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Vienne ce 8
d'août 1781
Mon trés cher Pére!
Ich muß geschwind schreiben, weil ich den augenblick eben mit dem Janitscharen=
chor fertig geworden, und es nun schon 12 uhr vorbeÿ ist, und ich versprochen
habe
Puncto 2 uhr mit den Auerha
merischen und der
Cavallieri nach Mingen=
dorf beÿ Laxenburg zu fahren, alwo nun das Lager ist. –
der
Adamberger, die
Cavallieri und der fischer sind mit ihren
arien ungemein
zufrieden. – Gestern habe ich beÿ der Gräfin thun gespeist, und Morgen werde
ich wieder beÿ ihr speisen. – ich habe ihr was fertig ist hören lassen. – sie
sagte mir auf die lezt, daß sie sich getraue mir mit ihren leben gut zu
stehen, daß das, was ich bis dato geschrieben, gewiß gefallen wird. – ich
gehe in diesen Punckt
auf keines Menschens lob oder tadel – bevor so
leute nicht alles
im ganzen – gehört und gesehen haben; sondern folge
schlechterdings
meinen eigenen Empfindungen – sie mögen aber nur da=
raus sehen, wie sehr sie damit muß zufrieden gewesen seÿn, um so
etwas zu sagen. –
weil ich eben nichts zu schreiben habe was von Wichtigkeit wäre, so will ich ihnen
nur eine abscheuliche Geschichte mittheilen – vieleicht ist sie ihnen schon
beka
nt; man heist sie hier die tÿroller geschichte. – mich interessirt sie
um so mehr, weil ich denjenigen den sie unglücklicherweise getroffen, sehr
gut von München aus ke
ne, und er auch izt täglich zu uns kö
mt. –
das ist h
ς: v: Wiedmer ein Edelma
n. dieser, ich weis nicht aus unglück oder
Natürlichen triebe zum theater, hat vor etwelchen Monaten angefangen
eine truppe zu errichten, mit welcher er nach Inspruck ist. –
an einem Sontage Mittags um 12 uhr geht dieser gute Ma
n ganz ruhig
auf der strasse, und da gehen etwelche
Cavalliers so hinter ihm; einer
aber darunter mit Na
men
Baron Buffa, schimpft i
mer auf den
Impressario,
nemlich; der
Cuion soll seiner tänzerin eher gehen lernen, bevor er sie auf
das theater giebt – und mit allerhand nach Nä
me – h
ς: v: Wiedmer natürlicher
weise sieht sich nachde
m er lange zugehört, endlich um. da fragt ihn der
Buffa;
was er ihn ansieht? – dieser antwortet ganz gut. – Eÿ, sie sehen mich
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U.
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Ja auch an;
die Strasse ist freÿ, man kan sich Ja umsehen wie man will. –
und geht wieder seiner weege fort. – der
Baron buffa fährt aber i
mer fort
zu schimpfen; endlich wird es dem Ehrlichen Ma
n zu stark; und frägt ihn
wem gilt den das? – dir hunds=fut mit einer tüchtigen Ohrfeige
war die antwort; h
ς: v: Wiedmer gab sie ihm aber gleich zurück, mit
noch andern a
nehmlichkeiten. – keins hatte einen degen beÿ sich; sonst
würde er es ihm gewis nicht mit gleichen erwiedert haben. – dieser
geht ganz ruhig nach haus, um sich seine haare ein wenig in die ordnung
bringen zu lassen, | de
n Baron buffa kriegte ihn auch beÿm haare :| und wollte
die sache beÿm Præsidenten |: graf Wolkenstein :| vorbringen. – da war
aber schon sein ganzes hauß voll Wache, und man brachte ihn auf die
hauptwache; – er mochte sagen was er wolle, es nützte nichts, er sollte
seine 25 auf den hintern haben. endlich sagte er; ich bin ein Edelman, ich
lasse mich nicht unschuldiger weise schlagen, ich will eher
Soldat werden,
um mich selbst
revangiren zu kö
nen. – de
n in Inspruck muß der
du
me tÿroller brauch seÿn, daß kein mensch einen
Cavalier schlagen
darf, we
n er auch noch so viel recht dazu hätte. – auf dieses brachte
man ihm ins zuchthaus, und dort musste er nicht 25, sondern 50 aus=
halten. – ehe er sich auf die bank geleget, so sagte er öfentlich.
ich bin unschuldig. und ich
appelliere izt öfentlich an den kaÿser.
der
Corporal antwortete ihm aber spöttisch. – halte der herr nur
vorher seine 50 Prügel aus, hernach ka
n der herr
appellieren.
in 2 stunden war die ganze sache vorbeÿ – nemlich um 2 uhr.
auf den 5:
tn streich waren schon die Bein kleider entzweÿ. – mich
wundert es in der that, daß er es hat aushalten kö
nen. – man
hat ihn auch wirklich ohnmächtig weg=gebracht. – er ist 3 wochen ge=
legen. so bald er
curirt war, so ist er schnurgerad nach Wie
n,
wo er izt mit sehnsucht die ankunft des kaÿsers erwartet, der von
der ganzen sache schon
informirt ist, so wohl von hier aus, als von
inspruck von seiner schwester die Erzherzogin
Elisabeth. –
wiedmer
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selbst hat einen brief von ihr an kaÿser. – den tag vorher ehe
dieses geschehn, hat der
Præsident ordre beko
men, niemand, es seÿ wer und
was es wolle, zu strafen, ohne es vorher hieher zu berichten. das macht
die sache noch schli
mer. – der Präsident muß doch ein recht du
mer
und boshafter ochs seÿn. – aber – wo ka
n man diesem Ma
ne
hinlängliche
Satisfaction verschaffen? – die schläge hat er i
mer –
we
n ich
Wiedmer wäre, ich würde von kaÿser folgende
Satisfaction ver=
langen. – er müste auf den Nämlichen Platz
50 aushalten, und ich müsste dabeÿ seÿn – und da
n
müsste er mir erst noch 6000 duckatten geben. – und
kö
nte ich diese
Satisfaction nicht erlangen, so wollteich gar keine,
sondern stechte ihn mit der nächsten, besten gelegenheit den
degen durch das herz.
NB: man hat ihm schon 3000
duckaten angeboten, we
n er nicht nach Wie
n geht, und dise
sache still hällt. – die Inssprucker heissen den h
ς: v:
Wiedmer; der für uns gegeisselt ist worden, der wird uns auch
erlösen. – keine seele mag ihn. – des Präsidentn haus ist
die ganze zeit bewacht gewesen. – es ist hier ein
Evangelium
über ihn heraus. – es wird von nichts geredet, als von dieser
sache. – mich dauert der arme Ma
n recht sehr, de
n er ist niemalen
recht gesund. er hat i
mer zu kopfweh, und klagt die brust sehr.
Nun leben sie recht wohl, ich küsse ihn 1000mal die hände, und mein
lieb schwester umarme ich von herzen und bin Ewig dero
Mein
Complim an die
Duscheckischen,
und ich hoffe sie hier zu sehen.
Adieu. gehorsamste Sohn
W. A: Mzt
mp
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[S. 4]
No: 26
À
Monsieur
Monsieur Leopold Mozart
maitre de la Chapelle de S: A: R:
l'archeveque de et à
Salzbourg.
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