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Mein lieber Sohn!
57
Salzb
ς: den 27
augς:
1778.
Mein Schreiben vom 13
tς diess wirst du erhaltς haben. Ich versprach in demselbς deine zween
Briefe, die zugleich angelangt sind, nächstens zu beantwortς. der erste schon den 18
tς und
20
tς geschriebene erzehlt mir eine Menge vom Anfange und Zuwachs der schäzbarς freund=
schaft des h
ς: Raffs. Ich wünsche, daß seine Bemühung für dich, auf die du vieles hoffest,
seine gute Wirkung habς möge; ich eri
nere mich aber, daß ihr mir einmahl von Manheim
geschrieben, daß
Mr: Raff ein sehr ehrlicher guter alter redlicher Ma
n seÿe, daß er aber
weder etwas brechς noch etwas machen könnte: und, die wahrheit zu sagς, das schien mir doch auch
unglaublich, de
n so ein Ma
n hat sich doch
Credit gemacht, we
n er gleich itzt nicht mehr
so singς ka
n, weil er alt ist. an
Pade: Martini habe schon geschriebς. Wir wollς nun alles
erwartς. Was du mir dort von Zeitungς schriebst, warς aufgelegte Lügen und zwar
gar alles. der
Mr Hopfgartς, den wir ke
nς, war nicht Soldat, sondς in
Civildienstς als
Rath. was du am Ende vom Ca
merdiener wegς
25 auf den Buckel schreibst, weil er die
Catherl nicht heyrathet, weis ich nicht ob er nicht eine Million auf dem Buckl beko
mt
we
n er sie zur Ehe ni
mt.
Nach und nach, mein Sohn,
muß man die Leute kenς lernς.
du ka
nst dir keine schlechtere Wirtschafterin, keine leichtsü
nigere Person vorstellς,
als diese Catherl, sie geht den ganzς tag in
Visiten und schmarotzς herum, die arbeit
fliehet sie wie eine ansteckende Krankheit. Ein neues kleid, eine Haube, ein paar
Schue
p: zieht sie an und trägt es so lang bis es zerrissς odς schmutzig ist. so gehet
sie auch beÿ schönem odς schandlichem Wetter i
mer in einer Haut, und sie war am
Mariahimelfartstage mit der nämlichς schmutzigς Haube, und dem ganzς gewöhnlichς
Anzug
im Domb, wie sie tags vorher herumlief. Sie ist ein ehrliches Mädl,
aber der Narr in allen gassς und mit allς Kaufmansdienern, Studentς
p: wie ein
Budl, und der Ma
n wird ihr nicht genug Geld gebς kö
nς, weil sie solches nicht nicht
regierς ka
n p: und wie soll er sie heÿrathς, der Cardinal zu Passau ist bald 80 Jahre
alt, stirbt er, so stirbt sein dienst auch mit: und wie lange ka
n es beÿm Oberst=
hofmeister dauern? was ist er alsda
n? und was ka
n er, um einem andern
dienste vorzustehς? – – der LeibCa
merdiener, itzt Truchsess,
Adam wollte beÿ deiner
Schwester bekanntschaft suchen. Einmahl überfiel er uns, von derselbς zeit an
warς wir aber niemals mehr zu Hause, und endlich |: da er sich über seine Liebe
gegς unsere dienstmagd Tresel öfter herausließ :| befahl ich ihr zu sagς, daß es
uns, we
n er einmahl verheyrathet wäre, eine Ehre seÿn würde ihn und seine Frau
beÿ uns zu sehς, so lange er aber Wittwer wäre müsste ich mir seine Besuche verbittς,
indem meine Tochter nicht der Stoff einer Stattgeschichte seÿn wollte. Nun wand
er sich an die Catherl, machte ihr und dem Vatter LiebsErklärungς. Sie ist Stolz
darauf, spasset sich, und er lauft i
mer hin. ist das vernünftig? Sie hat sich
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auch den
Hafner Sigmund eingebildet; ich wünsche daß es ihr gelinge, da
n so
eine Party muß sie habς, wo Geld genug ist. wenigst ist es wahr das h
ς: Hafner
nun ernstlicher über seine LiebsHistorie nachgedacht, die Sache überlegt,
der vernunft Platz gegebς und von dieser Bekanntschaft sehr nachgelassς hat.
Dein zweÿter Brief vom 31
Julii erzehlt mir die
Umstände der Krankheit deiner bestς
seel: Mutter. daß deine Mutter die erste Person war, die du hast müssς sterbς
sehen, war ein besondere Schickung Gottes, und eine Anmerkung die ich den erstς
Augenblick beÿ erhaltner Nachricht vor aller Welt machte. Mein lieber Sohn!
das Schicksaal gab noch zu einer ganz andς Anmerkung Anlass. deine liebe
Mutter gieng gerne, ohne widerspruch mit dir aus Salzb
ς: weg. Sie sollte von
Manhei
m nach Hause zurückkehren. Du nahmst erst nach der Beka
ntschaft
und Reise mit den Weberischen das ernstliche Bedenkς – und den Entschluss mit
Wendling nicht zu reisen. – der Brief war so späth geschriebς, daß, bis meine
Antwort anlangς konnte, Wendling schon weg war. daß hatte ich alles genau
ausgerechnet, sonst würdest du nicht zurückgebliebς seÿn. Ich musste also
schreibς, daß du, so bald es möglich nach Paris eilen solltest, weil die beste
zeit vorbeÿ gieng. deine liebe Mutter sahe alles ein, sie wollte mir aber
allen verdruß erspahrς und schrieb mir am Ende des Briefes:
Mein lieber Man
aus diesem Brief wirst du ersehς haben, daß wen der Wolfgang eine neue Bekanntschaft
macht, er gleich guth und Blut für solche Leute geben wollte: es ist wahr, sie singt
unvergleichlich, allein man muß ja seinς aigenς Nutzen niemals auf die Seite setzς,
es ist mir die Gesellschaft mit dem Wendling und Rahm niemals recht gewesen, allein
ich hätte keine Einwendungen machen därffen, und mir ist niemals geglaubt
worden, so bald er aber mit den Weberischen ist bekannt wordς, so hat er gleich
seinς Sin geändert: mit einem Wort beÿ andern Leutς ist er lieber als beÿ
mir, ich mache ihm in ein und anderm, was mir nicht gefahlς will, Einwendungen,
und das ist ihm nicht recht. Die Reise mit Wendling finde freilich nicht für
rathsam, ich will ihn lieber selbst nach Paris begleiten, vielleicht bekomst du
vom hς: v Grim noch eine Antwort. Dieses, mein lieber Sohn, ist das einzige
was mir deine seel: liebe Mutter, seit der ganzen Zeit euerer Abwesenheit im Ver=
trauς von dir als einς Anhang hingeschriebς. und obwohl sie es weit
klärer hätte schreibς und der Sache ihrς rechtς Nahmς hätte gebς könnς, so hatte sie
mich und dich zu Lieb, um sich deutlicher zu erklärς. Wäre deine Mutter von
Manheim nach Salzb
ς: zurückgeko
mς, so würde sie nicht gestorbς seÿn, da nun
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1881
[S. 3]


aber die Göttliche Vorsehung die Stund des Todes deiner Mutter auf den 3
tς Julii besti
mt hatte,
so muste sie aus Salzb
ς: mit dir fortreisς, und durch deine neue Bekanntschaft ihre
zurückreise nach Salzb
ς: gehindert werdς. Dieser Todfall, der ganze Hergang der
Sache und der ganze Zusa
menhang zeiget dir, daß die zusa
mhängende Kette des
Schicksaales und der göttl: vorsehung sich nicht zerreissen lässt, sonst würdest du
den Entschluß mit Wendling nicht reisen zu wollς und deine Bedenklichkeitς
eher berichtet, ich dir aber,
auf deine vernunft und Tugend vertrauend, solche
beno
mς habς, du würdest abgereiset, zu rechter zeit in Paris eingetroffς seÿn,
du würdest dein
Interesse und mehr Bekanntschaft gemacht habς und mein armes
Weib würde in Salzb
ς: seÿn. die Sü
nen des Menschen müssς in einς dau
mel gerathς, so,
wie der geschickteste
Medicus blind wird, und seine Cur verfehlt, die krankheit nicht
mehr erke
net, we
n die Vorsehung es so habς will. Gott gebe nun aber, daß dieses,
was bis itzt geschehen nicht noch
weit schlimere Folgς für uns alle nach sich ziehet. Es ist noch
zeit vorzubeugς. We
n du aber fortfährst schlösser in die Luft zu bauς, und mit
lauter
Speculationς für künftige noch weit entfernte aussichten
dir den Kopf anzufüllen, so wird das Gegenwärtig höchst noth=
wendige um dich zu deinς Aussichtς zu führς vernachlässiget, der Kopf ist dir von
Sachen voll, die dich zu allem dem gegenwärtigen untauglich machen; du wirst keinς
Schritt weiter ko
mς, de
n itzt must du zu leben haben, und nach
deinς Gedanken
die du mir erst, wen es Zeit seÿn wird, entdecken willst, must du einς guten
wohleinträglichen Dienst haben, – da solcher aber nicht so leicht, als du glaubst,
mit allen den Umständς die du verlangst zu haben ist, dir aber meine Umstände
und
die zu bezahlende Schuldς bekannt sind, so siehest du doch hoffentlich endlich mit gesunder
vernunft ein, daß du itzt, da du in Paris einmahl bist, und alda die gute Zeit
etwas zu verdienς herannahet, auf gar nichts anders zu gedenken und zu
studieren hast, als durchzudringen, dich bekannt zu machς und dir
Credit
und dadurch Geld zu machen. Wegen
Manheim hast du bereits alles getha
n, was zu
thun ist, – du must also den Ausgang abwartς, und dazu hilft nun alle
Speculation
nichts. Es mag nun etwas geschehς oder nicht, so ka
nst du itzt Paris nicht verlassς, geschieht
aber nichts – so must du in Paris bleibς um zu lebς – wo sonst hin? – daß sich in
allem falle Graf Sückingen angetragen dir einς Platz in Maynz zu verschaffen ist
gut – allein man muß sich nichts für gewiß einbilden, da
n das heist nur und
muß verstanden werden, er wird sich Mühe geben dir einς Platz zu verschaffen.
ob ers zuwegenbringt, das ist eine andςe frage? In Maynz ist ein alter Capellmeister
h
ς: Schmid der nichts mehr thut.
Kreÿser ist eben zur rechtς Zeit nach Maynz ko
mς
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1881
[S. 4]


als der Concertmeister
Jacobi gestorbς. seine leichte ins ohr gehende
Synfoniς haben gefallς,
er wurde also gleich Concertmeister. Nun studiert er sich zum Capellmeister geschickt
zu machen; er ist beÿ allen beliebt, und wird diese Stelle mit der Zeit suchς.
Ich ka
n es euch nicht verzeihς, daß ihr nicht, beÿ dem so langς Aufenthalt in Manheim,
ein Reise
nach Maynz gemacht. untersuche es unpartheiisch, du wirst beke
nς müssς,
daß ihr wenig nach meinem Rath und Vorschrift getha
n. Eine Reise nach Maÿnz
würde dir mehr genützt habς als deine fatale Reise nach KirchheimPolland,
Maynz ist doch ein Hof wo einige Aussicht wäre, und wo wir vielle
beka
nte unter der
Noblesse und andςe freunde habς. Du siehst also, daß gegen=
wärtig
alle deine Speculation einzig dahin gehς muß dich gut in Paris zu Souteniern.
das übrige wegen
Manheim,
Maynz odς
Salzburg muß man abwartς, ohne mit
seinς Gedankς an blossen leerς träümen zu hängen, die zu nichts helfen als sich
zu gegenwärtigen nothwendigstς Verrichtungς ungeschickt zu machen, es geschieht
ohnehin nur dasjenige was uns die ewige Vorsehung besti
met hat, we
n wir nur
die nötigen Mittel ergreiffen und uns, durch beständiges Nachdenken auf die
von uns dermal noch nothwendig entfernte dinge, nicht selbst für das Gegen=
wärtige schaden. In
Manheim odς besser dermal in
München |: wo dς Hof Ende
dieses Monats eintreffς soll :| wird schwerlich etwas zu thun seÿn; ausgeno
mς es
wäre, daß ein Bedacht geno
mς würde für einς Componistς für die Deutsche opera
zu sorgς, und daß
Raff und
Canabich dich in vorschlag brächtς.
Wendling ist dein
freund, allein ich weis nicht, ob die Weberische Bekanntschaft dich nicht um
die Gunst des Wendlingischen Hauß gebracht hat.
Eine Sängerin hasst die andςe.
Maÿnz ist in der Bezahlung nicht stark. und
Maynz hat mit
Salzburg den gleichς
Vortheil, daß es mit dem todt des Fürstς
nicht abstirbt. –
Manheim stehet auf
2 Augen.
Salzburg hat |: we
n man recht bezahlt ist :| den Vortheil vor
Maynz,
daß, sonderheitl: die Kirchenmusik prächtiger – und daß dς Ort näher beÿ
Italien ist. Ich habe dir schon geschriebς, daß man dich wiedς hier zu sehς wünschet, und
man gieng so lange um mich herum, ohne daß ich mich heraus ließ, bis endlich nach
dem Todt des
Lolli ich der Gräfin sagen musste, daß ich dem Erzb
ς: eine Bittschrift ein=
gereicht, in welcher ich aber nichts anders sagte, als
daß ich mich, nach meinς so
viele Jahre unklagbar geleistetς zu Gnadς empfehle p: Nun fiel endlich die Rede
auf dich – und ich sagte alles von dς Brust heraus, was nothwendig war, und
so, wie ich es dem Gr: Starmberg gesagt hatte. Endlich fragte sie mich, ob du de
n
nicht ko
mς würdest, we
n mir der Erzb
ς: den
Lollischς gehalt und dir den Adl=
gasser
ς: geben würde, welches, da ich es schon vorhero berechnet hatte, zusa
m
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[S. 5]


27 Aug. 78
jährlich 1000 f beträgt, so konnte ich nichts anders thun als antwortς, daß ich
keinς zweifel hätte, daß du dieses, we
n es geschehς würde, mir zu Liebe a
nehmς
würdest, indem sie noch beysetzte, daß nicht der geringste Zweifel wäre, daß
dich der Erzb
ς: alle zweÿ jahre nach Italiς reisen liesse, indem
er selbst i
mer behauptet,
daß man von Zeit zu Zeit wiedς etwas hörς muß, und daß er dich mit gutς
reccomandations Briefς versehς würde. würde dieses geschehς, so könnte ich sichere
Rechnung machen, daß wir alle
Monate 115 f wenigst, und wie es itzt ist
mehr als
120 f monatl: gewisse Einkünftς hättς.
ohne was ich durch den
verkauf meiner Violinschule einnehme, welches Jährlich,
gering gerechnet,
50 f beträgt, und ohne was deine Schwester für sich verdient, die itzt
monatlich 10 f gewis einnimt, und sich damit kleidet, indem sie die 2 kleinς
freul: von dς Gräfin unterweiset, und zwar täglich, ich aber die grössern 2.
hierzu ist nun nicht gerechnet, was du etwa für dich besonders verdienς könntest,
de
n obwohl hier auf nichts Rechnung zu machς, so weist du doch daß du von zeit
zu zeit etwas eingeno
mς, und auf diese Art stündς wir besser, als an iedem
andern Ort, wo es ums doppelte theurer ist, und we
n man aufs geld nicht so
genau schauς darf,
so kan man sich schon Unterhaltungς verschaffς. Allein der
Hauptpunckt ist, daß ich mir auf die ganze Sache keine Rechnung mache, weil
ich weis wie schwer dem Fürstς ein solcher Entschluß anko
mς würde. daß es der
Gräfin in ganzer Ernst und Wunsch ist, darfst du gar nicht zweifeln, und daß
der alte Arco, der gr: Starmberg und der Bischof von Königsgratz dieses
mit guter Art durchzubringς wünschen, hat seine Richtigkeit – Es hat aber
seine Ursachen, wie es beÿ allς Sachς geht, und wie ich dirs tausendmal sage,
die Gräfin förchtet, und auch der alte Arco,
daß auch ich fortgehe. Sie haben
niemand zur Unterweisung auf dem Clavier; ich habe den
Ruhm, daß ich
gut unterweise, und die Proben sind da. Sie wissen nicht,
wen, und
wan
sie so da
n iemand beko
mς: und sollte einer von Wie
n ko
mς, wird er wohl
um 4 f odς einς duggattς 12
lectionς gebς, da man andς Orts 2 und 3
duggattς
bezahlt? – – das setzet sie alle in verlegenheit. Allein, wie schon gesagt habe,
ich mache keine Rechnung darauf, weil ich den Erzb
ς: ke
ne: obwohl es gewiß ist,
daß er dich im Herzς zu habς wünschte; so ka
n er doch zu keinem Entschluß
ko
mς, absondςlich we
n er
geben soll. dasjenige, was du i
mer in deinς
Gedanken hast würde ganz gewiß hiedurch befördert werdς, de
n eine
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Reise nach Italien odς hiesige günstige Umstände könntς vieles thun. du schreibst
i
mer und ewig von den betrübtς Umständen der Weberischς Familie. aber sage du
mir, wie konnte es dir mit gesunder vernunft in Kopf ko
mς, daß du derjenige seÿn
könntest, welcher diesen Leutς ihr Glück zu machς im Stande ist? du weist nun nach
und nach |: wie ich hoffe :|
wie viel Geld ein einziger Mensch braucht, um sich
mit Reputation zu unterhaltς. du bist nun in dem Falle, – und du warst es
seit dem 23
Septς: des vorigen Jahres mit deiner seel: Mutter in 2 Personς, wo ich,
um euch zur Reise zu
equippierς und mit Reisegeld zu versehς, mit 300 f
und da
n in Manheim abermahl mit 200 f euch unterstützς musste. das
sind nun 500 f, die ich nur
aus diesem Grund schuldig bin. Nun bist du
allein – must du nicht mühesam für dein tägliches ausko
mς sorgς? und ist
das schon genug? – – must du nicht trachtς ein vorgehendes Geld in Er=
spahrung zu bringς? Ich setze den Fall, gott verhütte es, du würdest
Krank, und hast kein erspartes geld – was würdest du thun? – –
würdest du nicht elend verlassς daliegen? würdest du nicht von der
Gnad und Barmherzigkeit gutherziger Menschς lebς müssς? – – und wo
sind diese gutherzigen Menschς? – – we
n man mit
gesundem Leibe genug
zu thun hat um für sich selbst, eine einzige Person, zu sorgen und
sich freunde zu
machen,
um sein vorhaben durchzusetzς, was für ein Elend stehet einem Menschen
bevor, der durch Krankheit odς einς andςς auch nur kleinς Unbässlichkeitszustand
gehindert wird Geld zu verdienς und seinen verrichtungen nachzugehen? we
n
er da
n kein vorräthiges Geld im Sack hat, so ist er den selbς Augenblick
von aller Welt verlassς – die wenigen freunde ziehς sich nach und nach weg – und
der freund, der noch etwa bleibt, ist in Umständς, daß er nur mit wortς seine
freundschaft an Tag legen, in der that aber nichts thun ka
n, weil er selbst arm
ist. – und sind wir armseelige Menschς sicher von einer Unbässlichkeit über=
fallς zu werden? – – hast du nicht das traurige Beyspiel an deiner seel:
Mutter und an Hundert Menschς, die um dich leben, heute gesund, morgen
Krank sind. Denke nach ob du, seit dem du von mir weg bist, einς einzigen
freund hattest, welcher die Kraft hatte, etwas für dich auszuwirken? – –
du schriebst es mir gar einmahl selbst,
daß du sehr viele gute freunde hättest,
die aber nicht im Stande sind etwas in Stand zu setzς. Solche freunde, die
nichts als wünschen, und vorschläge machen, giebt es genug. We
n man ieden
solchen wunsch und vorschlag für richtig anni
mt, so ist man
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[S. 7]


betrogen.
Ich bitte dich hab Mitleiden mit dir selbst und deinem armς Vatter,
besorge deine dermahl nothwendige Umstände, setze mich nicht in Gefahr hier
zum spoth und Gelächter zu werdς. Man ka
n sich Mühe gebς der
Mdssle: Weber,
so viel es möglich ist, zu helfen; und alles was du seiner zeit willst, allein gehς
de
n unsere Kräftς so weit einer aus 6 Kindς bestehendς Familie aufzuhelffς?
wer ka
n dieses? – ich? – du? – der wir uns selbst noch nicht habς helfen
könnς. wie ka
nst du andern helfen, bevor du dir nicht selbst geholfen hast?
du schreibst –
liebster Vatter! ich recomandiere sie ihnς von ganzem Herzen.
wen sie unter=
dessen auf etliche Jahre nur 1000 f zu geniessen hätten. Allerliebster Sohn! muß
mir nicht, da ich dieses lese, für deinς gesundς vernunft bange seÿn? – – um Gottes
willen ich soll ihnς auf einige jahre zu 1000 f helfen! – könnte ich das, ich würde zu
erst
dir und
mir und deiner
lieben Schwester helfen, die schon
27 Jahr alt ist, und
keine versorgung weis, und ich schon alt bin. wo sind de
n die Höfe, odς wo ist itzt
ein Hof der einer Sängerin 1000 f giebt? – in Münchς habς sie 5–6 – höchstens 700 f
und da
n bildest du dir ein man wird einer jungς
Person, die man als eine Anfangerin betrachtet
schnurgerade 1000 f geben? – – das wirst du, we
n
du tag und Nacht nachdenkest, und für halb geschehς odς
für ganz leicht dir vorstellest, nicht erleben; sonderheitlich da man,
wie du imer hörest
und erfahrest, sich vorher einς Nahmen, odς so zu sagen, sich berühmt machen muß, bevor
man grössere Schritte zu seinem Glück in der Welt machen ka
n. We
n du den ganzς Tag
denkest, und hunderttausend dinge dir für möglich vorstellest, so wird die Sache doch nicht
nur allein nicht geschehen, we
n du nicht vielmehr deine itzige Umstände dir einträglich und
nützlich machest, sondern du wirst die zeit in Unwirksa
mkeit hinlebς, unbekannt, und
arm bleibς mich und dich zugrunde richtς, und keinem Menschς helfen. Alles, was du thun
must, ist, an
Canabich und
Raff zu schreiben, daß sie dich beÿm Churfürstς und
Seau
als einς
Componisten zu den deutschς
opern vorschlagen. das nämliche sollte
gr: Sickingς
an
B: Gemingen odς andςe
Correspondentς thun, du solltest desswegς auch an den
Kaysς: Gesandtς B: Lerbach einς franz
ς: Brief schreibς.
B: Grim könnte dir ihn aufsetzς.
Kurz! an alle Leute muß man schreibς, die i
mer beÿ dem Churf
ς: etwas anbringen
könnς. da
n es werden i
mer ins Künftig in München deutsche opern gespielt werdς.
an
Carolitag dς 4
tς Novembς: wird die
opera vom Wieland und Schweitzer aufgeführt,
und vermuthlich den fasching durch fortgesetzt werdς. ich werde von hier aus auch meine
Bewegungς beÿm gr.
Seau machen. we
n du auch itzt nur 600 f beko
mς würdest.
Man muß sich in Ruf bringen. We
n ist Gluck – we
n ist
Piccini – we
n sind alle
die Leute hervor geko
mς? – Gluck wird 60 Jahre auf dem Hals habς und es sind erst
26 odς 27 Jahre, daß man angefangen hat von ihm zu redς, und du willst daß itzt das
franzosische Publikum, odς auch nur die
Directores der Specktacul von Deiner Compositions=
wissenschaft schon sollen überzeugt seÿn, da sie in ihrem Leben noch nichts gehört hattς, und dich
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[S. 8]


nur von deiner Kindheit an als einς vortrefflichς Clavierspieler und besonderes
Genie könnς. du must
also unterdessen dir Mühe geben durchzudringen, und dich als Componist in allς Gattungς zeigen zu
kö
nς, – und da muß man die Gelegenheitς dazu aufsuchς und ohnermüdet freunde suchen, solche
anspornς, und ihnς keine Ruhe lassen, solche, we
n sie einschlaffς, wieder aufmuntern, und
nicht, das, was sie sagen, schon für getha
n, glaubς; ich würde längst an
M: de Novere selbst
geschriebς habς, we
n ich seinς
Titul und
adresse wüsste. Unterdessς werde ich und deine
freunde wegς München sorgen. all dein und mein denkς und sorgς für den h
ς: Weber
ist dermal vergebens, bis nicht du in bessern Umständς bist, die must du itzt besorgς:
alsdan, wan du in Credit odς an einem gutς Platz bist, dan hat deine Sorge und Hilfe mehr kraft
und Wirkung, itzt wirst du nur zerstreuet, schadest dir selbst, und kanst ihnς nicht helfen.
deine Schwester und ich küssen dich millionmahl von ganzem Herzen, sie konte dir nicht schreibς, weil
ich zu viel geschriebς. also auf das nächste. um Gotteswillς! trage Sorge für deine Gesundheit, sonst
sterben wir beÿde. ich bin dein wahrer freund u redliche Vatter Mzt mp. Vom Krieg! da es dem Prinz
Heinrich nicht gelungen beÿ Komotau in Böhmς einzudringς, so zog er sich nach Pirna beÿ Dressden zurück, und
fiel ganz oben beÿ Rumberg, Tollenstein, Zwickau, Laipa herein. Laudon hatte die ganze Sächsische Gränzς von
Eger bis in die Lausnitz zu bedecken. er stand in der Mitte beÿ Leitmeriz, zog sich in Eyle gegen Tornau,
so daß Prinz Heinrich sich auf Niemes zurückziehς musste und nicht beÿ Tornau über Arnau eindringς und sich
mit dem könig conjungierς konnte, dan der Kayser stand gegς Nahod gegς den König, und Laudon mit der
front gegen Nimes, gegen den Heinrich, so daß Kayser und Laudon eine Linie machtς und einandς secondierς kontς.
Heinrich hielt nicht stand, zog sich gegς Leutmeriz herunter, der König verließ Nahod, wo er seit dem 5 Julii
stand, und zog sich hinter Trautenau ins gebürg, um zu machς, daß die Armeen des Kaysers und Laudons sich auch
ausseinandςtheilen müssen. Nun ist zu erwarten, wie sie einandς weiter den Weeg ablauffς werdς. addio.
À Monsieur
Monsieur Le Chevalier Wolfgang
Amadé Mozart maître de
musique
à
chez Mr: Le Baron de
Grimm p: Rue de la
chaussée d'Antin
prés le Boulevard. Paris
Nro 545
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