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Mein lieber Sohn!
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Salzbς: den 3tς augusti 1778
Du wirst mein Schreibς vom
13 Julii, und das mit dem schwarzς Pulver
vom 20tς unter der
addresse an das vorige quartier richtig empfangen haben. Ich schreibe dir um dich meines
und deiner Schwester Wohlseÿn zu versichern, weil ich glaube, daß du so für uns, wie
wir für dich in beständigς Sorgen lebest. deinς Einschluß an unsern freund
Bullinger habe
erhaltς, allein sehr späth, den dieser Brief kam erst
den 24tς in Salzb
ς: an, da du ihn
doch
unterm 9tς schon datiert hattest, und zu meiner verwundςung hatte ich tags vorhero
den 23tς einς Brief vom
abbé Lendorffer erhaltς, der
4 täge nach deinem Brief geschriebς
war, nämlich
den 13tς, und doch kam er einς tag früher, aus welchem ich auch
sahe, daß
Lendorffer den 12tς beÿ dir war, wo du deinς Brief bereits geschriebς und ver=
muthlich auf die Post gegebς hattest, sonst wurdest du von ihm einige Meldung
getha
n habς. dieser Brief des
Lendorffer ist aber
Kehl gegangς. Ich möchte also,
daß du auf die Ko
mende Briefe nicht mehr
par Strasburg p: sondς nur hin=
schreibς möchtest: und zwar oben etwas gross und unterstrichς:
Haute Allemagne
so stand es auf h
ς: B: grims Briefς. Ich hätte in deinem Schreibς etwas umständlichs
von der Krankheit deiner liebς Mutter, und sonderhtl: von ihrer Begräbniß und
von deiner traurigς verlegenheit, in der du dich wegς allς diesen anstaltς must be=
fundς habς zu vernehmς gewünschet; ich hoffe in deinem nächstς Schreibς etwas zu
lesen. du wirst freylich dich an den Beystand des
Mr: Hena odς andς freundes
haben wendς müssen. denς ich mich |: wer sie i
mer sind :| nebst meiner Empfehlung
von Herzς dank sage. Was die Krankheit selbst betrift, weis ich ohnehin, daß sich mein
liebes seel: Weib selbst vernachlässiget, und auch dadurch ist vernachlässiget wordς.
de
n sie spahrte alles aufs äusserste, sie schob von tag zu tage. Sie wollte keine Medicin,
und glaubte alles werde selbst wiedς besser. ihre
Verstopfungς, ihre für eine
alte Frau
gar zu schöne rothe farbe, – ihre öftere
Anstoss von Catharr, und
ihr
gewisser Husten warς sichere zeichen, daß ein i
nerliche Entzindung
i
mer zu beförchtς war. Ich schrieb euch im Maÿ schon, sie sollte das Aderlassς
nicht aufschiebς, indem das
Clima und die Luft in Paris hitziger als in
Salzb
ς: ist. und sie verschob es de
noch bis den 11
tς Junii. und sie wurde sich
vielleicht noch nicht adergelassς habς, we
n sie nicht die höchste nothwendigkeit
bemerkt hätte. den Tag vor der Aderlaß hat sie eine gar zu heftige Bewegung
gemacht, ist Müde und erhitzt nach Hause geko
mς; und vermuthlich hat man
ihr zu wenig Blut gelassς: endlich wurde dς
Medicus gar viel zu späth geruffς,
da
n da gleich die Hitze und kälte mit durchlauf da war, so war dort schon
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grosse Gefahr: allein sie sagte nicht viel = blieb ruhig = es wird schon besser werdς,
du hattest deine Verrichtungς, warst den ganzς Tag nicht zu Hause, und weil
sie nicht viel daraus machte, so nahmst du es auch auf die leichte Achsel, unter=
dessen rückte die augenscheinliche Todesgefahr heran, da
n ko
mt erst der
Medicus, – und es ist lange zu späth. Wäre ihre Natur nicht so vortreflich gut
gewesen, so hätte
sie nicht 14 täge dauern könnς. Genug! es ist vorbeÿ, Gott
hat es also wollς. die untertre
nliche Kette der Göttl: vorsehung hat deiner
Mutter, da sie dich gebohrς, das Leben geschenkt, ob sie gleich beÿ deiner Geburt
in der allergrösstς Lebensgefahr war, und sie schon fast vor verlohrς hieltς –
sie musste sich aber auf eine andςe Art ihrem Sohne aufopfern, sie wollte
willig mit dir von Salzb
ς: abreisen, und da ich sie schon von Manhei
m in
Salzburg zurück hoffte, i
mer euere zu machende Anstaltς in allς meinς
Briefen betrieb, auch schon an meinς Brudς nach Augsp
ς: geschriebς hatte, da kam
ein Brief von euch der mich in Erstaunς, in verwirrung und betrübniß
setzte, und sie erklärte sich im nämlichς schreibς, ohne daß du es weist,
daß sie aus gutς Gründς, aus Lieb zu dir, mit dir nach Paris reisen
wolle, alles dieses hat also geschehς müssen, weil die Täge ihres Lebens von
der göttl: vorsehung gezehlt, und nun zu Ende warς, – Sie muste in
Paris sterbς, weil sie in Salzburg nicht gestorbς wäre. Bettς wir die
allerheiligste Göttliche Anordnung und seinς heiligstς willς in tiefester demuth
an.
Was ich beÿ euerer beÿdς Abreise ausgestandς übertrift alle
die vorhergehendς Betrübnissς meines Lebens, das aller erschröcklichste ist noch
oben darein, daß ich elendig krank fürs Einpackς und Aufpackς besorget,
von Angst und Schmerzς betäubt i
mer untς beÿm Wagς zu thun hatte,
und nicht einmahl mit euch beydς alleine etwas vor euerer Abreise
sprechς konnte. – und doch sahe ich die gute Frau das letzte mahl!
Nun ko
mt die Nachricht ihres Todes – das ist nun der zweite noch
härtere Schlag – Nun die ewige Angst für dein Wohl, für
deine Gesundheit, Mein Sohn! – und für – ich weis selbst nicht – –
Noch so ein Schlag; da
n bin ich dahin! – etwas anders!
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den
Abbé Lendorff ka
nst du nicht kennς, du warst nicht gebohrς. Er tragt sich als Or=
ganist nach Salzb
ς: an. höre seine Lebensbeschreibung. Er ist eines
Lutherischen
fleischhackers Sohn aus augspurg. Er entlief seinς Eltern, und wurde Catholisch,
und zwar in augsp
ς. Ich weis nun nicht was für geistlichς sich dort seiner a
nahmς,
sie liessς ihn studierς und Musik lernς. Er kam als student nach Salzb
ς: der Chorregent
zu St: Peter war allzeit vormals ein Weltpriester und war zugleich Organist.
der starb, und
Lendorffer hielt um die Stelle an, bekam sie, und wurde
Priester. Er war i
mer beÿm Eberlin seel: und in der tägl: Gesellschaft des
Adl=
gassers,
Meissner, und eines gewissς Narrς
Steinheil |: dς sich auch Todt gesoffς :|
sie schwermetς Nachts herum und Lendorffer war täglich besoffς. Es kamς andςe
kleinigkeitς mit darunter, er musste wegς
St: Peter in Sorgς stehς, Schuldς gabs
auch – er suchte demnach unter der Hand in augsp
ς: eine
Chorivicariatsstelle
odς andςes
Beneficium, und erhielt es, gieng dahin, trieb ebς so ein Lebens=
art, machte häuffige Schuldς, – und gieng durch –. Nun hieß es er wäre
wieder Lutherisch gewordς, da
n man erfuhr, daß er nach
Stutgard gegangς.
das blinde Glück wollte, daß am Würtemberger Hof eine Caplanstelle ebς ledig
war, die erhielt er, weil er Musik konnte. – am Hof giengs aber nicht
lang, weis nicht warum, und er wurde aufs Land
exponiert. Nun hörte
man seit 14 bis 15 Jahrς nichts mehr von ihm, so, daß man ihn für gestorbς hielt,
und niemand mehr an ihn dachte; Du ka
nst dir also vorstellς wie sehr ich be=
troffς war einς Brief von ihm zu sehς. als ich mit zittern den Brief eröffente,
und oben
Paris 13 Juillet laß, so warf ich ihn weg und glaubte es möchte mir ein
dritter etwas betrübtes von dir schreibς: Die Na
nerl laß ihn, und da
n muste ich
lachen und du würdest auch lachς we
n du ihn lesς solltest. Er fängt an:
Nachdem ich
den 23tς Juin: aus Britanien nach Paris zurückkam p:
p:
So groß die Freude war
den liebstς hς: Sohn zu sehς, so unvergleichlich war der Schmerz über den verluest p:
welche mir noch von 27 Jahrς her mit ihrς rosenfarbς Wangς lebhaft vorstellς
ka
n; trösten sie sich
avec les Nuits de Young, traduits de l'angloise par Mr:
Le Tourneur.
p: das ist das Buch
Joungs Nachtgedankς über Lebς, todt, und Unsterb=
lichkeit. da
n heists,
daß du in Paris nach dem französischς Etiquette wirst Componierς
müssen, und
daß die franzosς heute einς Meister bis in den Himel und
morgen bis in die Hölle erheben. und andςe solche lächerliche Ausdrücke.
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Du siehst nun von was für einer Art Menschen dieser Lendorff ist
Dh ofulot nhn vsn wmo ih"r lfnlr mrtu alnoculn dfolr elndsriilr fot.
Er ist ein leichtsinniger Mensch nicht für
lr fot lfn elfcutofnfglr Amocu, dessen gesellschaft
nfcut ih"r dfcu fot.
dich ist.
Sollte h
ς: Lendorffer zu dir ko
mς, so kannst du ihm sagς, ich hätte noch keine ant=
wort, und werde auch so bald keine beko
mς, da
n hier geht alles ins lange hinaus und
am Ende ist es meistens nichts. so bald ka
n, schreibe ich ihm gleich.
Neuigkeitς!
Ferlendis hat vor 3 tägς abgedankt, und ist schon mit
ultimo Junii aus dienstς ge=
trettς. das war um so unvermutheter und empfindlicher, als ihm der
Erzbischof sondςheitl: seit 2 Monatς, so oft er ein
Concert geblasen, allzeit
ein odς 2 duggattς geschenkt und er unter der Musik die
Favoritperson war, auch
wirklich, seit dem
Besozzi hier war, von ihm vieles gelernt hat. Es ko
mt
nun eine andere Historie nach,
die nur ich allein weis.
Ferrari wird mit Ende
augusti seinς Abschied nehmen. diese 2 Historiς werdς auch dem
Brunetti den
Stab brechen – die welschen verlierς nun ihrς
Credit. Itzt bricht alles
wider sie los, der graf
Arco, die
Lodronin, die 2 Starnberg, der
Bischof von Königsgratz
p: und ich hebe die Achseln in die Höhe, und sage
nichts.
Ferlendis giebt vor seiner Frau tauge die Luft nicht. Nun werde ich
um
Waldhornistς,
Hautboistς, –
Tenoristς,
Violonzellistς,
Violinistς, und –
– Nein – um keinς Organistς – schreibς müssς. – Sie erwartς i
mer etwas
von mir:
allein sie wartς vergebens: Du kannst glaubς, und gewis glaubς
mein liebster Sohn, daß ich ohne dich eher sterbe, und daß ich, we
n ich dich beÿ
mir zu habς das vergnügς habς könnte um viele Jahre länger lebς würde,
das ist einmal ganz gewiß, de
n ich bin, ausser meiner GemüthsKrankheit,
Gott Lob gesund. allein die Sache müste gut – vorträglich, und mit
reputation
geschehς. wäre dieses, so wäre hier der Platz, als ein Mittlpunckt zwischς Münchς
Wie
n und Italiς i
mer sehr vortheilhaft – de
n Manheim ist übersetzt.
Seau ist in Manheim schon vorgellt wordς, und der Hof wird bald wiedς nach Münchς
ko
mς. Mir scheint
wir werdς von Sänger, Sängerinς, und Instrumentalistς
we
ns möglich
einς neuς Bodς legς, dς Erzb
ς: hat schon mir einige Co
missionς gegebς.
beschreibe mir den
Rotfischer, aber mit wahrheit, ohne Par
tialität. deine
Schwester küsst dich millionmahl, sie ist erstaunlich fleisig, und hat in
wahrheit alle Sorge für mich. Empfehle uns beyde t
ς: h
ς: Baron v Grim
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[S. 5]


und der
Md:me D'Epinay, ich danke gehorsa
mst für alle Gnadς, die
du alda genüssest, – sorge mein Sohn für deine Gesundheit,
ich muß schlüssς, die Post geht.
Mzt
mp
das Buch vom Vogler darfst du mir nicht schickς, wir beko
mς es
hier.
Leben
Ekard – und
Hanauer noch?
3 Aug 78
den 4
tς Juli ist
vom Kolb deine
Lodroς: Cassation auf dς gasse, vor
den
andrettς: Hause
produciert wordς.
dς 9
tς Julii beym h
ς: von Maÿer vorm Hauß Nachtmusik vom
Kolb, eine deinige
Finalmusik, und dein
Concert für den
Kolb: wir hörtς es kostbar übers wasser in unsern zi
mern,
da
n wir wustς vorher nichts davon
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À
Monsieur
Monsieur Le Chevalier Wolfgang
Amadé Mozart maître de Musique
à
chez M:r Le Baron
de Grimm p:
Rue de la Chaussée Paris
d'Antin, prés de Boulevard.
Nro. 53.
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