[S. 1]


Strasbourg den 15:
ten
Monsieur 53
octobre
mon trés cher Pére! 1778
Ich habe ihre 3 briefe von 17:
ten sept:bre, 24:
ten sept.bre und 1:
ten oct:bre richtig erhalten;
ihnen aber ohnmöglich eher antworten kö
nen; – ich hoffe sie werden mein
leztes schreiben aus
Nancy auch richtig beko
men haben; – mich freüet es
von ganzem herzen daß sie beÿde gott lob und danck gesund sind; ich bin es,
gott seÿe gedanckt, auch, und zwar sehr; – Nun will ich ihnen, so viell
es möglich ist, auf das nothwendigste aus ihren 3 briefen antworten –
was sie mir von den
M:r grim geschrieben, weis ich natürlicherweis besser
als sie; – es ist alles sehr höflich und gut – das weis ich wohl – de
n
we
n es nicht also wäre, so hätte ich gewis nicht so viell
ceremonien ge=
macht; – ich bin dem
M:r grim nicht mehr als 15
louisd'or schuldig, und
an der ermanglung der wiederbezahlung ist er selbst schuld – und das
habe ich ihm auch gesagt; – Nun, was nüzt das geschwätz – wir werden
schon in Salz
bourg davon sprechen – ich bin ihnen sehr verbunden daß
sie dem
Padre Martini die sache so sehr anbefohlen – und auch deswegen
selbst an
M:r Raaff geschrieben – ich habe auch niemahl daran gezweifelt –
de
n, ich weis wohl, daß sie es gewis gerne sehen, we
n ihr sohn glücklich
und vergnügt ist – und wissen wohl, daß ich es nirgend besser seÿn ka
n
als in München – inde
me ich, weil es so nahe beÿ Salzburg ist, sie
öfters besuchen ka
n; – daß die
Mad:selle weber, oder viellmehr meine
liebe weberin besoldung beko
men, und man ihr also endlich gerechtigkeit
hat wiederfahren lassen, hat mich so sehr erfreüet, wie man es von einem,
der allen antheil daran ni
mt, erwarten ka
n; – ich empfehle sie ihnen
noch i
mer aufs beste; – doch, was ich so sehr gewunschen, darf ich leider
nicht mehr hoffen, nemlich, sie in Salzburgerische dienste zu bringen, de
n,
das, was sie oben hat, giebt ihr der Erzbischof nicht – alles was möglich ist,
etwa daß sie auf einige zeit nach Salzburg ko
mt, eine
opera zu singen;
ich habe von ihren vatter einen den tag vor seiner abreise nach München
in gröster Eÿl geschriebenen brief beko
men – alwo er mir auch diese neüekeit
berichtet – die armen leüte waren alle wegen meiner in der grösten
angst – sie haben geglaubt ich seÿe gestorben, inde
me sie ein ganzes
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 2]


Monath ohne brief von mir waren, weil der vorlezte von mir verloren gegangen –
und sie wurden in ihrer Meÿnung noch mehr bestärckt, weil man in Manhei
m
sagte, Meine seelige Mutter wäre in einer erblichen krankheit gestorben;
sie haben schon alle für meine Seele gebetet; – das arme Mädl ist alle
Tage in die
Capuciner=kirche gegangen; – sie werden lachen? – ich
nicht; mich rührt es, ich ka
n nicht dafür; – Nun weiter; –
ich glaube ich werde ganz gewis über studtgard nach augsburg gehen, weil,
wie ich aus ihren briefen ersehen zu
Donaueschingen nichts, oder meistens nicht
viell zu machen ist – doch werden sie dieses alles durch einen brief vor
meiner abreise von strassburg noch erfahren; –
liebster vatter! – ich versichere sie, daß we
n es mir nicht um das
vergnügen wäre sie bald zu umarmen, ich gewis nicht nach Salzburg
kä
me! – de
n diesen löblichen, und wahren schönen trieb aus=
geno
men, thue ich wahrhaftig die gröste Narrheit von der welt; –
glauben sie sicherlich, daß dies meine eigene gedancken sind, und
nicht von andern leüten entlehnte; – Man hat mir freÿlich als man
meinen entschluß abzureisen wuste, wahrheiten entgegen gesezt, die
ich mit keinen andern waffen zu bestreiten und besiegen im stande
war, als mit meiner wahren zärtlichen liebe für meinen besten vatter,
worauf man natürlicherweise nichts anders als mich beloben
ko
nte, jedoch mit den zusatz, daß we
n mein vatter meine ietzigen
umstände und guten aussichte wüste, |: und nicht etwa durch einen guten
freünd eines andern und zwar falschen berichtet wäre :| er mir gewis nicht
auf solche art schreiben würde, daß ich – nicht im stande bin im
geringsten zu wiederstehen; – und ich dachte beÿ mir selbst, ja, we
n
ich nicht so vielle verdruß in den hause wo ich
logirte hätte austehen müssen,
und we
n das ding nicht so wie ein do
nerwetter aufeinander gegangen
wäre, folglich zeit gehabt hätte die sache recht mit kalten blut
zu überlegen, – ich sie gewis recht gebeten haben würde, nur noch
auf einige zeit gedult zu haben, und mich noch zu
Paris zu lassen,
ich versichere sie, ich würde Ehre, Ruhm und geld erlanget haben – und
sie ganz gewis aus ihren schulden gerissen haben; – nun ist es aber
schon so; glauben sie nur nicht daß es mich reüet; – de
n, nur sie,
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 3]


liebster vatter, nur sie, kö
nen mir die bitterkeiten von Salzburg ver=
süssen; und sie werden es auch thun; ich bin dessen versichert; doch muß
ich ihnen freÿ gestehen, daß ich mit leichtern herzen in Salzburg anlangen
würde, we
n ich nicht wüste, daß ich alda in diensten bin; – nur dieser
gedancke ist mir unerträglich! – betrachten sie es selbst – setzen sie
sich in meine Person; – zu Salzburg weis ich nicht wer ich bin – ich bin
alles – und bisweilen auch gar nichts – ich verlange mir aber nicht
gar so
viel, und auch nicht
gar so wenig – sondern nur etwas – we
n ich nur etwas
bin – in jedem andern ort weis ich es – und jeder, wer zur
violin gestellt
ist, der bleibt dabeÿ; – wer zum
Clavier Etc: – doch das wird sich alles
richten lassen, – Nun, ich hoffe, es wird alles zu meinen glück, und zu
meiner zufriedenheit ausfallen; – ich verlasse mich ganz auf sie; --
hier geht es sehr
pauvre zu – doch werde ich übermorgen samstag den
17:
ten,
ich ganz alleine |: damit ich keine unkösten habe :| etlichen
guten freünden, liebhabern, und ke
nern zu gefallen,
per
Suscription ein
Concert geben; – de
n, we
n ich
Musique dabeÿ hätte,
so würde es mir mit der
illumination über 3
louisd'or kosten, und
wer weis ob wir so viell zusa
men bringen; – ich bin ihnen ver=
bunden daß sie so trefliche anstalten wegen Reisegeld gemacht
haben, ich glaube ich werde es nicht brauchen, we
n ich auch kein
Concert gebe; – doch werde ich hier oder in
augspurg aus
fürsorge etliche
louisd'or nehmen, inde
m man nicht wissen ka
n, was
ausko
mt – unterdessen leben sie recht wohl; nächstens werde ich mehrer
schreiben – Meine
sonaten müssen noch nicht gestochen seÿn, obwohlen sie mir
für ende
Sept:bre versprochen waren – so geht es we
n man nicht selbst dabeÿ seÿn
ka
n – da ist auch wieder der Eigensi
nige Gri
m daran schuld – sie werden vielleicht
voll der fehler herausko
men, weil ich sie selbst nicht hab durchsehen kö
nen,
sondern einen andern hab
Comission geben müssen – und werde etwa ohne die
Sonaten zu München seÿn; – so etwas, das klein aus=sieht, kan oft glück,
Ehre und geld, oder aber auch schande zuwegen bringen; – Nun
adieu; –
ich umarme meine liebste schwester von ganzem herzen, und sie, liebster,
bester vatter, küsse ich in der schmeichelhaften hofnung sie bald selbsten
zu umarmen, und ihre hände zu küssen, und ich bin dero gehorsamste sohn
wolfgang Amadè Mozart mp
meine Empfehlung an ganz Salzburg, besonders aber
an unsern lieben und wahren freünd h
ς: Bullinger.
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 4]


À
Monsieur
Monsieur Leopold Mozart
maitre de la Chapelle de S: A: R:
L'archeveque de salzbourg
à
par augspurg –
Munic – Salzbourg
STRASBOURG
No: 52
N. 52
den 22tς empfς:
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881