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                                                                                                 Manheim den 3:ten Dec:bre
                                 Monsieur
                              56
                                   1778
                                 mon trés cher Pére!

Ich habe sie wegen zweÿ sachen, um verzeihung zu bitten; Erstens, daß ich ihnen so
lange nicht geschrieben, und zweÿtens, daß ich für diesmal kurz seÿn muß; –
daß ich ihnen so lange nicht geantwortet, ist kein mensch ursach als sie selbst – durch
ihren ersten brief nach Manheim; – ich hätte mir wahrhaftig niemalen vorgestellt,
daß – doch stille, ich will nichts mehr davon sagen; – den es ist nun alles schon vorbeÿ;
künftigen Mittwoch als den 9:ten reise ich ab – ehender konte ich nicht, den, weil ich noch
ein paar Monathe hier zu verbleiben glaubte, übernahm ich scolaren – und da wollte
ich doch meine 12 lectionen ausmachen; – ich versichere sie, sie könen sich gar nicht
vorstellen, was für gute und wahre freünde ich hier habe – mit der zeit wird es
sich gewis zeigen; – warum ich kurz seÿn mus? – weil ich die hände voll zu
thun habe; – ich schreibe nun dem hς: v: Gemingen, und mir selbst zu liebe den
Ersten Act der Deklamirten opera |: die ich hätte schreiben sollen :| umsonst; –
nehme es mit mir, und mache es dan zu hause aus; – sehen sie, so gros ist
meine begierde zu dieser art Composition; – der hς: v: Gemingen ist der Poët, ver=
steht sich, – und das Duodrame heist; Semiramis; –
Ich habe ihr leztes vom 23:ten Nov:bre auch richtig erhalten; – künftigen Mittwoch
reise ich ab, wissen sie wohl mit was für gelegenheit? – mit den hς: Reichsprälaten
von kaÿsersheim; – als ihn ein guter freünd von mir gesprochen – so kente er mich
gleich vom Namen aus; – und zeigte viell vergnügen mich zum Reis=compagnon zu
haben; er ist |: obwohlen er ein Pfaff und Prälat ist :| ein recht liebenswürdiger Man;
ich gehe also über kaÿsersheim und nicht stuttgard – da liegt mir aber gar nichts
daran, den es ist gar zu gut wen man auf der Reise den beutl |: der ohnehin gering ist :|
ein wenig sparen kan; – geben sie mir doch einmal antwort auf folgende fragen:
wie gefallen die Comödianten zu Salzburg? – heist das mädl welche singt, nicht
kaiserin? –

DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM

INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
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spiellt hς: feiner auch das Englische horn? – ach, wen wir nur auch clarinetti hätten! –
sie glauben nicht was eine sinfonie mit flauten, oboen und clarinetten einen herrlichen
Effect macht; – ich werde dem Erzbischof beÿ der ersten audienz viell neües er=
zehlen, und vielleicht auch einige vorschläge machen; – ach, die Musiquente
beÿ uns viell schöner und besser seÿn, wen der Erzbischof nur wollte; –
die hauptursach warum sie es nicht ist, ist wohl weil gar zu vielle Musicken
sind; – ich habe gegen die Cabinetts=Musick nichts einzuwenden, – Nur gegen
die grossen; – apropos, sie schreiben gar nichts, aber ohne zweifel werden
sie wohl den kuffer Erhalten haben? – den sonst müste es wohl der hς:
v: Grim verantworten; – da werden sie die aria, die ich der Madselle Weber
geschrieben, gefunden haben; sie könen sich nicht vorstellen was die aria
für einen Effect mit den instrumenten macht; man siehts ihr nicht so an; –
es muß sie aber währlich eine weberin singen; – ich bitte sie, geben
sie selbe keinem menschen; – den das wäre die gröste unbilligkeit die man
begehen könte, indem sie ganz für sie geschrieben, und ihr so past, wie
ein kleid auf den leib; – Nun leben sie recht wohl, liebster, bester
vatter; – meine liebe schwester umarme ich von ganzem herzen –
und an unsern lieben freünd Bullinger bitte alles erdenckliche aus=
zurichten; – an ceccarelli, hς: Fiala, seine frau, und hς: feiner meine
Empfehlung, und an alle Salzburger die ein bischen wissen wie es
ausser den Salzburgerland aus=sieht; – Adieu, ich küsse ihnen
Tausendmal die hände und bin dero gehorsamster Sohn

                                                         wolfgang Amadè Mozart mp

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