt,
da man doch beÿ solchς Jahrς imer sonst vernünftiger wird, so
wird er seiner Frau und Kindς wirklich sehr beschwerlich werdς,
oder gar ein Freÿquartier im prächtigς Neugebäude zu St:
Sebastian bekomς. Daß er nach St: Gilgς gereist seÿe, oder
reisς werde, habe die vorige Wochς gehört, und sein Schreibς an
seine Magd machte mirs gewis. das übrige müsst ihr alles
besser wissen: Die Hubernanerl war am Sontag morgens
schon beÿ mir, u erzehlte mir, das übrige p: Sie ist vergebens
nach Straswachς gereist; die Zimerman Nanerl war schon
weg, u ist hier durch nach Carnthς gereist, um dort zu
Haÿrathς. Der alte Schnedizenÿ hatte dem Carl alles geschriebς,
um es der Hubernanerl zu sagς, der aber ihr nichts davon
sagte: der alte war sehr böse darüber.

Der Leopoldl hat nun auch ein paar Besuche gemacht. da hς:
D'ypold wuste, daß man ihn in gartς spazierς trägt, so kam
er solchς in forma einzuladς. Die Nandl trug ihn also hinauf,
und er führte sie in seine Zimer u gab ihm ein Biscuit.
Gestern ließ ich ihn zur Fr: Hagenauerin tragς, die den alle
die grösste Freude mit ihm hattς, weil er nicht scheue ist, nicht
weint, u lacht und meckert wie eine Gaiß. alle Leute sind

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U.
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in seine frischς munter grossen Blaue Augen verbliebt, und
es fällt allen sehr auf, daß der Bueb alles hört und sieht; –
wen sich iemand reuspert, niesst, sich die Nasς butzt, zu
redς anfangt, einς tritt weiter geht, sich unversehends
Bewegt
 p: kurz! was für die Augς odς das Ohr im
Zimer odς auf der Strasse vorgeht, in dem näml: Augen=
blicke sind der kopf u die augς in dς gröstς Geschwindigkeit
auf dem Platz, wo etwas geschieht. Ich zweifle nun
nicht mehr daß ihrs bald mit Gottes Hilfe selbst sehς werdet.
die Händel sind gekauft u fressς auf eure gesundheit.

Wir hattς einς so genantς Engl: Bereüter hier, der aufwärts ins
Reich gieng; – dagegς kam gleich ein andςer, der von oben herab
dermahl aus Münchς komt, und nach Wien p: abwärts geht, –
dieser zog so prächtig mit aigner Feldmusik u einem Mohren,
dan vielen Pferdς herum, daß alles wie närrisch nach der Reit=
schule lief. 3 mahl hat er sich produciert; und er wird, wens
Wetter günstig ist, noch einmal auftrettς. Ich muß das sondςbare,
das gute, – und die charlatanerie davon auf eine mündliche
Erzehlung ersparς.

Vorgestern sollte ein Declamateur auf dem Rathhaussaale aus
Klopfstocks Messias sich in dς hohen Declamation p: zeigς,
da aber um ebς die 4te Stunde die Experimental Physic
und um 5 uhr Lytaneÿ im Mirabell, u um 6 uhr
opera im Theater, überdaß das schenste Wetter war, so
erschienς 3 Personς! hς: Doctor Geiger musste also seine
Declamation bis Samstag aussetzς, die nicht mehr im Rathhause
sondern im Zimer dς Lesegesellschaft im RitzenbogςHause
wird gehaltς werdς. Ausser Gelehrtς und den Mitgliedς der
Lesegesellschaft
, die aus dς Cassa ein Honorariς machς, wird
wohl Niemand komς, weil die Leute nicht begreiffς, was das
ist, odς seÿn mag. die Person zahlt 36 Xr.

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Heute den 19 Maÿ um 6 uhr wird ein grosses Concert
auf dem Rathaus seÿn. das mehrere erklärt dς AnschlagZettl,
der hier beyliegt. hς: Obkirchner ist des hiesigς altς Primer
beÿ den Soldatς Hautboistς
Sohn. Er ist schon viele jahre in
Donauöschingς in des Fürstς von Fürstenberg Dienstς.
Gott gebe, daß er 7 odς 8 f einimt, umb Zettldruckς
und die übrigς kleinς Unköstς die etwa auf 7 f komς werdς,
bezahlς kan, ohne aus seinem Beutl beÿzusetzς.

Heute dς 20. gestern war die Berühmte Accademie,
wo ganze 13 f eingegangς sind. Der ehrliche Man
                kam hieher seinς altς jubiliertς Vatter u
                Mutter zu besuchς, hatte Recomenda=
                tions
schreibς an hς: HofCanzler, der
                ihm sagte, daß er ein Concert gebς
                solle, u doch weder er noch sie, dazu
                kamς. Nun! Lebt gesund!
                Hoffe dς grazerboth wird den Brief
                abgebς, und du so vorsichtig seÿn
                und fragς lassς, ob er nichts hat? – –
                Ich küsse euch von Herzς grüsse
                die Kindς und bin euer redlicher
                Vatter
                                      Mozart mp

Das interesse von St: Peter hab auch erhaltς, behalte
es in Handς bis zu eurer Ankunft, so viel höre
kündet der Besitzer desselbς solches nicht halb=
jährig, sondς auf ein jahr auf. darüber mit euch
zu redς, und mit dir wegς Weiszeug u andςem in
meinem Hauswesς zu sprechς habe.

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Beÿ dς zweÿtς opera deines Bruders sind 5 Stück; –
u beÿ dς 3 aufführung 7 Stück repetiert wordς,
worunter ein kleines Duetto 3 mahl hat müssς
gesungς werdς. Wen er Wort hält, so komt das
opera Büchl u die ganze Spartopera den letztς
Maÿ mit dem Postwagς. Er empfehlt sich beydςseÿts.


A Madame
Mad:me de Sonenbourg
a
St: Gilgen


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