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                                                                                             Manheim le 12 nov:bre
                               Mon Trés cher Pére!
         55
                                1778

Ich bin hier den 6:ten glücklich angelanget, und habe alle meine gute freünde auf
eine angenehme art überaschet; – gott lob und danck daß ich wieder in meinen
lieben Manheim bin! – ich versichere sie, wen sie hier wären, so würden sie
das nemliche sagen; ich wohne beÿ der Mad:me Canabich – die, nebst ihrer
famille und allen guten freünd fast für freüde ausser sich kam, als sie
mich wieder sah; – wir haben uns noch nicht ausgeredet, den sie erzehlt
mir alle die historien und veränderungen die seit meiner abwesenheit
vorbeÿ=gegangen; – ich habe noch, so lange ich hier bin, nicht zu
hause gespeist – den, es ist recht das geriss um mich; mit einen
wort; wie ich Manheim liebe, so liebt auch Manheim mich; –
und ich weis nicht, ich glaube, ich werde doch noch hier angestellet
werden! – hier, nicht in München; den, der Churfürst wird, glaube ich,
gar gerne wieder seine Residenz in Mannheim
gmr glrnl wfldlr olfnl Rlofdlnz fn Amnulfa machen,
                die Grobheiten
              Herren Bayern

indeme er dfl grsbulftln von den ulrrn bmÿrn ohnmöglich
            wird aushalten
lange wfrd mhoumetlnnen! – sie wissen daß die Manheimer
Truppe zu München ist? – da haben sie schon die 2 ersten actricen
Mad:me Toscani und Mad:me urban ausgepfiffen, und war so
                               der Kurfürst selbst                   Loge

ein lerm, daß sich dlr Cuhrih"rot olebot über die Esgl neigte,
und sch– – machte – nachdem sich aber kein Mensch irre machen
                                                  der Graf Seeau
ließ, hinab schickte, – und aber dlr grmi olmh, nachdeme er
einigen officiren sagte, sie sollten doch kein so lerm machen,
der Kurfürst
dlr Cuhrih"rot sehe es nicht gerne, zur antwort bekam; –
        seyen um ihr baar Geld               hätte ihnen kein

sie olÿln ha fur bmmr gled da und um"ttl funln klfn
Mensch zu befehlen
alnocu zh blilueln – doch was ich für ein Narr bin! dieß
werden sie schon längst durch unsern – wissen;
Nun komt etwas; – ich kann hier vielleicht 40 louisd'or gewinen! –
freÿlich muß ich 6 wochen hier bleiben – oder längstens 2 Monath; –
die seilerische trupe ist hier – die ihnen schon per Renomè be=
kant seÿn wird; – hς: v: Dallberg ist Director davon; – dieser

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läst mich nicht fort, bis ich ihm nicht ein Duodrama componirt habe, und
in der that habe ich mich gar nicht lange besonen; – den, diese art Drama
zu schreiben habe ich mir imer gewunschen; – ich weis nicht, habe ich
ihnen, wie ich das erstemahl hier war, etwas von dieser art
stücke geschrieben? – ich habe damals hier ein solch stück 2
mahl mit den grösten vergnügen auführen gesehen! – in der
that – mich hat noch niemal etwas so surprenirt! – den, ich
bildete mir imer ein so was würde keinen Effect machen! –
sie wissen wohl, daß da nicht gesungen, sondern Declamirt
wird – und die Musique wie ein obligirtes Recitativ ist –
bisweilen wird auch unter der Musique gesprochen, welches alsdan
die herrlichste wirckung thut; – was ich gesehen war Medea
von Benda – er hat noch eine gemacht, Ariadne auf Naxos,
beÿde wahrhaft – fürtreflich; sie wissen, das Benda unter
den lutherischen kapellmeistern imer mein liebling war;
ich liebe diese zweÿ wercke so, daß ich sie beÿ mir führe;
Nun stellen sie sich meine freüde vor, daß ich das, was ich
mir gewunschen zu machen habe! – wissen sie was meine
Meÿnung wäre? – man solle die meisten Recitativ auf
solche art in der opera tractiren – und nur bisweilen, wen
die wörter gut in der Musick auszudrücken sind, das Reci=
tativ
singen; –
Man richtet hier auch eine accademie des amateurs auf, wie in
Paris – wo hς: fränzel das violin Dirigirt – und da schreibe
ich just an einen concert für Clavier und violin
meinen lieben freünd Raaff habe noch hier angetrofen – er
ist aber den 8:ten von hier weg; – er hat mich hier sehr gelobt,
und sich um mich angenohmen – und ich hoffe er wird es in
                                                                      der verfluchte
München auch thun; – wissen sie wohl, was dlr vlriehcutl
Kerl
klre olmh hier gesagt hat? – Meine opera buffa zu
          Seeau

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München seÿe ausgepfiffen worden! – unglücklicherweise hat er es aber
in einen ort gesagt, wo man mich gar zu sehr kent! – mich ärgert
aber nur die kekheit, indeme die leüte wen sie nach München komen,
just das gegentheil erfahren könen! – ein ganzes baÿerisches
Regiment ist hier – und da ist mit hier – die – freÿllein de Pauli
wie sie mit ihren dermaligen Namen heist, weis ich nicht – ich war
aber schon beÿ ihr – den sie hat gleich zu mir geschickt – O! –
was ist doch für ein unterschied zwischen die Pfälzer und baÿern! –
was das für eine sprache ist! – wie grob! – und die ganze
lebens=art schon! – ich habe währlich sorge, wen ich wieder das
hoben und olles mit einonder hören werde; – und das
gestrenge herr! – Nun leben sie recht wohl, und schreiben sie
mir bald – nur die einfache addresse an mich – den auf der Post
wissen sie schon wo ich bin! – hören sie nur wie mein Name
hier bekandt ist – es ist gar nicht möglich daß hier ein brief
für mich verloren geht – Mein bäasle hat mir geschrieben –
und anstatt Pfälzischen hofe – franckischen hof – der wirth
hat den brief gleich zum hς: hofkamerrath serarius geschickt,
wo ich das vorigemal logirt habe – mit dieser Post werde
ich ihr schreiben, daß sie mir die briefe, die beÿ ihr auf mich
warten, hieher schicken soll; –
was mich beÿ der ganzen Manheimer und Münchner geschichte an
meisten freüet ist, daß der weber seine sache so gut gemacht
hat – sie komen nun auf 1600 fl: – den die tochter hat
allein 1000, und ihr vatter 400 und dan wieder 200 als
Souffleur – der Canabich hat das meiste dabeÿ gethan – es
                                                       Graf Seeau
war eine ganze historie; – wegen grmi olmh – wen sie es
noch nicht wissen, so will ich ihnens nächstens schreiben.
unterdessen leben sie recht wohl, mein liebster, bester vatter
ich küsse ihnen 1000mahl die hände, und meine liebe schwester
umarme ich von ganzem herzen und bin dero gehorsamster sohn
                                                           wolfgang Amadè Mozart mp

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Ich bitte sie, liebster vatter, machen sie sich diese sache zu Salzburg zu
nutzen, und reden sie so viell und starck, daß der Erzbischof glaubt ich
werde vielleicht nicht komen, und sich resolvirt mir bessern gehalt zu geben,
den, hören sie, ich kan nicht mit ruhigen gemüth darauf dencken; – der
Erzbischof
kan mich gar nicht genug bezahlen für die sclaverey in salzbourg!
wie ich sage, ich empfinde alles vergnügen wen ich gedencke ihnen eine
visite zu machen – aber lauter verdruß und angst, wen ich mich wieder
in diesen bettl-hof sehe! – Der Erzbischof darf mit mir gar noch
nicht den grossen, wie er es gewohnt war, zu spiellen anfangen – es
ist gar nicht unmöglich daß ich ihm eine nase drehe! – gar leicht;
und ich weis gewis daß sie auch theil an meiner freüde nehmen werden;
Adieu; – wissen sie, wen sie mir 10 X: ersparen wollen, so adressiren
sie ihre briefe nach Manheim allzeit:
                                                  à
                                                  Monsieur

                                            Monsieur Heckman Registrateur
                                            de la chambre des finances de S: A: S:

                                            Elec: Palatine
                                                              à
                                                               Manheim.


Adieu nun – leben sie recht wohl – geben sie achtung auf
ihre mir so kostbare gesundheit;

Meine Empfehlung an alle gute freund und freundinen
besonders an unsern wahren freund Bullinger.

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