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                                                                          Salzbς: dς 4 Decembς.
Mon trés cher Fils!                                                                   1780.

Dein Schreibς vom 29 Nov: erhielt ich erst den 3 Decembς: gestern
um Mittag
, wo hς: Professor Döhl mit dem hς: Sieger zu mir kam,
es war meine erste Frage – nach deiner Gesundheit, und da er mich
ganz beruhigte, so war ich ganz zufriedς. Es war ebς halbe 12 uhr,
und in dem Augenblick trat auch hς: v Edlbach mit 3 fremdς
ins Zimer, ich steckte also den Brief ein, ohne ihn zu lesen,
deine Schwester muste ihnς ein kleines Stück auf dem Pianforte
spielς und alle versprachς zu bequemer Zeit wiedς zu komς. hς: Sieger
wird einige Täge hier verbleibς, er wohnt beÿ hς: Döhl, der ihm
alles hier zeigς wird. hätte ich Samstag dς 2 das Schreibς erhaltς, so
würdς die Sordinen schon in Münchς seÿn; so aber werdς sie mit
dem nächstς Postwagς heut über 8 täge eintreffς. Eben itzt kom
ich vom Varesco, – da unterdessς dein Schreibς vom 1 Dec: ankahm,
laß es deine Schwester, suchte den Theil vom Metastasio, und
schickte mir Brief und Buch zum Varesco nach. Alles was
du angemerket wird gemacht werdς. du weist, daß ich auch
die unterirrdische Rede schon zu lang gefundς
. Ich sagte ihm
meine ganze Meinung, und es wird nun so kurz werdς, als es
imer möglich ist. Wir sind vergnügt daß die Probe so gut ausgefallς.
Ich habe gar keinς zweifel noch sorge für deine Arbeit, wen nur
die production gut ist, daß heist, wen nur gute Leute zur Aus=
führung da sind, – und die sind da, – ich bin also ohne Sorge.
aber beÿ einem mittelmässigς orchester wird deine Musik imer
verlierς, weil sie zu vernünftig für alle Instrumentς und
nicht so platt, wie die italiänς Musik überhaupts geschriebς ist.
Daß dein Catharr nach dς Probe ärger gewordς, ist ganz natürlich, alle
Kopfnerven werdς durch das scharfe Hören und Sehen erhitzet und
angespannt und diese Anspanung erstrecket sich durch den Eÿfer und

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Die Aufmerksamkeit bis auf die Brust. man schnauft nicht
ordentlich, wie gewöhnlich gleich; sondς zuzeitς verhält man den
athem, und zu zeitς athmet man geschwind und heftig hinter=
einander p: das erhitzet und ermüdet die Brust, das
Blut geräth in Wallung, der Catharr kan also nicht
abnehmς, sondς die verstopfung wird stärker. Daß du nun
veiglsaft und Mandlöhl genomς ist recht gut geschehς, –
mit dem Schwarzς Pulver und Margrafς Pulver kanst du
nichts verderbς NB abends vor schlaffς gehς – aber nicht viel, –
und du kanst, wen du keine Erhitzung hast, ein wenig
Schwarzes Pulver allein nehmen, das Margrafς Pulver
ist nur, wen man erhitzt ist. Die Hauptsache ist die dieta.
wenig essen
Suppen so viel du willst: aber kein Rind=
fleisch. ein wenig gut zusamgesottnes lindes Kalbfleisch
odς Lamfleisch. – am bestς gut versottnes Lüngerl.
recht zum Schleim versottnς Reiß. Gerstenschleim; aber
nicht den zucker, sondς den Schleim von dς zusamgesottnς,
und durch ein reines Tuch gedrücktς Gersten. Dieß erhält
die Brust beÿ Kräftς, da es solche anfeichtet. Nun komt
auch das Gerstenwasser zum trinckς, welches die Erhitzung
auf der Brust mildert, die Brust anfeichtet, das Blut
flüssig erhält, versüsset und die nothwendige natürliche
gute feüchtigkeit beferdert p: Man nimmt 6 Loth Braugerstς,
das ist von der Gerstς, wie es die Bier=bräuer brauchς,

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dazu thut man ein kleines Loth
süsses Holz
, lässt alles in 3 Kandl Wasser siedς, das ist
nach der Münchner Maas |: in 2 Maaß wasser :| – aber man
lasse es nur so lang siedς bis die Gerstς aufspringt odς zer=
springt, dan setze man es vom Feuer, sonst wirds trüeb.
und werffe ein wenig Aneis darein, und lasse es
Kalt werden und sich setzς, alsdan giesse mans langsam
zum trinckς in ein anderes Geschirr, damit dς Satz am bodς
bleibt. Will man zu dem süssen Holz auch ein Loth von
kleingeschnittner Altheawurzl |: Eiwischwurzl :| thun und mit
sieden, so ists vortreflich für die Brust. Beÿm Trinckς
legt man einς Schnitz Limoni=Blatl hinein.
Nun hast du Mittl genug, zum auswählς. Deine Schwester,
die sich gut befindet, und ich, tranckς itzt imer das Gersten=
wasser: und tranckς es öfter, und du auch, wie du weist.
dan brauchst du kein Schwarzes Pulver mehr, welches
ohnehin, täglich zu nehmς, gar nicht nothwendig. Fußwasser,
nicht zu heiß, ist imer gut, erhält den Kopf freÿer,
weil es abwärts ziehet. Nur keinς Wein, und nicht kalt
trinkς. Die Lindgesottnen Gelbς ruebς sind auch zum Mittag=
und Nachtessen unvergleichlich, auch die süssen ruebς stark=
versottς oder, nach der Kuchlsprache, die gedünsten gelben
und süssen ruebς
sind vortrefflich, dan zu zeitς ein paar
gebrattne meschanzger Äpfel
 p: unter Tags zum Anfeuchtς,
die man ja nur auf den ofς legς kan odς in einς Rohr. pp:
Nun hast du eine halbe Appotecke, und auch einen gutς

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Küchenzettl dazu. Doch ist beÿ allem das Beste, und
durch das man am geschwindestς davon komt, wen
man beÿ zeitς, mit wenigem den Magς beschwert, sich schlafς
legt, um in gleicher Wärme, der Natur Ruhe zu lassen,
wo sich dan diese den Catharr verursachende verdorbnς Säfte
zertheilen, flüssig werdς und leichter theils durch den Speichel
theils per urinam und Secessum ihren Ausgang nehmς.
ita Clarissimus Dominus Doctor Leopoldus Mozartus.
Ja, da ist weiter nichts zu Lachen! dan die Terese Barisani
war morgens um 9 uhr heute schon da, der Brief kam
aber erst um halbe 11 uhr sonst hätte deine Schwester ihre Comission
abgelegt. – ich hätte es wohl doch auch verrichtς könnς.
à proposito vom Complimς: – an meinem NahmensTag kam Md:me
Maresquelle
mir Glückzuwünschς, sie sagte ihr französς: Compliment
und unter demselbς neigte sie imer ihren rechtς Blattermasichtς
Backς gegς mein Gesicht. ich dachte an nichts und verstand keinς
Teufel, endlich kam sie so nahe, daß meine Dumheit erwachte,
und ich merkte, daß ich die Gnade genüssς sollte, sie darauf zu
küssen, ich thats unter der grösstς verlegenheit, und im Augen=
blicke wand sie auch den Linckς her, da musst ich nun auch diesς
Kissen. geschwind sahe ich mich im spiegel, dan ich empfands, daß ich
mich so schämte, so, wie ich mich schämte als ich in meiner Jugend
einem Frauenzimer den erstς Kuß gab, odς wie mich die Frauen
in Amsterdam nach dem Ball zum Küssen zwangς. Ich glaube
es wird nicht übel seÿn sie zu ruffς, wen ich mich mahlς lasse; dan
werde ich doch eine Lebhaftere Farbe habς. ohò ich sehe das Papier ist voll.
Wir Küssen dich, wünschς dir gute Besserung, gedult! gut haltς! beÿm
Schreibς aussetzς
! bald schlaffς gehς! dich nicht verkältς! in der frühe ein
wenig dünstς! Diät! gute Nacht! ich bin dein getreuer redlicher Vatter
                                                                                    LMzt mp

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