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                          N. 14.
                              Maÿnz den 3. Augς:
                                                    1763.
Monsieur.

     Meine Briefe von Ludwigsburg und
Schwetzingen werden sie sonderen Zweifel er=
halten haben. Im ersten schrieb ich ihnen,
daß sie mir nach Mannheim, im Zweiten aber,
daß sie mir nach Franckfurt antworten sol=
len. Wir haben aber vorher von Schwetz=
ingen einmal eine Spazierfarth nach Heidelberg
gemacht, um alda das Schlos, und das große
Vaß zu sehen. Überhaupts hat Heidlberg
viel ähnliches mit Salzburg, das ist; der Lage
nach: und die eingefahlenen Thürn und Mau=
ren im Schloß, die mit erstaunen anzuse=
hen sind, zeigen die traurigen Früchte der
ehemahligen französischen Kriege. In der
heiligen Geist Kirche, die in der Historie we=
gen des Streits zwischen den Catholischen und
den Calvinsten bekannt ist, und darum die
Churfürste ihre Residenz nach Mannheim ver=
legt haben, hat unser Wolfgangς: die Orgel
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mit solcher Bewunderung gespielet, daß, zum
ewigen Angedencken sein Nahme alda auf
ordre des Herrn Statt=Decani an der Orgel
mit umständten angeschrieben worden.
Von Schwetzingen sind wir mit 15. Louis d'or
Præsent
über Worms nach Maÿnz gegang=
en. Zu Mannheim waren wir 3. Täge,
und man hat uns alda alles Franco gezeigt,
was zu sehen ist. Wir waren auch im Wirts=
hauß zum Prinz Friedrich genannt von ei=
nem Französischen Obersten franciert, der be=
ständig in Indien gedienet hat. Wenn ich
ihnen die verschiedenen Seltenheiten, so dieser
Oberste aus diesen Ländern mit sich hat, be=
schreiben sollte; so wurde ich viele Bögen Papier
zu überschreiben haben. Ich hab unter andern
ein Kleid von Papier, und ein Kleid von Holz
gemacht, und auch im Stuck gesehen. Das
kennen sie aber ehe nicht, bevor sie nicht ein
Stückchen ausgezopft haben. Er hat der
Nannerl ein Ringel, so etwas mehr, als ei=
nen Louis d'or mag werth seÿn, und dem
Wolfgangς: ein artiges Zahnstierer Bixl
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verehrt. Die Statt Mannheim ist wegen
ihrer Regularität ungemein schön; aber, da
alle Häuser nur ein Stock hoch sind; so scheinte
es eine Statt en Miniatur zu seÿn. Hin=
gegen sind gleich beÿm Eingange des Haus
schon ungemein schöne Zimmer, und man findet
auch unter dem Tache die feinsten Wohnungen.
Am Ende ieder Strasse sehen sie 4. Haupt=
strassen ins Kreutz zu gleich, deren iede der
andern in allem vollkommen ähnlich ist.
Und durch alle Strassen stehen beÿderseÿts
zwischen dem mittern fahrweege, und den beÿ=
derseitigen Wasser ablauf Rinnen, bemahlte
Pfähle, auf denen beÿ dunckler Nacht die
Laternen stehen. Es kann demnach, wie
leicht zu erachten, nichts schöners zu sehen seÿn,
als eine dergleichen beleuchtete perspectivi=
sche Aussicht, sonderheitlich in den 4. Haupt=
strassen, da man zum Exempl vom Schlosse
oder Residenz bis ans Necker=Thor siehet pp.
     Worms ist ein Altvätterischer und
durch die alten Franzosen=Kriege sehr verdor=
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bener Ort, Es ist aber wegen der alten Be=
gebenheiten der Dom, und sonderheitlich die
Luterische Kirche merckwürdig, wo Luther vor
dem Consilio erschienen ist. Wir speisten
den Abend in Wormbs beÿ dem Herrn Baron
v Dahlberg. Diese Familie ist so alt, daß
man einen Brief von zusammgerolltem Zeuge,
so einer Baumrinde ähnlich ist vor=
zeiget, auf welcher ein Herr v Dahlberg un=
ter anderen als eine Neuigkeit berichtet, daß
ein Zimmermanns Sohn, der sich für den Messi=
as ausgegeben, zum Kreuzgalgen seÿe ver=
damt worden. Credibile est veteres, latro
ceu præsul et hospes
, sagt die Bibel der Ru=
dimentisten. Wenn sie einen bösen weg
versuchen wollen, so därfen sie nur von Worms
auf Oppenheim fahren. In Oppenheim
sehen sie auch die traurigsten Überbleibseln
der ehemahligen franzosen Kriege. Von
Oppenheim auf Maÿnz ist es höchst angenehm;
denn auf einer Seite fährt man hart am
Rheine, und lincks sind felder, dörffer, Gärten,
und Weinberge. Maÿnz ist in der Mitte
ein Eng zusamgebauter Ort; auf der
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so genannten Bleiche und auf den Thier Markt
sieht es besser aus.

NB: Zu Maÿnz habe den Hς: Graf Schön=
born, der alda verhaÿrat ist, den Graf
Ostein und seinen Hofmeister Krell, auch den
Graf Bassenhaim angetroffen. ich war beÿ
allen. Die Wallendorff sind zu Coblenz.

[... (Beginn der Abschrift des Briefes vom 13. August 1763)]