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Mon cher Fils!
                                            68
                                        Salzbς: dς 28 Decembς:
                                                                                                                               1778
Du wirst, da dieses schreibe vermüthlich schon in Münchς angelangt seÿn. Ich habe dir
schon zu wiederhohltς mahlς geschriebς, daß unser Interesse, und meine Aussicht es erfordς,
daß du dermahl nach Salzbς: zurückkehrest, und da ich glaubte du würdest deiner Vernunft
zur Überlegung Platz gebς, und auf die dir gar wohl bekannte Einsicht deines Vatters
mehr, als auf deine Hofnungsleere wünsche vertrauen setzς, so konnte ich nicht im geringstς
zweifeln, daß du auf das neue Jahre nun endlich gewiß in Salzbς: seÿn würdest:
allein, da ich es am wenigstς dachte, und schon einς Brief von Augspς aus zu sehς
glaubte, so giebst du mir Nachricht, daß du mit dem hς: Prelatς erst dς 26 odς 27
nach Münchς reisen wirst. gut! – diese Gelegenheit entschuldiget dich. Nun aber
bilde dir nicht ein in Münchς hinzusitzς. von Augspς: ist gar die Rede nicht, ich
habe da nichts nothwendiges zu betreibς. Ich will also, daß, wen du keine gute Ge=
legenheit früher findest, daß du, sage ich, mit der erstς dilligence die in der erstς woche
des Jeners abgehet, dich hieher begiebst. der gewöhnliche PostwagςTag ist dς Mittwoch,
folglich der 6te Jener, da aber an diesem Tage das Fest der hl: 3 Könige ist, so
mag er etwa einς Tag später gehς: obwohl er auch diesen tag vielleicht gehς wird, weil
er erst um Mittag geht, wo die Kirchςzeit schon vorbeÿ ist. sollte es dir beyfallς,
durch hς: Canabich wegς eines längern Aufenthalts an mich schreibς zu lassς, so
würde es von darum eine vergebene Arbeit seÿn, weil ich ihm dan alles so
umständlich und so überzeugend nach der länge überschreibς würde, daß er meine
Gründe den Augenblick einsehς und sich über manches sehr wundς würde. allein,
was will ich viel sagς. du selbst, wen du ohne vorurtheile |: alle lustigς Träume
beÿ seits gesetzt :| alles überlegst, wirst so gut, als ich sehen, daß ich recht habe:
und ob ich gleich mir nicht die Mühe gebς dürffte über meine Meinung dir Rechen=
schaft zu gebς, so will ich doch eines und andςes berührς, da ich vom vielschreibς
herzlich müde bin und mir seit 15 Monate fast die Augen vergebens aus
dem Kopf geschriebς. dir steckt absolute im Kopfe in Münchς anzukomς!
begreifst du den nicht, daß es mit unserm Vortheile nicht geschehς kan? – –
du weist daß dς Hof mit Leutς übersetzt ist: und weist du, daß der Churfürst
sich um die Musik nichts bekümert? – – und glaubst du wohl ich würde es
zu geben, daß du um 6 odς 700 f da bliebest? weist du warum? – –

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weil hier 4 und 500 f weiter reichen als 6 und 700 f in Münchς, und
weil man nicht weis wie lange der spass dauert. Ich gieb meine Seeligkeit
zum Pfand, daß die ganze Musik in Münchς das drittl ihrer besoldung
fallen lässt, wen sie einς dienst, der niemahls abstirbt, erhaltς könnς.
das geschieht aber dermahl nicht aus der Ursache, als wollte ich, daß du dein
lebstage die hiesigς Dienste behaltς sollst, – keineswegs –, das sollst du absolute
nicht! nur will ich itzt unsere Schulden sicher bezahlt wissς, – und das muß
seÿn – das muß ohnabänderlich seÿn! ich bin alt, – ich kan nicht wissς
wen mich Gott in die Ewigkeit rufft, ich will nicht mit schuldς sterbς, und
noch weniger will ich daß man wisse daß ich durch dich in diese Schuldς verfallς, davon der=
mahl niemand, ausser dem hς: Bullinger, etwas weis. ich will nicht, daß
um schuldς zu bezahlς unsere Sachς nach meinem todt elendig verkauft und
um das halbe geld hingeworffς werdς. – da wir mit kleinem Gehalt
lebς musstς und unser Geld beyzusetzς gezwungς warς, damahls würde ich
mich entschlossς habς etwas bessers zu nehmς; alleine da ich itzt alle Monate
mit deinem Gehalt sicher 100 f einehme, so sehe, daß ich, da noch accidentiς,
und der Verkauf meiner Bücher dazu komς, in einem paar Jahrς alles
bezahlt habe und ruhig sterbς kan: und das muß ich und das will ich!
damit ich mich aber dir vollkomς erkläre, so wisse, daß, wen ich auch für
meine Person den Hazard machς wollte, auf den Tod des Churfürstς gar
nicht zu denkς, ich niemals einς Antrag für dich anehmς würde, als
1000 f, und da müsten wenigst 400 f auf mich, die übrigς 600 f auf
dich
 decretiert seÿn. – Nun muß ich dir aber noch die gefährlichς
aspecten von Europa vor augς stellς, wo du, wen Du Vernunft hast,
gleich einsehς wirst, daß Salzburg der beste Winckl ist, wo man den
Ausgang ruhig und ohne Gefahr, vergnügt abwartς kan.
Russland hat sich bereits wider die österς: Besitznehmung von Baÿern
erklärt. da stehς nun über 30000 Man bereit die Preussen zu versterkς.

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alle Lutherischς oder Protestantischς Fürsten sind theils unter dς Hand, theils offenbar
mit Preussen verstanden, Schweden, Hanover, Hessen, Braunschweig p: p: –
Sachsen ist ohnehin mit 30000 Man beÿ Preussen, und damit Sachsen nicht mehr
umsatteln kan, so halten die in Sachsen stehendς Preussen die Sächsischς truppen
so unter ihrς Augen und respective gefangς, daß sie gänzlich nicht nur unter=
mischt sind, sondern so gar in der Hauptstatt Dressden, ja selbst in
der Residenz alda aller Orten 2 Schildwachς stehς, nämlich
ein Sachse und ein Preusse. das sagt so viel, der Sachse ist des Preussen
Gefangener und sein Beobachter. Bricht Russen loß – So bricht der
Türk gegς Russς aus. Wird Preussς durch Schwedς und Hanover
verstärkt; so muß sich Frankreich mit den stipuliertς 25000 Man
Hilfstruppen für östereich in Bewegung setzς, da giebts Krieg im
Reich, Krieg in Böhmς, MährςSchlesien, Pohlen p: und Prinz Heinrich
wird mit seiner Preussischς Arme versuchς ins Bayern beÿ Straubing
|: wens ihm gelingt :| einzubrechen – dan wird sich Spaniς und Por=
tugal auch erklern, – Kurz! ein erschröcklicher allgemeiner
Krieg ausbrechς. Italiς wird noch der ruhigste und glücklichste Ort bleibς.
unter dessς wird man freilich diesen Winter hindurch sich an allen
Höfen Mühe gebς dieses erschröckliche Übel zu verhindς. ja, da der
Churfurst von Bayrn und Pfalz nach Wien gehς soll, und wie man heute
sagt, bereits dahin soll abgereiset seÿn, so mag es wohl dahin abziehlen
einen grossen Ländervertauschungs Plan zu entwerffς, um dadurch
dem Könige in Preussς und allen Widersprechern das Maul zu
Stopfen, das Gleichgewicht in Europa zu erhaltς und denoch die
Ländervertauschung also einzurichtς, daß Böhmς, Frankς und das
Reich bedeckt und vor Preussen sicher bleibt. vielleicht könnte dieß
zu stande Gebracht werdς, wen Östereich ganz Baÿern erhielte und
dagegen dem Churfürstς eben so viel von den Niederlandς abtrettς wollte,
was ganz Baÿern beträgt? – – da dan der Churfurst seine Länder
mehr beysamς hätte, und gegς alle Anfälle durch franckreich und östereich

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versichert und dadurch auch Zweybrückς zu frieden gestellt wurde.
du siehest also, daß nichts geringeres als eine ganze umwendung und ver=
tauschung der Länder oder ein erschröcklicher Krieg bevorstehet, in welchς
alle Mächte verwickelt werdς. und da habς die grossen Herrn auf ganz
etwas anders als auf Musick und Tonkünstler zu denckς. Man muß
diese grosse Epoca in einem ruhigen Winckl abwartς, sonderheitlich da
Preussen das ganze Römische Reich wiedς Östereich, Östereich hingegς
solches widς Preussς auffordert. Kurz! ein vernünftiger Man
muß auf die Folgen denken, und es sind hundert andςe Sachς, die den
Entschluß dich itzt ein paar Jahre hier zu habς, nothwendig machς,
die alle herzusetzς nicht möglich ist. du bist den 26 Septς: von Paris
abgereiset: wärest du geradezu nach Salzbς: gereiset, so hätte ich
schon 100 f an unsern Schuldς bezahlt, will sagς – bezahlen könnς.
Ich will also, daß du alsogleich nach meiner vorschrift abreisest, da
es abscheulich ist, und ich mich schäme alle Welt versichert zu habς, daß
du auf Weinachtς odς auf allerlängste auf das Neue Jahr ganz ge=
wiß hier seÿn wirst. Himel, wie oft hast du mich zum Lügner
gemacht! – die Sonaten für die Churfurstin sollς nichts verhindern;
den, sind sie da, – so kanst du sie übergebς. sind sie nicht da –, so
kanst du dem hς: Canabich Comission gebς und mit ihm auch darüber
Correspondierς: da möchte der Plundς darauf wartς; das wäre
lächerlich –, wer weis was wieder hinter diesς schönς Veranstaltungς
stecket! und sind sie nicht da, und komς seiner zeit, so werde
ich Rath schaffς, was zu thun ist. Nun glaube, daß ich mich deutlich
erkleret habe –, oder muß ich selbst auf die Post sitzς und dich
abhohlen –, so weit wird es wohl doch mein Sohn nicht komς lassς!
Gestern hattς wir grosse Compagnie beÿm Pölzlschüssς, es war ein er=
staunlicher Lerm; alles empfehlt sich sondςheitl: Ceccarelli und Bullinger
die Nanerl und ich Küssς dich viel 100000 Mahl und ich bin dein dich
                                                               erwartendς Vatter Mzt mp

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