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Mein lieber Sohn!
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Salzb
ς: dς 3
tς Septς: 1778
Ich hoffe du wirst alle meine Briefe richtig erhaltς haben. ich schrieb dir den
3tς augς: – den
13 augς:
den
27tς augς: und endlich einς kleinς Einschluß für dich an h
ς: v Grim. – hingegen hab seit deinem vom
31 Julii
keinς Buchstaben von dir gesehen. welches mein ohnehin bekle
mtes Herz noch mehr in Unruhe
setzet. die zeit war zu kurz, um dir im letztς kleinς Brief alles deutlich zu erklärς, allein,
we
n du mit Überlegung alle die vorhergehendς Briefe gelesen hast, so wirst du einsehen,
daß ich nach deiner aigenς vorschrift deinem Entzweck näher und uns alle dadurch beruhigς
will.
du liebst Paris nicht. – könnte man nun kein Mittel findς dich weg zu bringς,
so müsstest du nun freilich alda aushaltς, dich
mühsam mit Scolarς Plagς –
herumlauffς
bis du sie beko
mst –
herumlauffς we
n du sie hast, und da
n Müde und
verdrossen
von dieser ohnangenehmς Arbeit sich zu Hause
zum Componieren setzς, deine Gesundheit in
Gefahr setzς, täglich nicht nur
für Geld zum nötigς Unterhalt, sondern für
vorgehends
Geld sorgς, welches man haben muß, um sich
wäsche,
KleidungsStücke und
hundert noth=
wendigkeitς anzuschaffς, auf die man nicht denket, bis man sie nicht habς muß, und auf
die du schon gar nicht
vorzudenken gewohnt bist: und
muß man nicht vorgehendes
Geld im Sack haben um im falle einer Krankheit sich versorgς zu könnς ohne, wie
ein Bettler, vom Almosen gutherziger menschen abzuhangς? oder, we
n dir der
barmherzige Gott auch deine Gesundheit schenket, willst du i
mer in Paris so hin
von Tag zu tage auf gerathe wohl lebς? an einem Ort, wo du nicht gerne bist?
ich glaub, das ist dein letzter Gedanke. We
n du nun abreisen und Paris verlassς
wolltest, – wer würde dir das Reisegeld gebς? vielleicht ich? – wer bezahlt da
n
was du dermal schuldig bist? wolltest du es wohl auf die Gefahr anko
mς lassς, das
gewisse, was du hier habς ka
nst, ausser acht zu lassς, – das, was du hier wohlversorgt
in Ruhe genüssen, und
deine Sachς in der Nähe betreibς kanst, hindansetzς, um in dem
dir verhasstς Paris im Schweis des Angesichts und täg und nächtlicher Sorge
herumzulauffς –
Bach versprach dir von Engelland zu schreibς und dir vielleicht
etwas aufzutreibς. da würdest du das nämliche Handwerk, und mit noch mehr
Gefahr treibς müssς, weil man dort die Leute wegς 3 und 4
Guinées schuldς
in
arrest ni
mt. an dieses ist
absolute nicht zu gedenkς. itzt ka
n ich noch
helfen, – will und muß helfen. We
n die Sache aber weiter gieng, so würdest du
mich durch die Erwartung deiner leerς Hofnungς, wozu du den rechtς weg verfehlest,
zu grunde richtς, mich und deine Schwester zu bettlern machς,
ich würde dir zu
helffς ausser Stand seÿn, und du würdest zu der Zeit, da du mit den erhabensten
Gedankς dich unterhältst, unvermerkt in die äusserste dürftigkeit herabsinkς, und
es erst alsda
n gewahr werdς, we
n weder ich, weder
du selbst dir helfς kanst. Ich muste
nun also als dein dich von Herzς liebendς Vatter überlegς, daß, we
n du den Winter in Paris
bleibst odς bleibς must, solches nur aus Noth geschehς muß, we
n man kein andςes Mittl
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ausfindig machς ka
n. du must die Sache wegς des Churf
ς: abwartς. In Paris bist du
zu weit entfernt die Sache zu betreibς. Hier zog man i
mer um mich herum,
ohne daß ich antwort gab. endlich starb
Lolli. nun wurde es ernsthafter.
man gab mir Hofnung, daß nun meine Umstände auch könntς verbessert werdς,
und ich glaubte dieß wäre der Zeitpunckt dich deinς Absichtς näher zu bringς.
de
n da der Churf
ς: ganze Hof den 15
Septς: in Münchς erwartet wird, so
kannst du beÿ deiner Durchreise
deine Freunde,
den Graf Seau, und vielleicht
den Churfürstς selbst sprechen, – du ka
nst sagς daß dich dein Vatter in Salzb
ς:
zurück zu sehς gewünschet, da dir der Fürst einς Gehalt von |: da liegt man 2 odς
300 f dazue :| 7 odς 800 f als
Concertmstr ausgeworffς, daß du aus kindlichem
respect gegς deinς Vatter solches angenohmς,
obwohl er gewunschς hätte dich in
Churfς: dienstς zu sehen,
NB aber mehr nicht! da
n kanst du wünschς eine opera
in Münchς zu schreibς. – und dieses letzte muß und ka
n man von hier aus
i
mer betreibς, und das wird und muß gehς,
weil zur deutschς operaComposition
die Meister mangeln.
Schweitzer und
Holzbauer werdς nicht alle Jahre
schreiben, und sollte der
Michel eine schreibς, so wird er bald aus
gemichelt
haben. Sollte es Leute gebς, die durch zweifel und solche Possς, es zu hindern
trachtetς, so hast du
professori zu freundς, die für dich stehς: und dieser
Hof führt auch unterm Jahre zu zeitς etwas auf. – Kurz! du bist hier
in der Nähe: unsere Einkünftς sind so, wie ich dirs geschriebς habe; –
durch deine hiesige Lebensarth wirst du an deinem studierς und
Specu=
lieren nicht gehindert;
du darfst nicht Violinspielς beÿ hofe, sondς
hast beym Clavier alle Gewalt dς Direction, so wie mir
die ganze
Musik –
alle des Fürstς Musikaliς, und die
Inspection des Capellhauses
itzt ist übergebς wordς. unsere Schuldς sind zwar groß, allein sie sind an hiesige
Leute, die so ehrlich sind, und mich nicht treibς, und unsere beÿdς Ein=
künftς, wie du aus meinem vorletztς Schreibς ersehς, sind alsda
n so, das wir alle
Jahre ein
paar Hundert guldς und noch darüber abzahlen und doch
unterhaltlich
leben könnς; wo du nebenbeÿ dich i
mer in Münchς im Andenkς erhaltς kannst.
Noch eine Sache must du nicht ausser acht lassς.
du must die Nähmς und adressen
der besten Musikhändler, die etwas kauffς um gravierς zu lassς, mit dir
nehmς, sonderheitl: desjenigς, der dir deine Clavier
Sonaten abgekauft hat, damit
du mit ihnς
Correspondierς ka
nst. auf diese Art wird es eben so viel seÿn, als
we
n du in Paris wärest, man ka
n mit ihnς handeln, so da
n die
Composition
einem Kaufman odς freunde einschickς, der es dem Musikverläger gegς Baare
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bezahlung ausliefert, und so kannst du alle Jahre 15 odς 20
Louisd'or von Paris be=
ziehen und deinς Nahmς aller Ort theils mehr bekannt machς, theils in der
gemachtς Bekanntschaft erhaltς. – frage den h
ς: B:
v Grim, ob ich nicht recht habe?
Hier wirst du gewiß Unterhaltung genug findς, we
n man nur nicht ieden
Kreuzer ansehς muß, da
n geht alles gut. Hier kö
nς wir nun auf alle bälle
im fasching auf das Rathshaus gehς. die Münchner
Comoediantς ko
mς Ende
Septς:
und bleibς bis die fastς den ganzen Winter hier mit
Comoediς und
operetten:
alle Sontage ist unser Bölzlschüssen, und we
n wir in
Compagniς gehς wollς, so ko
mt
es nur auf uns an, we
n man einς bessern Gehalt hat so ändert sich alles.
Was die
Mdss.le Weber anbetrifft so darfst du gar nicht glaubς, als hätte ich
etwas gegen diese Bekanntschaft. alle junge Leute müssς am Narrnseil
lauffen. du kannst, wie itzt, deinς Briefwechsel fortsetzς, ich werde dich gar
nicht darum fragen, noch weniger etwas zu lesen verlangς. noch mehr! ich
will dir selbst einς Rath gebς, du hast bekannte Leute genug hier, du
kannst die Weberischς Briefe an iemand andς
addressierς lassς und unter dς hand
erhaltς, we
n du dich vor meinem Vorwitz nicht gesichert glaubst.
Mir scheint aber du wirst für den h
ς: Weber, und er für sich selbst nicht
viel vortheilhaftes ausdenkς, we
n nicht andςe helfen. weist du warum
ich schrieb, ich glaube h
ς: Weber habe keinς Kopf? das versteht sich zum Nach=
denkς. – auf die Hof=frage,
wer mit nach München folgς will p:? gab er
die schriftliche Antwort:
beÿ meinς zerrittetς Umständς bin, so sehnlich ich es auch
wünschte,
nicht im Stande gnädigster Herrschaft nacher Münchς zu folgen. Nun ka
n
ich zwar zu voreilig seÿn, weil ich nicht weis wie sehr dieser Ma
n in Schuldς stecket;
allein ich würde, an seiner Stelle, da er 4 Tage Zeit hatte, zu meinen Glaubigern gegangς seÿn,
und würde ihnς gesagt habς,
daß es nun darauf ankome, ob ich dem Hof nach Münchς folgς kan odς nicht,
kan ich dem Hofe folgς, so bleibt mir die sichere Hofnung bevor durch meine Tochter auch mein
Glück zu verbessern, und bin beÿm Hofe, wo mehr Nebenverdienste zu hoffς sind, folglich
ich auch meine Glaubiger zu befriedigς gegründetere Hofnung habe: Muß ich aber wegς
meinem Schuldenlast in Manheim zurückbleibς, so ist meine Tochter aus den Augen
des Hofes, Manheim wird eine Einöde, und ich werde weniger Nebenverdienste habς,
ihr mögt dan nach meinem Tode statt paar geld eine Stube voll Kindς nehmς: wen ich
nach München ziehe stehe ich imer unter dem nämlichς Herrn, ihr könnt mich eben so
gut findς, als wäre ich in Manheim. – Ich ka
n gründlich von der Sache nicht urtheilς
weil eine nahe Kenntniß der Nebenumstände dazu nötig ist, und da
n werde ich rathς
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und helfen, so gut ich ka
n. In Paris wirst du ihnς nicht helfen. hier wird dir bald von
der
Mdsle Weber gesprochen werden; ich habe sie gar zu oft gerühmt, und ich werde
alles ausdenkς, daß sie hier gehört wird. – Nun muß ich auf die Schuldforde=
rung des
Duc d'Eguine ko
mς. du wirst sie wohl hoffentl: ein gefordert habς, oder
einfordern? – du wirst ja so was nicht zurücklassen? – –
hς: B: v Grim wird dir
rathen. das
Concert ist auch nicht bezahlt? – das ist zu schmutzig. Ich hatte einς
solchen Zufahl in Wie
n, ich schrieb damals an die Ca
merjungfer der Fürstin
von Ulefeld,
daß wir keine Erkänntlichkeit von der Fürstin erhaltς hättς, und
vermuthς müssten, daß zwar eine Anschaffung erfolgt wäre, daß aber der, welcher
die Ordre etwa erhaltς, solches vergessen hätte, ich wäre versichert, daß es der
Fürstin sehr unangenehm wäre, wen ich ohne mich zu meldς, Wien verlassς wollte,
ohne, beÿ sich ergebender Gelegenheit, die angebohrne generosité des Fürstl: Hauses
Ulefeld anzurühmς. Die Fürstin schickte mir 20 duggattς, und bedankte sich
daß ich mich gemeldet, mit der Entschuldigung daß es unbeliebig vergessς wordς.
frage h
ς: B: v Grim, ob es nicht |: we
n dich der Fürst nicht vorlässt, auf so ein art
zu machς wäre. Nun muß ich dir nochmals sagen, – und ich schwere dir als dein
Vatter und Freund, daß du beÿ Hofe nicht Violinspielς, sondς nur, wie der seel: Adlgasser,
we
n gesungen wird
accompagnierς darfst. daß du nur die Hauptfeste im domb die
Orgel spielen darfst, das übrige muß der Paris verrichtς. daß ich nichts wenigers
verlange, als dich hier anzubindς, sondς daß, we
n du willst durch deine Freunde dein
Glück am Münchner hofe suchen ka
nst und sollst, welches du ungemein vorträglicher
von hier aus thun kannst, da du alle wochς 2 schreibς und 2 mahl antwortς, und iede vor=
theilhafte Gelegenheit erfahrς und benutzς kannst. Ich will vielmehr, daß du dich
dem Kays
ς: Gesandtς
B: Lörbach |: dς in Münchς seÿn wird :| empfehlς sollst, daß du
dich nur darum um eine
opera bewerbς sollst, um dich zeigen zu könnς. Um des
Hi
mels willς, wie ka
n der Churfürst zum Entschluß ko
mς dich zu einem HofComponistς zu
nehmς, da er nichts von dir gehört hat? – von hier aus muß die Sache betriebς werdς, nun
wirst du leichter eine
opera zu schreibς beko
mς, weil die welschen sich nicht eindringς könnς;
und da
n geht die Sache von sich selbst. Und endlich schwere ich dir hoch und Theuer, daß ich,
wie du selbst weist, nur wegς deiner seel: Mutter mich an Salzburg gebundς, um sie allen=
falles doch wegς einer
pension sicher zu stellς. das ist nun vorbeÿ, die brauch ich nicht mehr,
folglich lassen wir uns keineswegs verdruss machς, sonst sind wir weg. du schreibst in deinem
letztς Brief –
das Herz lacht mir, wen ich auf den glückl: Tag denke, wo ich wieder das vergnügen
haben werde sie zu sehen und von ganzem Herzen zu umarmς. Nun ko
mt der Tag, mein lieber
Sohn, ich wünsche daß Gott mich solchen erlebς lässt, du wirst deinς armς vatter kaum ke
nς, der
Erzbischof, als ich zu ihm 2 mahl geruffen wurde, erschrack so sehr an mir, daß er es allς erzehlte.
du hast mich krank verlassς, nun wird es ein Jahr – und was habe ich wohl dieses Jahr alles erlebς
müssen? – Meine Natur ist von Eisen, sonst wäre ich schon tod, allein, we
n du nicht
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mit deiner Gegenwart mir den schweren Stein vom Herzen hebst, so unter=
drückt er mich, alle Bruststerkende Kraftmittl sind vergebens eine
Gemüths Krankheit zu heilen. Niemand ka
n mich vom Tod errettς als
du – und niemand wird dir getreuer und
mit aller nur menschmöglichς
Bemühung zu deinem vergnügς helfen, als dein Vatter der
dich segnet, liebt, Küsst und von ganzem Herzς zu umarmς wünschet –
– Mozart
mp
Ich empfehle mich dem h
ς: B: v Grim gehorsa
mst.
3 Sept 78
Ich schrieb daß dς Erzbisch: in Lauffς ist, und daß du nicht abreisς sollst, als bis
ich nicht das
Decret unterschriebner in Handς habe. Es war noch niemand
wegen starkem Regen hinunter gefahrς, – heute aber sind einige hinunter,
und den 7
tς diess werde den letztς Brief schreibς, und zu gleich nach
Stras=
burg Anstalt machς, und in dem nämlichς brief
dir Nachricht gebς.
Ich bitte dich, lieber Sohn, erhalte mir deine Gesundheit, und dadurch
mein Leben, glaube, daß ich alles vernünftig zu deinem bestς ausgedacht
habe. du wirst es sehς, und erfahrς daß ich dich zu deinem Vergnügς den
nächstς weg führe, We
n Gott will! Deine Schwester Küsset dich
Million mahl. Noch einmahl, liebster Wolfgang! habe Mittleid mit
deinem altς Vatter, und sorge für deine gesundheit!
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À Monsieur
Monsieur Le Chevalier Wolfgang
Amadé Mozart Maître de
Musique
à
chez Mr le Baron
de Grimm Rue
de la chaussée d'Antin Paris
près le Boulevard.
Nro: 57.
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