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Mon cher fils!
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Salzb
ς dς 23
Novbς:
1778
Ich wünsche daß dich dieser Brief nicht mehr in Manhei
m antrift, und da du meine
antwort vom 19
tς wirst erhaltς haben, so hoffe, daß, we
n du noch in Manheim Bist,
mit dem erstς Postwagς abreisς wirst, und das ist die Ursache, warum ich dieses
zweyte Schreibς an dich erlasse. Ich bin deiner
projecten müde, durch welche du
mir die besten Plane, die ich oft hatte zu nichts gemacht; welches du nicht einsiehest,
weil du nichts mit kaltem Blut und ohne Vorurtheile überlegς ka
nst – odς willst, –
freilich oft nicht ka
nst, weil du dich, durch das feuer deiner Jugend, und
durch die schmeichelhaftς Vorschläge, die dir bald dieser bald jener macht, in einem
Augenblicke hingerissen wirst, und alles für Gold ansiehest, das doch am Ende
nichts als falsches Rauschgold ist. du vergissest dadurch, daß dein Vatter dein
einziger bester wahrer freund ist, der so wohl aus vätterlicher Schuldigkeit nach dem
Gesätz Gottes, als aus Liebe zu seinem Kind am aller gewissestς und untrüglichstς
dein Bestes besorgς muß – wird, und ka
n. Ich konnte auch nicht allzeit die Kette
und den Zusa
menhang meines Plans schreibς, da dieses und jenes von Verän=
derung der Umstände abhängt, darüber ich aber auch schon 2 und 3 andςe
wege im Kopf hatte. Zweÿ Sachς sind, die dir den Kopf voll machς und
dich an aller vernünftigς Überlegung hindern. die erste und Hauptursache
ist die Liebe zur
Mdss:le Weber. der ich ganz und gar nicht entgegς bin; ich
wars damahls nicht als ihr Vatter arm war, warum sollte ichs nun itzt
seÿn,
da sie dein Glück – und nicht du ihr Glück machς kannst? – –
und ich muß vermuthς, daß ihr Vatter diese Liebe weis, da es alle Manheimer
wissen, – da
es h
ς: Fiala von ihnς gehört, – da es h
ς: Bullinger, der beÿm Graf
Lodron als Instrucktor ist, hier erzehlte, da er mit den Manheimer
musicis
auf dem Postwagς von Ellwang |: wo er in dς
Vacanz war :| fuhre,
und diese von nichts anderm mit ihm sprachς, als von deiner Geschicklichkeit,
Composition und Liebe mit
Msse: Weber. – Nun hab ich dir auch schon
längst meine Meinung geschriebς, daß du durch die Antrettung der hiesigς
Dienste Gelegenheit beko
mst näher beÿ Münchς zu seÿn, wo du in 18 Stundς
seÿn ka
nst – von woher wir alles, auch das mindeste erfahrς kö
nς,
wohin wir, so gut als auf
Seon, eine spazierreise machς kö
nς, und wo
uns h
ς: Weber und seine
Mss:le Tochter hier besuchς und beÿ uns wohnς
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ka
n, ja ich wollte – und will dies nun schreibς, daß du h
ς: Canabich, h
ς: Wendling,
h
ς: Rahm h
ς: Ritter einladς sollst uns zu besuchς – im frühejahre und So
mer
haben diese herrn nicht viel zu thun und wird ihnς zum vergnügς dienς eine
so kurze nicht kostbare spazierreise zu machς. Sonderheitl: wird die
Antrettung der hiesigen dienste |: ob es gleich itzt
die 2te Ursache ist, die
dir den Kopf voll macht :| die einzige sichere Gelegenheit seÿn, wiederum
nach Italiς zu ko
mς, welches mir mehr im Kopf steckt als alles das übrige.
und diese Antrettung ist ohnabänderlich nothwendig, we
n du anderst
nicht den
allerverdamlichstς und bosshaftestς Gedankς hast, deinς für dich so
besorgtς Vatter in Schand und Spott zu setzς; deinς Vatter, der seinς Kindern
alle Stundς seines Lebens aufgeopfert, um
Credit und Ehre zu bringς, da ich
nicht im Stande bin eine Schuld, die sich in allen auf 1000 f belauffet, zu be=
zahlς, we
n du nicht durch die hier richtige Ei
nahme deines Gehalt die
abzahlung erleichterst; wo ich da
n sicher alle Jahre über 400 f abzahlς,
und noch dabeÿ mit euch beydς herrlich lebς ka
n. derjenige Sohn,
der sich statt seines Vatters ins Gefängniß werffς ließ, ja dς für ihn gar
sterbς wollte würde es wohl ganz angenehm gefundς habς seinem Vatter
zu liebe jährlich mit ein bisschen Beschwerniß und auch damit ver=
mischtem vielem Vergnügς einige hundert Guldς einzunehmς, anstatt
wegς 25
Louisd'or einς ganzς Winter zu einem
Concert hinzusitzς und
seinς Vatter schmachtς zu lassς. Allein was nützt alle Vorstellung die
dir mein redliches Vatterherz macht, we
n du, da du den Brief mit flichtigς
Augς durchliesest, ohne
Reflexion – scharfes Nachdenkς über die Vorfälle
deiner ganzς Reise und meiner Vorstellungς zu machς, solchς weglegst und
deinς flichtigς Lieblingsgedankς und Projecktς überlässt, die wie eine
Seifenblase in der Luft zerplatzς. du bist auf dieser Reise schon
so oft hinter das Liecht geführt wordς, du hast so vielmahl erfahrς, daß
ieder der dir Gefälligkeitς erwieß, odς doch die allermeistς solches aus
Interesse und aus Absicht thatς: und wie viele habς dir goldene Berge
versprochς – und nichts gehaltς? – – – Liebster Sohn! – du ke
nst die Welt
noch zu wenig. – – we
n du aber einmahl wieder zu Hause seÿn wirst, und
da
n mit mehr Ruhe und mit kaltem Blute allen den Begebenheitς,
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allς den falschen Verheissungς und verschiedenς Umständen, die dir itzt durch die
zu vielle Zerstreuungς entwischς, die dein flüchtiger Geist nicht beobachtet, we
n
du allen diesen Sachen nachdenckς wirst; da
n wirst du auch dich meiner Briefe
und aller meiner Prophezeiungς und Voraussehung des menschlichς Undanks
eri
nern und eine nützliche Lehre für die Zukunft daraus ziehς. Herr
Fiala
war gestern Beÿm Erzbischof, und da er ihn um alles wegς den Ma
nhei
mern fragte,
sonderheitlich wegς den
Compositionς, so sagte ihm h
ς: Fiala, daß die beste Musik die
die h
ς: Manhei
mer hättς vom
Mozart wärς: daß gleich in der erstς
accademie,
dern alle Montage eine im KaysersSaale ist, ausser der
Synfonie vom
Canabich, alles
übrige vom
Mozart war; daß gleich nach der
Synfς:
Mdsse Weber eine
Arie vom
Mozart, dergleichς er in seinem Lebς nicht gehört hätte, gesungς habe. – da
n mußte
er dem Erzbischof alles sagς, – er fragte ihn über ieden besonders, der von dir ein
Concert gemacht, und zeigte sein grosses Vergnügς darüber, da
n muste er ihm auch
umständlich das Singen, alter
p: der Weberin
beschreibς
p: – Mein Lieber Wolfgang! ich denke
i
mer h
ς: Weber ist ein Ma
n, der, wie die
meisten derleÿ Leute sind, die sich in der Armuth
schmuckς, und da
n in Glückesumständς nicht
mehr ke
nς. Er schmeichelte dir, da er dich nötig
hatte – vielleicht gestehet er es itzt nicht einmahl daß du ihr etwas gezeigt
oder gelernt hast. gemeiniglich sind diejenigς, die arm warn, recht stolz, we
n
sie in gute Umstände ko
mς. – gestern Sontags am
Fest Ceciliæ hat deine Schwester
den
Ceccarelli, den
Fiala und
seine Frau zum speisen eingeladς, damit sie mich ermuntern,
da ich seit dem 19
tς, wo deinς Brief aus Manheim erhaltς, sehr krank war, weil ich ganze
Nächte nicht schlafen konnte und i
mer an dich dachte und den
21 der Hochzeittag war, wo,
wir, wa
n deine ehrliche seel: Mutter lebte, 31 Jahre verhayratet wärς. Nachdem Essς
kamς, h
ς: Bullinger, h
ς: Zahlmeister, der
Hautboist Feiner, und die
Cathς: Gilowsky
zum Pölzlschüssς, da
n wurde
Coffé getrunckς; um 4 uhr gieng alles in die
Comœdie,
und um 7 uhr nach Hof,
Fiala bließ ein
Concert, und die erste
Synf: war eine
Finalmusik
Synfonie von dir,
andante und
Trio mit
Hautb: Solo.
Brunetti hat alle vom Stadler
verlangt und nach Hof schreibς lassς; Sie habens recht gut
produciert. Was ich dieser Täge für
eine Noth hatte! da die
Coffre und
Bagage des
Fiala auf der Wag abgewogς und zu mir
gebracht wurde, so glaubte h
ς: kolb – andretter
ς: und alle Welt es wäre deine
Bagage, und
du wärest, tags darauf mit dem Postwagς angeko
mς: das war ein Geläuffe! umsonst!
Ich habe einς beque
mς
Legkastς in dein Zi
mer machς lassς, wo man die kleider auf Stellen
ganz Beque
m hineinlegen ka
n, ohne Schubladς, mit zweÿ thürn, recht beque
m,
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und das
Clavicordin stehet schon längst unter dem Schreibtische. der Graf
Sigerl Lodron
war vorgestern zum sterbς. Man hat 2 neue Schnitt in Leib machς müssς, und seit einigς
Tagς ward so ein unerträglicher Gestank und faule Materie, daß die Leute dabeÿ krank
geworden; heute gehet es etwas Besser, da
n die Materie fliesst itzt wiedς frisch, und ist nicht
mehr Schwarz. – halte dich nicht mehr auf, we
n du noch da bist, we
n du willst, daß ich
glauben soll, daß du mich liebst und noch beÿm Lebς erhaltς willst, ich küsse dich millionmahl
und bin dein redlicher Vatter Mzt
mp
deine Schwester umarmt dich von ganzem Herzς. Ceccarelli kan den Augenblick nicht
erwartς dich zu sehς. hς: Bullinger, Fiala, seine Frau, hς: Feiner, gilowsky ruescherl,
alle Robinischς, Andretterischς, Mölckischen, Hagenauerischς, Kolbischς p: empfehlς sich.
ich hab den Fiala zum Hagenauer ins quartier über 3 Stiegς zum wohnς gebracht,
wo du und deine Schwester gebohrn sind. Ich hoffe du wirst also gleich abreisen,
sonst schreib ich an Md:me Canabich – ich will, wen Gott will, noch ein paar
jahre Lebς, meine Schuldς zahlς, – und dan magst du, wen du lust hast, mit dem
Kopf an die Mauer lauffen: – – doch, Nein! du hast ein zu gutes Herz!
du hast keine Bossheit – du bist nur flüchtig! Es wird schon komς!
À Monsieur
Monsieur Le chevalier Wolfgang
Amadé Mozart maître de musique
FroAugl:
à
Manheim
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