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                                                                                          Vienne ce 19 de may 1781:
     Mon trés cher Pére!

Ich weis auch nicht was ich zu erst schreibe, mein liebster vatter; den ich kan mich von
meinen Erstaunen noch nicht erhohlen, und werde es nie könen, wen sie so zu denken
und so zu schreiben fortfahren; – Ich muß ihnen gestehen, daß ich aus keinen
einzigen Zuge ihres briefes, meinen vatter erkene! – wohl einen vatter,
aber nicht, den Besten, liebvollsten, den für seine eigene und für die Ehre
seiner kinder besorgten vatter – mit einem Wort, nicht – meinen vatter;
doch, das war alles nur ein traum – sie sind nun erwacht – und haben
gar keine Antwort von mir auf ihre Punkte nöthig, um mehr als überzeugt
zu seÿn, daß ich – nun mehr als Jemals – von meinem Entschluß gar nicht
abstehen kan. – doch muß ich, weil meine Ehre und mein karackter
beÿ einigen stellen, an empfindlichsten angegriffen ist, etwelche Punckte be=
antworten. – sie könen es niemalen Gut heissen, daß ich in Wien
Quitirt habe; – Ich glaube, daß wen man schon lust dazu hat |: obwohlen ich
es dermalen nicht hatte, den sonst würd ich es das erstemal gethan haben :|
so würde es an dem orte an vernünftigsten seÿn, wo man gut stehet,
und die schönsten aus=sichten von der Welt hat. – daß sie es im gesichte
des Erzbischofs nicht gut heissen könen, ist möglich, aber mir könen sie es gar
nicht anders als Gut heissen; ich kan meine Ehre durch nichts anders retten, als
daß ich von meinem Entschluße abstehe? – wie könen sie doch so
einen Wiederspruch fassen. – sie dachten nicht, als sie dieses schrieben,
daß ich durch einen solchen zurückschritt der Niederträchtigste kerl von der
Welt würde. – ganz Wien weis daß ich vom Erzbischof weg bin – weis
warum! – weis daß es wegen gekränkter Ehre – und zwar zum dritten=
male gekränkter Ehre geschah – und ich sollte wieder öfentlich das gegen=
theil beweisen? – soll mich zum hundsfut, und den Erzbischof zu
einen Braven fürsten machen? – das erste kan kein Mensch, und
ich – am allerwenigsten, und das andere – kan nur Gott, wen er ihn
erleuchten will. –
Ich habe ihnen also noch keine liebe gezeigt? – muß sie also erst itzt
zeigen? – könen sie das wohl sagen? –
Ich wollte ihnen meinem vergnügen nichts aufopfern? – – –

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was habe ich den für ein vergnügen hier? – daß ich mit Mühe und sorge
auf meinen Geldbeutl dencke! – mir scheint, sie glauben ich schmime in
vergnügen und unterhaltungen. – O wie betrügen sie sich nicht! –
das heist dermalen! – dermalen habe ich nur so viel als ich brauche –
Nun ist die Suscription auf 6 Sonaten im Gang, und da bekome ich geld
– mit der opera ist es auch schon richtig – und in advent gebe ich ein
Concert, dan geht es so imer besser fort – den, in Winter ist was ganz
gutes hier zu verdienen. – wen das vergnügen heist, wen man von
einen fürsten los ist, der einen nicht zahlt, und zu tod Cuionirt, so
ist es wahr, ich bin vergnügt; – den, sollte ich von früh Morgens bis
Nachts nichts als denken und arbeiten, so würde ich es gerne thun, nur
um so einen – ich mag ihn gar beÿm rechten Namen nicht nenen, nicht
um Gnade zu leben. – Ich bin dazu gezwungen worden, diesen schritt
zu thun – und da kan ich kein haarbreit davon mehr abweichen –
ohnmöglich – alles was ich ihnen sagen kan ist dieß, daß es mir |: wegen
ihnen, nur wegen ihnen, mein vatter :| sehr leid thut, daß man mich so
weit gebracht hat – und das ich Wünschte daß der Erzbischof gescheider
gehandelt hätte, nur daß ich ihnen noch meine ganze lebenszeit wied=
men könte – ihnen zu gefallen, mein bester vatter, wollte ich
mein glück, meine Gesundheit, und mein leben aufopfern –
aber meine Ehre – die ist mir – und die muß ihnen über
alles seÿn. – lassen sie dieses dem Graf Arco lesen und
ganz Salzburg. – nach dieser beleidigung – nach dieser
dreÿfachen beleidigung, dürfte mir der Erzbischof in eigener
Person 1200 fl. antragen, und ich nehme sie nicht – ich bin
kein Pursch, kein Bub – und, wen sie nicht wären, so hätte
ich nicht das drittemal erwartet, daß er mir hätte sagen
nen, scherr er sich weiter, ohne es für bekant anzunehmen;
was sage ich: erwartet! – ich, ich hätte es gesagt, und nicht
er! – mich wundert nur, daß der Erzbischof so unbesonen, an

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einem ort wie Wien ist, so unbesonen hat handeln könen! –
Er soll also sehen, wie er sich betrogen hat; – fürst Breiner und
Graf Arco brauchen den Erzbischof, aber ich nicht. – und wen es auf
das äusserste kömt, daß er alle Pflichten eines fürsten, eines geistlichen
fürsten
vergisst, so komen sie zu mir nach Wien; 400 fl. haben sie
überrall – was glauben sie, was er sich hier beÿm kaÿser, der ihn
ohnehin hasst, für schande machen würde, wen er das thäte! –
Meiner schwester würde es hier auch besser anstehen
als in Salzburg – es sind vielle Herrschaftshäuser wo man
bedenken trägt, eine Mansperson zu nehmen – ein
frauenzimer aber sehr gut bezahlen würde. –
das kan alles noch geschehen. –
Ich werde ihnen mit nächster gelegenheit, da etwa hς. v:
kleinmaÿer, Beneckè, oder zetti nach Salzburg
reiset, etwas schicken um das bewuste zu bezahlen – 
das düntuch wird hς. Controleur der heute weg ist,
meiner schwester bringen. –
liebster, bester vatter, begehren sie mir was sie wollen, nur
das nicht, sonst alles – nur der gedanke macht mich schon vor
Wuth zittern – Adieu – ich küsse ihnen 1000mal die hände
und meine schwester umarme ich von herzen und bin Ewig
dero

                                                             gehorsamste Sohn
                                                            Wolfgang Amadè Mozart mp

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de Vienne.
À
Monsieur
Monsieur Leopold Mozart
maitre de la Chapelle de S: A: R:
l'archeveque de et à
Salzbourg.

N.o 13

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