[S. 1]
125
vienne ce 22
X:bre
Mon trés cher Pére!
1781
1
Ich bin noch ganz voll Zorn und Wuth über die schändlichen lügen des
Erzbubens
Winter – ruhig und gelassen weil sie mich nicht treffen –
vergnügt und zufrieden mit meinen unschätzbaresten, liebsten, besten
vatter! – ich ko
nte es aber von ihrer vernunft, und ihrer liebe und
güte zu mir nie anderst erwarten. – meinen Brief und geständ=
nüss meiner liebe und absicht werden sie nun durch mein leztes
schreiben schon erfahren haben. – und werden daraus gesehen haben
daß ich in meinen 26:
ten Jahre nicht so du
m seÿn werde so im tage
hinein zu heÿrathen, ohne etwas gewisses zu haben – daß meine
ursachen mich so bald möglich zu verheÿrathen sehr gut gegründet
sind, und daß, nachdem wie ich ihnen
mein Mädchen geschildert
habe, mir selbe als frau sehr gut zu statten ko
men wird. de
n
so wie ich sie ihnen beschrieben, so ist sie – um kein haar besser,
noch schlechter. – wegen dem Ehe
contract will ich ihnen auch das
aufrichtigste geständnüss machen, wohl überzeugt daß sie mir diesen
schritt gewis verzeihen werden, inde
m sie, we
n sie sich in meinem
falle befunden hätten, ganz gewis würden das nemliche ge=
than haben. – nur wegen diesem bitte ich sie um verzeihung,
daß ich ihnen nicht längst alles geschrieben – über diesen Punckt
habe ich ihnen schon in meinem lezten brief meine Entschuldigung
gemacht, und die ursache, die mich davon abgehalten, geschrieben.
Ich hoffe also sie werden es mir verzeihen, inde
m niemand mehr
dabeÿ gequält war, als ich selbst – und we
n sie mir auch in
ihren lezten nicht anlass dazu gegeben hätten, so würde ich
ihnen alles geschrieben und entdecket haben. de
n länger – länger –
ko
nte ich es beÿ gott nicht aus=halten. –
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 2]
Nun aber auf den Ehe
contract, oder vielmehr auf die schriftliche ver=
sicherung meiner guten absichten mit dem Mädchen zu ko
men,
so wissen sie wohl, daß weil
der vatter |: leider für die ganze
famille
und auch für mich und meine
konstanze :| nicht mehr lebt, ein
vor=
mund vorhanden ist – diesem |: der mich gar nicht ke
nt :| müssen
so dienstfertige und naseweisse herrn wie h
ς: Winter und ihrer
mehrere allerhand dinge von mir in die ohren geschrien haben –
– daß man sich mit mir in acht nehmen müsse – daß ich nichts
gewisses hätte – daß ich starken umgang mit ihr hätte – daß
ich sie vieleicht sitzen lassen würde – und das Mädchen hernach
unglücklich wäre
p: dies kroch dem h
ς: vormund in die Nase –
de
n die
Mutter die mich und meine Ehrlichkeit ke
nt, liess es
dabeÿ bewenden, und sagte ihm nichts davon. – de
n mein ganzer
umgang bestund dari
n, daß ich – dort wohnte – und nachhero
alle tage ins hauß ka
m. – ausser dem hause sah mich kein
Mensch mit ihr. – dieser lag der Mutter mit seinen vorstellungen
so lange in den ohren, bis sie mir es sagte; und mich bat mit ihm
selbst davon zu sprechen, er wolle die täge herko
men. –
er ka
m – ich redete mit ihm – das
Resultat – |: weil ich mich
nicht so deutlich
explicirte, als er es gewollt :| war – daß er der
Mutter sagte mir allen umgang mit ihrer tochter zu verwehren,
bis ich es schriftlich mit ihm ausgemacht habe. – die Mutter sagte,
sein ganzer umgang besteht dari
n daß er in mein haus kö
mt,
und – mein haus ka
n ich ihm nicht verbieten – er ist ein zu
guter freund – und ein freund dem ich vielle
obligation habe.
– ich bin zufrieden gestellt, ich traue ihm – machen sie es mit ihm
aus. – er verbat mir also allen umgang mit ihr, we
n ich es
nicht schriftlich mit ihm Machte. – was blieb mir also für ein
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 3]
2
Mittel übrig? – eine schriftliche
legitimation zu geben, oder – das
Mädchen zu lassen. – wer aufrichtig und
solid liebt, ka
n der seine
geliebte verlassen? – ka
n die Mutter, ka
n die geliebte selbst nicht
die abscheulichste auslegung darüber machen? – das war mein
fall. ich verfasste die schrift also,
daß ich mich verpflichte in
zeit 3 Jahren die Mad:selle Constance Weber zu eheligen; wofern
sich die ohnmöglichkeit beÿ mir erreignen sollte, daß ich meine
gedanken ändern sollte, so solle sie alle Jahre 300 fl: von
mir zu ziehen haben. – ich ko
nte Ja nichts leichers in der Welt
schreiben. – de
n ich wusste daß es zu der bezahlung dieser 300 fl:
niemalen ko
men wird – weil ich sie niemalen verlassen werde –
– und sollte ich so unglücklich seÿn meine gedanken verrändern
zu kö
nen – so würde ich recht froh seÿn, we
n ich mich mit 300 fl:
davon befreÿen könte – und die
konstanze wie ich sie ke
ne,
würde zu Stolz seÿn, um sich verkaufen zu lassen. –
was that aber das hi
mlische Mädchen, als
der vormund weg war
? – sie begehrte der
Muter die schrift – sagte zu mir. –
lieber
Mozart! ich brauche keine schriftliche versicherung von ihnen, ich
glaube ihren Worten so; – und zeriss die schrift. – dieser zug
machte mir meine liebe konstanze noch werther. – und durch
diese
Cassirung der schrift, und durch das versprechen auf
Parole d'honeur des
vormunds, diese sache beÿ sich zu halten,
war ich, wegen ihnen mein bester
vatter, eins theils in etwas
beruhiget. – de
n für ihre Einwilligung zur heÿrath |: da es ein Mäd=
chen ist dem nichts als geld fehlt :| war mir nicht bange zu seiner zeit –
– de
n ich ke
ne ihre vernünftige Denkunsart in diesem falle.
werden sie mir verzeihen? – ich hoffe es! – ich zweifle gar nicht.
nun will ich |: so zuwider es mir ist :| von den spizbuben reden. –
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 4]
Hς: Reiner glaube hat keine andere krankheit gehabt, als daß
es in
seinem kopf nicht recht richtig muß gewesen seÿn. – ich sah ihn aus
zufall im theater alwo er mir einen brief vom
Ram gab.
ich fragte ihn wo er
logire. er sagte aber er wüsste mir weder
die gasse noch das haus zu ne
nen. – und schmälte daß er
sich hätte bereden lassen hieher zu reisen; ich
offrirte ihm
ihn zur
gräfin zu führen, und überall wo ich
Entreè hätte,
aufzuführen; und versicherte ihn, daß we
n er kein
Concert
würde geben kö
nen, ich ihn gewis zum
großfürsten bringen
würde. – er sagte aber
Pà – hier ist nichts zu machen, ich
werde gleich wieder fortgehen. – haben sie nur ein wenig
gedult – weil sie mir ihre
logis nicht sagen kö
nen, so
will ich ihnen die Meinige sagen, die ist leicht zu finden.
– ich sah ihn aber nicht. –
informirte mich nach ihm –
als ich ihn aber ausgekundschaftet, war er schon weg. –
so viel von diesem herrn. – der
Winter, we
n er den
Na
men eines Ma
nes |: den er ist verheÿrathet :| oder doch
wenigstens eines Menschen verdienete, so kö
nte ich sagen,
daß er i
mer, und das des
Voglers wegen mein gröster
feind war. – weil er aber in seiner lebensart ein
Vieh, und in seiner übrigen auführung und allen hand=
lungen ein kind ist – so würde ich mich in der that
schä
men, nur ein einziges wort wegen seiner hinzu=
schreiben; de
n er verdient ganz die verachtung eines
Jeden Ehrlichen Ma
nes. – ich will also nicht | anstatt
infame lügen :|
infame Wahrheiten von ihm sagen
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 5]
22 dec 81
3
sondern – nur ihnen von meinem thun und lassen Nachricht
geben. – alle tage früh um 6 uhr ko
mt mein
friseur
und weckt mich. – bis 7 uhr bin ich ganz angezogen. –
da
n schreib ich bis 10 uhr. – um 10 uhr habe ich die Stunde
beÿ der
fr: v: Trattner, um 11 uhr beÿ der
gräfin Rumbeck,
Jede giebt mir für 12
lectionen 6
Duckaten. – und dahin
gehe ich
alle tage – ausgeno
men sie schicken – welches mir
niemalen lieb ist. beÿ der gräfin hab ich es schon ausgemacht,
daß sie niemalen schickt; treff ich sie nicht an, so habe ich doch mein
Billet; die
trattnerin ist aber zu
Econom dazu. – Ich bin
keinen Menschen einen kreutzer schuldig. – Ich weis kein
Wort von einem liebhaber
Concert, wo zweÿ waren die schön
Clavier spiellten. – und ich sag es ihnen aufrichtig daß ich
es nicht der Mühe Werth achte, auf allen den dreck zu
antworten was so ein lausbub und Elender stümper
gesagt haben mag, er macht sich nur selbst lächerlich da=
durch. – we
n sie glauben, daß ich beÿ hofe, beÿ der ganzen
und halben
Noblesse verhasst seÿe, so schreiben
sie nur an
hς: v: Strack, –
grafin thun –
gräfin
Rumbeck –
Baronin Waldstätten –
hς: v: Sonen=
fels –
fr: v: Trattner –
Enfin an wem sie wollen,
unterdessen will ich ihnen nur sagen, daß
der kaÿser
lezthin beÿ der Tafel das grösste
Eloge von mir ge=
macht hat; mit den Worten begleitet.
C'est un talent
decidè. – und vorgestern als den 24:
tn habe ich beÿ hofe
gespiellt – es ist noch ein
clavier spieller hier angeko
men,
ein Welscher er heist.
Clementi. dieser war auch hinein=
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
[S. 6]
berufen. – gestern sind mir davor 50
Duccaten geschickt
worden; welche ich dermalen recht nöthig brauche. – Mein
liebster, bester
vater. – sie werden sehen, daß es mir
nach und nach i
mer besser gehen wird. was nützt der ent=
sezliche lärm – das geschwinde glück – es ist von keiner
dauer. –
chì và piano và sano. – man muß sich
halt nach der decke strecken. – unter allen den hunds=
fütereÿen die
Winter gesagt, ärgert mich nichts als daß
meine liebe konstanze ein luder heißt
er meine liebe konstanze ein luder heißt. – ich habe
sie ihnen geschildert, so wie sie ist – wollen sie anderer
leute Meÿnung darüber hören, so schreiben sie den
hς:
v: Auerhamer beÿ welchem sie etlichemal war, und ein=
mal gespeist hat; – schreiben sie der
Barone Wald=
stätten, welche sie |: leider nur :| ein Monath beÿ sich ge=
habt hat, weil sie, die
Dame kranck geworden – und nun
will sie die Muter nicht mehr von sich lassen – gott gebe
daß ich sie bald heÿrathen ka
n. –
der Ceccarelli empfiehlt
sich; er hat gestern beÿ hofe gesungen. – wegen dem
Winter muß ich ihnen nur das noch sagen. – er hat unter
andern einmal zu mir gesagt. – sie sind nicht gescheit we
n sie
heÿrathen. – sie verdienen geld genug, sie kö
nen es schon.
halten sie sich eine
Maitresse. – was hält ihnen de
n zurück?
– das bissel d . . . .
Religion? – Nun glauben sie
was sie wollen.
Adieu. ich küsse ihnen 1000mal die
hände und meine liebe
schwester umarme ich von herzen
und bin Ewig dero
die
adresse an die
fr: Baronin ist.
À Madame
Madame La Baronne de Waldstætten gehorsamster Sohn
nèe de scheffer. à W: A: Mzt mp
Leopoldstadt N:o 360.
Vienne.
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881