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                                                                                                                  Paris ce 3 de julliet
                                     Monsieur                                        
49                                   
1778
                                            mon trés cher Pére!

Ich habe ihnen eine sehr unangenehme und trauerige nachricht zu geben, die auch ursach ist,
daß ich auf ihren lezten von 11ten Datirt, nicht eher habe antworten könen. --
Meine liebe Mutter ist sehr kranck – sie hat sich, wie sie es gewohnt war, adergelassen, und
es war auch sehr nothwendig; es war ihr auch ganz gut darauf – doch einige täge darnach
klagte sie frost, und auch gleich hitzen – bekam den durchlauf, kopfwehe – anfangs
brauchten wir nur unsere haus=mitteln, Antispasmotisch Pulver, wir hätten auch gerne
das schwarze gebraucht, es mangelte uns aber, und wir konten es hier nicht bekomen,
es ist auch unter den namen Pulvis epilepticus nicht bekandt. – weil es aber imer
ärger wurde – sie hart reden konte, das gehör verlor, so daß man schreÿen muste, –
so schickte der Baron grim seinen Doctor her – sie ist sehr schwach, hat noch hitzen, und
Phantasirt – man giebt mir hofnung; ich habe aber nicht viell – ich bin nun schon lange
Tag und nacht zwischen forcht und hofnung – ich habe mich aber ganz in willen gottes
gegeben – und hoffe sie und meine liebe schwester werden es auch thun; was ist den
sonst für ein Mittel um ruhig zu seÿn? – ruhiger, sage ich, den ganz kan man
es nicht seÿn; – ich bin getröstet, es mag ausfallen wie es will – weil ich weis daß es
gott, der alles | wens uns noch so quer vorkömt | zu unsern besten anordnet, so
haben will; den ich glaube | und dieses lasse ich mir nicht ausreden | daß kein Doctor, kein
mensch, kein unglück, kein zufall, einem menschen das leben geben, noch nehmen kan,
sondern gott allein – das sind nur die instrumenten deren er sich meistentheils be=
dienet, – und auch nicht allzeit – wir sehen ja daß leüte umsincken, umfallen
und tod sind – wen einmahl die zeit da ist, so nutzen alle mitteln nichts, sie
befördern eher den tod als daß sie ihn verhindern – wir haben es ja an seeligen
freünd Hefner gesehen! – ich sage dessentwegen nicht daß meine Mutter sterben
wird und sterben muß, daß alle hofnung verloren seÿ – sie kan frisch und ge=
sund werden, aber nur wen gott will – ich mache mir, nachdeme ich aus allen
meinen kräften um die gesundheit und leben meiner lieben mutter zu meinen
Gott gebetten habe, gerne solche gedancken, und tröstungen, weil ich mich
hernach mehr beherzt, ruhiger und getröst finde – den sie werden sich leicht
vorstellen daß ich dieß brauche! – nun etwas anders; verlassen wir diese trauer-
gedancken. hoffen wir, aber nicht zu viell; haben wir unser vertrauen auf gott,
und trösten wir uns mit diesem gedancken, daß alles gut gehet, wen es nach den
willen des allmächtigen geht, indem er an besten weis was uns allen sowohl zu
unsern zeitlichen als Ewigen glück und heÿl erspriesslich und nutzbar ist --

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Ich habe eine sinfonie, um das Concert spirituel zu eröfnen, machen müssen. an frohnleichnams=
Tag wurde sie mit allem aplauso aufgeführt; Es ist auch so viell ich höre, in Couriere
de L'europe eine meldung davon geschehen. – sie hat also ausnehmend
gefallen. beÿ der Prob war es mir sehr bange, den ich habe mein lebe=
Tag nichts schlechters gehört; sie könen sich nicht vorstellen, wie sie die
Sinfonie 2 mahl nacheinander herunter gehudeld, und herunter ge=
krazet haben. – mir war wahrlich ganz bang – ich hätte sie gerne
noch einmahl Probirt, aber weil man allzeit so viell sachen Probirt,
so war keine zeit mehr; ich muste also mit bangen herzen, und mit
unzufriedenen und zornigen gemüth ins bette gehen. den andern tage
hatte ich mich entschlossen gar nicht ins Concert zu gehen; es wurde
aber abends gut wetter, und ich entschlosse mich endlich mit den vorsaz,
daß wen es so schlecht gieng, wie beÿ der Prob, ich gewis aufs orchestre
gehen werde, und den hς: Lahousè Ersten violin die violin aus der
hand nehmen, und selbst dirigirn werde. ich batt gott um die gnade
daß es gut gehen möchte, indem alles zu seiner grösten Ehre und glory
ist, und Ecce, die Sinfonie fieng an, Raff stunde neben meiner,
und gleich mitten in Ersten Allegro, war eine Pasage die ich wohl wuste
daß sie gefallen müste, alle zuhörer wurden davon hingerissen – und
war ein grosses applaudissement – weil ich aber wuste, wie ich sie schriebe,
was das für einen Effect machen würde, so brachte ich sie auf die
lezt noch einmahl an – da giengs nun Da capo. das Andante
gefiel auch, besonders aber das lezte Allegro – weil ich hörte daß hier
alle lezte Allegro wie die Ersten mit allen instrumenten zugleich
und meistens unisono anfangen, so fieng ichs mit die 2 violin Allein piano
nur 8 tact an – darauf kam gleich ein forte – mit hin machten
die zuhörer, | wie ichs erwartete | beÿm Piano sch – dan kam gleich
das forte – sie das forte hören, und die hände zu klatschen war
eins – ich gieng also gleich für freüde nach der Sinfonie ins Palais
Royale – nahm ein guts gefrornes – bat den Rosenkranz den ich ver=

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sprochen hatte – und gieng nach haus. – wie ich allzeit am liebsten zu
hause bin, und auch allzeit an liebsten zu hause seÿn werde – oder
beÿ einen guten wahren redlichen teütschen – der wen er ledig ist für
sich als ein guter Christ gut lebt, wen er verheÿrathet ist, seine frau
liebt, und seine kinder gut erzieht --
Nun gebe ich ihnen eine nachricht die sie vielleicht schon wissen werden,
daß nehmlich der gottlose und Erz=spizbub voltaire so zu sagen
wie ein hund – wie ein vieh crepirt ist – das ist der lohn! –
der thresel sind sie wie sie es geschrieben haben 54 lohn aus=ständig –
daß ich hier nicht gerne bin, werden sie schon längst gemercket haben –
ich habe so viell ursachen, und die aber weil ich izt schon einmahl da
bin, zu nichts nutzen. – beÿ mir fehlt es nicht, und wird es niemalen
fehlen, ich werde aus allen kräften meine möglichkeit thun – Nun,
gott wird alles gut machen! – ich habe etwas im kopf dafür ich gott
täglich bitte – ist es sein göttlicher wille so, so wird es geschehen,
wo nicht, so bin ich auch zufrieden – ich habe dan aufs wenigst
doch das meinige gethan – wen dieß dan alles in ordnung ist, und
so geschieht wie ich es wünsche, dan müssen sie erst das ihrige darzu
thun, sonst wäre das ganze werck unvollkomen – ich hoffe auch
von ihrer güte daß sie es gewis thun werden – machen sie sich
nur izt keine unütze gedancken, den um diese gnade will ich
sie schon vorher gebeten haben, das ich meine gedancken nicht eher
ins glare setze, als bis es Zeit ist
mit der opera ist es dermalen so. man findet sehr schwehr ein gutes
Poëme. die alten, welche die besten sind, sind nicht auf den Modernen styl
eingerichtet, und die neüen sind alle nichts nutz; den die Poesie, welches
das einzige war wo die franzosen haben darauf stolz seÿn könen,
wird izt alle tag schlechter – und die Poesie ist eben das einzige hier

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was gut seÿn muß – weil sie die Musique nicht verstehen – es sind
nun 2 opern in aria die ich schreiben könte, eine endeuxacts, die
andere en trois. die en deux ist Alexandre et Roxeane – der
Poet aber der sie schreibt ist noch in der Campagne – die en trois
ist Demofont | von Metastasio | übersezt, und mit Chöre und tänze
vermischt, und überhaubt auf das französische Theatre arangirt.
von dieser habe ich auch noch nichts sehen könen --
schreiben sie mir doch ob sie die Concerte von schrötter zu Salzbourg haben? –
die Sonaten von hüllmandel? – ich wollte sie kaufen, und ihnen
überschicken. beÿde oeuvre sind sehr schön – wegen versailles war es
nie mein gedancke – ich habe auch den Rath des Baron grim und
anderer guter freunde darüber gehört – sie dachten alle wie ich.
es ist wenig geld, man muß 6 Monath in einen orth verschmachten
wo nichts sonst zu verdienen ist, und sein talent vergraben.
dan wer in königlichen diensten ist, der ist zu Paris vergessen.
und dan organist! – ein guter dienst wäre mir sehr lieb,
aber nicht anderst als kapellmeister, und gut bezahlt.
Nun leben sie recht wohl – haben sie sorg auf ihre gesundheit,
verlassen sie sich auf gott – da müssen sie ja trost finden;
Meine liebe Mutter ist in händen des allmächtigen – will er sie
uns noch schencken, wie ich es wünsche, so werden wir ihn für diese
gnade dancken, will er sie aber zu sich nehmen, so nutzt all
unser ängsten, sorgen und verzweifeln nichts – geben wir uns
lieber standhaft in seinen göttlichen willen, mit gänzlicher über=
zeügung daß es zu unsern nutzen seÿn wird, weil er nichts
ohne ursache thut – leben sie also recht wohl, liebster Papa,
erhalten sie mir ihre gesundheit; ich küsse ihnen 1000mahl die hände,
und meine schwester umarme ich von ganzen herzen und bin dero
gehorsamster Sohn
                                                               wolfgang Amadè Mozart mp

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