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                                                                                               Vienne ce 21 de decembre
Mon trés cher Pére!                                                                                      1782

So groß meine Sehnsucht war nach 3 wochen Stillschweigen endlich wieder einen
brief von ihnen zu lesen, so sehr betroffen war ich über den inhalt als ich
ihn las; – kurz um; wir haben uns beÿde in gleicher ängstlicher lage be=
funden! – Sie müssen wissen daß ich auf ihr leztes schreiben den 4:tn Decem:bre
geantwortet habe; folglich in 8 tägen antwort erwartet habe – es kam
nichts; – gut; ich glaubte sie hätten vielleicht eben nicht zeit gehabt; – 
und weil ich so ein wenig etwas – angenehmes für uns – in ihren
brief las – so dachten wir fast sie kämen schon! – den folgenden
Postag war wieder nichts für mich da – ich wollte ohngeacht dessen
schreiben, wurde aber unvermuthet zur gräfin thun geruffen, und
folglich verhindert; – nun fienge unsere angst an! – wir trösteten
uns aber mit diesem, daß doch Jemand von ihnen wenigstens ge=
schrieben haben würde; – nun endlich kam heute ihr brief, woraus
ich sehe daß sie mein leztes schreiben nicht erhalten haben; – auf der
Post ist es mir nicht glaublich daß er kan verloren gegangen seÿn;
es muß also die Magd das geld in Sack gesteckt haben! – aber
beÿ gott! ich wollte lieber einer solchen Canallie 6 kreuzer schenken,
als so malàpropos einen brief zu verlieren; – und allzeit
ist es doch nicht möglich daß man selbst gehen kan; – wir haben
nun aber eine andere Magd, und dieser habe ich schon eine
ganze Predigt deswegen gemacht; – was mich am meisten dabeÿ
ärgert, ist, daß sie beÿde so viel dabeÿ ausgestanden, und daß
ich mich nicht alles mehr so genau errinere, was ich geschrieben; –
das weis ich daß ich denselben abend zum gallinin in die acca=
demie
gegangen; – daß ich ihnen unter andern geschrieben, daß mein
armes Weiberl sich unterdessen mit einem kleinen silouten Portrait
von ihnen begnügen muß, welches sie imer beÿ sich im Sack trägt,
und des tages wohl 20mal küsst; – und daß wen sie eine ge=
legenheit finden, Sie die güte haben möchten mir die Neue Sinfonie
die ich ihnen für den Hafner geschrieben, zu schicken; wen ich sie nur
bis die fasten gewis habe, den ich möchte sie gerne in meiner
accademie machen. – daß sie vielleicht begierig zu wissen wären

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U.
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was den das für ein kleines silouetten Portrait seÿe? – Ja? – und daß
ich aber auch gerne wissen möchte was sie den so nothwendiges mit
mir sprechen wollten? – und wegen dem frühJahr! – –
das ist alles was ich mich errinere; – verdamt seÿe das Mensch! den
ich kan nicht wissen ob nicht doch etwas darin gestanden, welches
mir eben nicht lieb wäre, wen es in andere hände käme; –
ich glaube aber nicht, und hoffe es nicht, und bin nur vergnügt
und zufrieden daß sie sich beÿde gesund befinden; – Meine
frau und ich befinden uns gott lob und dank recht gut.
ist es wahr daß der Erzbischof nach dem Neuen Jahr nach Wienmt? – 
die gräfin Litzow ist schon 3 Wochen hier, und ich hab es erst
gestern erfahren; – Prinz gallizin hat es mir gesagt; – ich bin
auf alle seine Concert Engagirt; werde allzeit mit seiner Equi=
page
abgehollt, und nach haus geführt, und dort auf die Nobelste
art von der Welt tractirt; – den 10 ist meine opera wieder
mit allem beÿfall und zwar zum 14:tmale aufgeführt worden, und
war so voll wie das erstemal – oder vielmehr wie – allzeit. graf
Rosenberg hat mich beÿm gallizin selbst angeredet, ich möchte doch eine
Welsche opera schreiben; – ich habe schon Comission gegeben um von
italien die Neuesten opere buffe Bücheln zur Wahl zu bekomen,
habe aber noch nichts erhalten. an ignaz hagenauer habe deswegen
selbst geschrieben; – auf Ostern komen welsche sänger und Sän=
gerinen hieher. – ich bitte sie schicken sie mir doch die adresse
an lugiati nach verona; – ich möchte es auf dieser Seite
auch Probieren.
lezthin ist eine Neue opera oder vielmehr eine Comœdie mit arietten
vom umlauff aufgeführt worden, betittelt. welche ist die beste
Nation
? – ein Elendes Stück, welches ich hätte schreiben sollen,
aber nicht angenomen habe, mit dem zusatze; daß, wer es schreibt,
ohne es sich ganz abändern zu lassen, gefahr lauft, ausge=
pfiffen zu werden; – und wäre es nicht umlauff gewesen, so
wäre es gewis ausgepfiffen worden; so ist es aber nur ausge=
zischt worden; – es war aber kein Wunder, den auch mit

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der schönsten Musique würde man es nicht aushalten könen; so ist
aber zum überfluß die Musique auch dabeÿ so schlecht, daß ich nicht
weis ob der Poet oder Componist den Preis des Elends davon tragen
wird; – es ist schandenhalber das 2:te mal noch gegeben worden,
glaube aber es wird nun Punctum Satis seÿn. –
Nun muß ich schlüssen sonst versäume ich die Post. meine
liebe frau und ich küssen ihnen 1000mal die hände, und umarm
unsre liebe schwester von herzen und sind Ewig

                                                      dero gehorsamste kinder
                                                      W: et C: Mozart mp

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Von Wien

À
Monsieur
Monsieur Leopold de Mozart
maitre de la chapelle de S: A: R:
l'archeveque de et
à
Salzbourg

1782
21 Decbς

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