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Paris ce 29
juillet
Monsieur mon Trés cher et plus cher Amy! 1778
Ich habe ihr schreiben von 15:
ten jully diesen augenblick erhalten – worauf ich schon so sehnlichst gewartet
habe, und mir dessentwegen so vielle gedancken gemacht habe! –
Basta! – nun bin ich durch ihren
schätzbaren brief wieder beruhiget worden – bis auf den haupt=i
nhalt welcher mein ganzes
geblüt in wallung gebracht hat – so daß – doch, ich will ab=brechen – sie ke
nen mich,
mein freünd, – sie zweifeln also nicht am allen, was ich beÿ durchlesung ihres schreibens em=
pfunden habe – ich ka
n es ohnmöglich unterlassen – ich muß ihnen gleich antworten, de
n ich finde
es für sehr nothwendig – Nur muß ich sie noch befragen, ob sie mein schreiben von 29:
ten juni
auch erhalten haben? – ich habe ihnen gleich 3 briefe nacheinander geschrieben; – von
27:
ten,
gerade an sie
addressirt – von
29:ten an h
ς: Heckman, und von
3:ten julli an ebendenselben;
Nun zur sache: – habe ich nicht i
mer zu ihnen gesagt daß der Churfürst seine
Residenz zu München
machen wird? – ich habe schon hier gehöret daß der graf
seau so wohl für München als Ma
nheim
als
indentant Confermirt seÿe! – Nun muß ich ihnen etwas sehr nothwendiges sagen – und
welches ich ohnmöglich einer bekandten sprache anvertrauen ka
n – sie werden es schon finden; –
inzwischen wünsche ich – der hof mag nun nach München ziehen, oder zu Ma
nheim verbleiben,
daß ihre besoldung verstärcket wird, und die
Mad:selle Tochter eine gute besoldung beko
men
möchte – ihre schulden gänzlich bezahlt würden, damit sie doch alle ein wenig besser
luft schöpfen kö
nten – es würde endlich mit der zeit schon besser werden – wo nicht? – so steht
ma
n doch so gut, daß man gedult haben – die Zeit abwarten, und sich folglich
wo anderst
in bessere umstände setzen ka
n; – freünd, hätte ich das geld, was mancher, der es nicht
so verdient, so Elendig verschwendet; hätte ich es! – O, mit wie viell freüden wollte
ich ihnen helfen! – aber leider; wer ka
n, der will nicht, und wer will, der ka
n nicht! –
Nun hören sie; Ich wollte mich
impegniren | und vielleicht nicht fruchtlos | daß sie, diesen winter,
mit ihrer
Mad:selle tochter nach
Paris ko
men kö
nten – allein; der umstand ist dieser:
M:r Le gros |
Directeur von
Concert spirituel | mit dem ich schon von meiner freündin gesprochen
habe, ka
n sie diesen winter nicht ko
men lassen – weil schon bereits die
Mad: Le brun
für diese Zeit
Engagirt ist – und er wircklich nicht in den besten umständen
dermalen
ist, um 2 solche
personen nach verdiensten | und wie
ich es nicht anderst zuliesse |
bezahlen zu kö
nen – mithin ist da nichts zu verdienen – auf den andern winter
ist es aber ganz thunlich – ich habe ihnen nur
sagen wollen, – daß we
n sie es gar nicht mehr
aus=stehen kö
nten – gar nicht mehr – so kö
nten sie nach
Paris ko
men – die Reise,
Tafel,
logement holz und licht würde sie nichts kosten – aber daß ist halt nicht genug.
den winter würden sie sich schon durchbringen kö
nen – de
n es giebt
Particular Concerte –
und in
Concert des amateurs würde ich ihnen auch vielleicht etwas zuwegen bringen; –
allein den So
mer durch? – da
n, für den andern winter ist mir nicht bang – da
würden sie gewis für das
Concert spirituel auch
Engagirt – –
Basta, schreiben sie mir
ihre gedancken darüber; – ich will da
n sehen alles mögliche zu thun; – bester freünd!
ich schä
me mich so zu sagen ihnen eine solche
Proposition zu machen – die, nach ihrer Ein=
willigung, a
noch zweifelhaft – und nicht so vorzüglich ist, wie sie es verdienen, und ich es wünsche!
allein – betrachten sie nur meinen guten willen – der wille ist da; – ich wollte gerne
helfen, allein – ich studiere hin und her, ob ich nicht etwas ausfindig machen ka
n – daß
die sache thunlich ist; – warten sie; – ich will sehen; – we
n dieß geht – was ich
nun im kopf habe – – aber gedult – man muß die sachen niemahlen übereilen,
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sonst gehen sie kru
m, oder gar nicht; – inzwischen dringen sie
mit gewalt auf ver=
besserung ihrer besoldung, und auf eine gute besoldung für ihre tochter – thun sie es
öfters schriftlich – und
NB: we
n unsere heldin beÿ hof singen soll, – und
sie keine
antwort – oder aufs=wenigste keine günstige auf ihr angehen unterdessen beko
men haben;
so lassen sie sie nicht singen – schützen sie eine kleine unpässlichkeit vor – thun
sie es öfters so – ich bitte sie; – und we
n dieß öfters so geschehen ist, so lassen sie
sie auf einmahl wieder singen – da werden sie sehen was dieß für eine wirckung
Thut; – dieß muß aber mit aller feinheit und list geschehen; – es muß ihnen recht
leid seÿn, daß die
louis just zur zeit da sie sich
Producirn soll, unpässlich ist –
NB: we
n dieß aber
unausgesezt 3 oder 4 mahl nacheinander geschieht – so merckt
ma
n den spass doch! – und daß ist eben was ich will – und we
n sie nachgehends
einmahl wieder singt, so muß es
NB: heraus ko
men als we
n es aus gefälligkeit geschähe! –
sie muß noch nicht ganz gut seÿn – sie thut nur ihr möglichstes um den Churf: zu
Con=
tentiren – verstehen sie mich; – und unterdessen aber muß sie mit allen fleiß ganz
von herzen – und mit aller Seele singen; – unterdessen versteht sich, daß sie
i
mer fortfahren ihre nur gar zu billige beschwärnüsse so wohl schriftlich als Münd=
lich am tag zu geben – und we
n sie etwa, der
intendant, oder sonst
jemand,
wo sie wissen, daß es
wieder geschwäzt wird, fragt, wegen der gesundheit ihrer
Mad:selle tochter – so sagen sie ihm, so ganz geheimnüß voll; – es ist kein
wunder nicht – das arme mädl hat eine gemüths=kranckheit, und die wird hier schwerlich
curirt werden – sie hat sich mit allen fleiß und
studio auf das singen begeben,
und darin auch wircklich
Progressen gemacht, die ihr kein Mensch streittig machen ka
n –
– und nun leider gesehen daß alle ihre Mühe und fleiß fruchtlos, und die be=
gierde und freüde seiner Churf: Durchl: dienen zu kö
nen, zu staube geworden –
– sie hätte auch ihre ganze freüde zur
Musique verlohren, – sich
negligirt, und
das singen wircklich aufgegeben, we
n ich nicht zu ihr gesagt hätte: Meine tochter,
deine Mühe, und dein fleiß ist nicht fruchtlos; we
n man dich hier nicht belohnt,
so wird man dich in andern orten belohnen; – und das habe ich auch im si
n; –
ich ka
n es nicht mehr aus=stehen – kann mir ohnmöglich von meinem kinde einen
so billigen vorwurf länger machen lassen; – und da
n – wen er fragt
wohin? –
ich weis noch nicht – # schmecks kropferter! – das ist nur, we
n sie
glaubeten daß alle hoffnung verlohren seÿe – welches ich aber ohnmöglich glauben ka
n;
de
n es ist ohnmöglich daß sie der Churf: so länger sitzen läst – de
n, we
n er sieht,
daß er sich ihrer
Mad:selle tochter nicht bedienen kan, ohne ihr eine besoldung auszuwerfen,
so ist er wohl dazu gezwungen, de
n er muß sie ja haben – er braucht sie nothwendig.
we
m hat er de
n zu Ma
nheim? – die
danzig? – die wird, so wahr ich dieses schreibe,
nicht bleiben. – zu München? – da hat er geschwind gar niemand. – de
n ich ke
ne
münchen auswendig, ich war ja 5 mahl dort – mithin muß er – er ka
n sie nicht
gehen lassen – und was sie betrift – so muß ihr hauptbeschwärnüß i
mer seÿn,
die schulden; – Nun aber, damit man nicht der
angesezte ist, – we
n im fall
gar nichts zu thun wäre | welches ich doch nicht hoffe | so werden sie allzeit sehr gut
thun, we
n sie unter der hand sich um etwas gewisses umsehen – aber an einen
hof, versteht sich – ich werde mir auch, seÿen sie dessen versichert, alle mühe
geben. – Mein gedancken | was sie thun sollen | ist, daß sie sich in der stille
#(Schmecks Kropfeter – ein gewisser Ausdruck zum Necken)
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Nach Maÿnz wenden sollen – sie waren ja erst dort – sie werden doch wohl wenigstens
mit
einem bekandt seÿn der ka
n – und etwas vermag – de
n, ko
men sie mir nur
mit der seilerischen gesellschaft nicht! – ich ka
n nicht leiden daß ihre
Mad:selle Tochter,
– und we
n sie auch ihre tochter nicht wäre – we
n sie ein gefundenes kind wäre, so
wäre es mir sehr leÿd, we
n sie mit
ihren Talent unter die
Comedianten zu stehen ko
mte;
– als we
n sie zu nichts als zum ausflücken gut wäre – de
n die hauptsache beÿ der
seÿlerischen, und überhaupt beÿ allen banden, ist i
mer die
Comœdie – das singspiell
ist nur da – um die
Comœdianten da
n und wa
n der Mühe zu überheben – öfters gar
um den
acteurs zeit und Raum zum
umkleiden zu geben – und überhaupts zur ab=
wechslung – Ma
n muß allzeit auf seine Ehre sehen – ich wenigstens sehe allzeit darauf –
– hier haben sie meine Meÿnung von der brust weg – sie wird ihnen vielleicht nicht ge=
fallen, allein, mit meinen freünden bin ich gewohnt
aufrichtig umzugehen – sie
kö
nen übrigens thun was sie wollen – ich werde mir niemalen die freÿheit nehmen
ihnen etwas
vorzuschreiben – wohl aber als ein wahrer freünd zu rathen – sie sehen daß ich
nicht
Entétirt bin, daß sie zu Ma
nheim bleiben sollen – mir ists ganz lieb we
n sie
nach Maÿnz ko
men – allein mit Ehre und
Reputation – Mein gott, Meine freüde we
n
ich nach Maÿnz ko
men sollte, würde um vielles schwächer und weniger seÿn, we
n ich ihre
Mad:selle Tochter unter den
Comœdianten suchen müste – welches gar leicht geschehen
ka
n – Es ist gar nicht unmöglich daß ich nach Maÿnz ko
me –
Engagirt versteht sich;
unter uns gesagt, versteht sich – Nur ihnen, Mein freünd, vertraue ich meine
affairen,
wie sie mir die ihrigen – Nur noch etwas: und sie kö
nten es dulden, Mein freünd,
daß ihre
Mad:selle Tochter im ne
mlichen ort unter den
Comœdianten agirt, wo die
Mad:selle
Hellmuth | mit welcher man gar keine
Comparaison machen ka
n | am hof
Engagirt
ist – und ihr folglich vorgezogen ist? – liebster freünd – lassen sie dieß das lezte –
das äüsserste Mittel seÿn – Nun will ich ihnen alles in kurzen wiederhohlen –
Mir scheint, | sie müssen mir es aber nicht übel nehmen | daß sie gleich durch etwas kö
nen
zu boden geschlagen werden – sie verliehren gleich allen Muth – geben zu geschwind
alle hoffnung auf – sie kö
nen mir nichts dawider sagen, den ich weis ihre umstände –
– sie sind betrübt, das ist wahr – allein lange nicht so betrubt als sie sich es vorstellen;
ich weis was das einem Ehrlichen Ma
ne schmerzet und wehe thut, we
n er zum schulden
machen gezwungen ist – ich weis es aus der Erfahrung – allein, we
n wir es recht
betrachten wollen, wer macht die schulden? – sie? – Nein, der Churfürst;
we
n sie heüte weg=gehen – aus=bleiben – die schulden nicht bezahlen – so kö
nen
sie nichts billigers thun – und kein mensch, der Churf: selbst wird sich nicht
darüber aufhalten – doch – sie brauchen aber auch dieses nicht – sie werden ganz
gewis in die umstände gesezt – daß sie diese schulden bezahlen kö
nen – darum
rath ich ihnen – Nur noch gedult zu haben bis künftigen winter übers jahr –
unterdessen aber ihr möglichstes zu thun, ihre
situation zu Ma
nheim zu verbessern –
– sich zu
impegniren etwa wo anderst anzuko
men – geschieht etwas von diesen,
so ist es desto besser, wo nicht, so ko
men sie künftigen winter übers=jahr Nach
Paris – da stehe ich ihnen wenigstens für 60
louisd'or gut – unter dessen hat
die
louise im
singen und besonders aber in der
action zugeno
men – unter dieser
Zeit sehe ich ihr um eine
opera in
italien um – we
n sie nur einmal eine ge=
sungen hat – da
n geht es fort – we
n die
Mad: Le brun unterdessen etwa nach
Ma
nheim ko
men sollte – so machen sie sich beede zu freünde – die kö
nen ihnen
für
London Nützlich seÿn – sie ko
mt diesen winter hieher – und da will schon
[S. 4]


ich mich darum a
nehmen; – obwohl es mir, wie ich hoffe daß sie nicht daran zweifeln werden,
lieber wäre, wen ich sie heüte – als morgen sehen kö
nte, so muß ich ihnen doch als ein wahrer freünd
misrathen
diesen winter auf solche art wie ich ihnen geschrieben | und es dermalen nicht anderst möglich
wäre | hieher zu ko
men – Erstens wäre es ein wenig unsicher – da
n auch nicht gar zu rühmlich ohne
mindesten
Engagement zu ko
men – und da
n sich von jemand so zu sagen unterhalten zu lassen,
ist sehr trauerig – ja, Mein gott, we
n ich in so glücklichen umständen wäre, daß ich sie
in allem freÿ halten kö
nte – da
n kö
nten sie, ohne mindester forcht daß es ihrer Ehre
nachtheilig seÿn würde, sicher ko
men – de
n ich schwöre ihnen beÿ meiner Ehre, daß es
kein Mensch, als sie und ich, wissen sollte – und niemalen erfahren sollte – Nun, da
haben sie meine gedancken, meine Meÿnung, und meinen rath; thun sie, was sie für
gut befinden – Nur, bitte ich sie, nicht zu glauben, daß ich sie etwa von Reisen ab=
halten wolle, und zu bereden suche in Ma
nheim zu verbleiben oder sich in Maÿnz
zu
engagiren, weil ich hofnung habe vielleicht in einen von diesen orten
engagirt
zu werden – um mir nemlich das vergnügen zu
Procuriren sie bald umarmen zu kö
nen –
– Nein, sondern, weil ich aus viellen ursachen gut finde, we
n sie noch ein wenig warten;
ja, bester freünd, we
n ich machen kö
nte daß
wir in einem ort miteinand glücklich
und vergnügt leben kö
nten – das würde ich ganz gewis allem vorziehen – das würde
mir das liebste seÿn – aber seÿen sie versichert daß ich ihr glück, meiner ruhe und
meinem vergnügen vorziehe – und sie alle glücklich und vergnügt zu wissen – alle
freüde aufopfern – mit den vesten vertrauen auf gott, daß er mir doch einmal
wieder die freüde verleÿhen wird, die leüte wieder zu sehen, die ich so von ganzen
herzen und ganzer Seele liebe – und vielleicht – doch noch mit ihnen leben zu
kö
nen – haben sie also noch gedult, liebster, bester freünd! – und sehen sie
sich unterdessen i
mer um etwas um – Nun ein wenig etwas von meinen sachen –
ich muß mich hier plagen daß ich es ihnen nicht genug sagen ka
n – hier geht alles
langsam, bis man nicht recht bekandt ist, ka
n man mit der
Composition nichts
machen – in vorigen briefen habe ich ihnen schon geschrieben, wie schwer es hält,
ein gutes
Poëm zu beko
men – nach meiner erklärung von der hiesigen Musick kö
nen
sie sich leicht vorstellen daß ich keine grosse freüde hier habe – und so bald möglich
| unter uns | weg=zuko
men trachte; H
ς: Raaff wird leider vor Ende
Augusts nicht nach
Ma
nheim ko
men – er wird aber alsda
n meine sache
betreiben – und da kö
nte man
etwas hoffen – geht dieses nicht, so werde ich wohl gewisser als nicht nach Maÿnz
ko
men – der graf Sückingen | wo ich gestern war und sehr starck von ihnen gesprochen
habe | hat einen brudern alda – und er hat mir es selbst angetragen – mithin
glaube ich daß es thunlich ist – da haben sie nun meine aus=sichten, die allen,
ausgeno
men dem grafen, ihnen und mir, noch ein geheimnüss sind – übrigens
ist, beÿ aller trauerigkeit meiner iezigen umstände, nichts was mich so schmerzt,
als daß ich nicht im stande bin ihnen so zu dienen – wie ich es wünschte – das schwöre
ich ihnen beÿ meiner Ehre –
Adieu bester freünd, leben sie wohl; schreiben sie mir
bald – antworten sie mir auf alles – auch auf die vorigen briefe, ich bitte sie da=
rum; machen sie meine Empfehlung der frau gemahlin, und allen ihren angehörigen,
und seÿen sie versichert, daß ich alle meine kräften anwenden werde, sie in bessere
umstände zu setzen – we
n ich keinen vatter und schwester hätte, für welche ich
mehr
leben muß als für mich – für dessen unterhalt ich sorgen muß – so wollte ich
mit gröster freüde mein schicksaal gänzlich vernachlässigen – und nur ganz allein auf das
ihrige bedacht seÿn – de
n ihr wohlseÿn – ihr vergnügen – ihr glück, macht | we
n ich für mich allein dencken
darf | mein ganzes glück aus – leben sie wohl – dero unveränderlicher Mozart
mp