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Paris den 29
tς Maÿ 1778
Mein lieber Mann.
deinς brief von 29
tς Apriel haben wir richtig erhalten, und daraus mit ver=
gniegen vernomς das du dich mit samt der nanerl gesund befindest, die
Neuigkeitς haben mich ungemein belustiget. Zwar die auer sandl bedaure
ich von herzen, hofe aber sie wird indessς widerum beÿ ihren völligen
verstande sein. was den hafner
Sigerl belangt habe ich von herzen
gelacht, dan ich kenne das Mensch, sie ist unsere nandl, die uns so betrogς
hat ihr guete bekante und offt zu ihr ko
men.
ist auch zu ihr befreindet
sie ist eine Preu Tochter von uttendorff, sie kan aber nicht älter sein
als 26 Jahr, sie sieht nur alt aus weill sie beÿn oberistς ist Stra=
paziert worden. wan er sie gehäaurathet hat, so hat er eine
Scharmante Partie getroffen, gesenges im gott er hat keine
Vrsag mit
ihr zu eifern, dan es verliebt sich gewis kein Mensch in sie. Von Krieg
höret man hier nicht vill, was du aber geschribς hast das der König in
Preusen
aliancen sucht zu bekomς das glaube ich, allein es wird hart
sein könnς, dann Rusland kan wegς des türckς nicht leicht, dan die
türcken wollen durchaus krieg habς. die schweden könnς unmöglich
nicht, dan der könig in franckreich hat 30000 man
Subsidien von
ihnς und bezahlt alle Jahr 12
Million livers. und beÿ dänemarck
ist es wiederum nichts, dan ihr ganze macht ist etwan 30000 mann,
und da wehre das ganze land lehr, und meinest du sie scheuhen
franckreich nicht, welches bestendig beschäfftiget ist, beÿ allen Podenzς
den König von Preusen eine nasen zu trähen, darum Packter nicht
an, er könte sonst so lang nicht warthς, und ist allemal gleich der
angreiffer gewesen, und
hat sich nieh so lang besohnς. hier ist die ganze
statt guett Kaisserlich, ausgenomen die lutheraner etwan nicht alle
einige sind es auch, dan der Kaiser hat sich im seinen aufenthalt hier
sehr beliebt gemacht. etwas für die nanerl, sag ihr sie solle sich einς
saubern
Spazier stock anschaffen, dan hier ist es die greste Mode
das alle frauen Zi
mer |: ausgenommen die Mägde :| mit stäcken gehς
in die Kirchen, in
visiten,
spaziern, wo sie nur hin gehen, auf der
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gassen versteht sich, nicht in wagen, keine gehet zu fueß ohne stock.
weill es hier so schlipferich zu gehen ist, vor aus wan es gerengnet hat
so hat sich ein frauenzi
mer, vor einer Zeit den fues
überäncket, da hat
ein doctor gesagt, es wehre besser wan sich die weibsbilder der stöcke
bedieneten, so ist es gleich Mode geworden. sonst ist es hier überaus
theuer ein
℔ gutter butter kostet 30 bis 40
Sols der schlechte der nicht zu
geniessen ist 24
Sols. das
℔ Rindfleisch 10
Sols das Kalbfleisch 12 bis 14
Sols,
ein le
mers Piegel 3
livers, ein Junges hiendl 3
livers, der wein theuer
und schlecht aller von den würthen verdorben, es ist noch theurer als es
in Engeland gewesen, wie wür dorth wahren, mit einς
louidor kan
man nicht mehrer ausrichten, als in deutschland mit einς baierischς=
Thaller, und mit einς thaller richt man nicht mehrer aus als beÿ uns
mit einς 24
ker, alles ist noch einmahl so theuer als es vorhero gewesen
ist. überigens seind wir gott lob und danck gesund, und winschten
nichts anders als euch beÿde beÿ uns zu haben. das aderlassen werde
ich nicht vergessen, ich mus mir erst um einς gutten barbier sehς.
dahier ist es nicht mehr so in gebrauch wie vorhero, wie sich alle
Mode endert. den h
ςn Andretter
Cornet lassen wir uns empfehlen
um den h
ς bullinger ist uns leid das er kranck ist gewesen, es erfreit
uns das er wider um besser ist wir empfehlen uns ihm, und meiner
liebel Salerl, was macht dan sie, denckt sie noch an mich, ich und der
wolfgang reden offt von ihr, o wie offt reden wir von unsern bekantς
zu Salzburg, wan wir auf die nacht beÿm essen beÿ sa
men sizen.
adio lebts beÿde gesund ich küsse euch vill 10000 mahl und verbleibe
dein getreues weib Marianna Mozartin. an alle gutte freinde
und freindinς von uns alles erdenckliches, die thresel lasse ich griessς.

#
Ich befinde mich gott lob und danck so ganz erträglich; übrigens weis ich aber oft nicht,
ist es gehauet oder gestochen – mir ist weder kalt noch warm – finde an nichts
viell freüde; was mich aber an meisten aufricht, und guts Muths erhält, ist der
gedancke, daß sie, liebster Papa, und meine liebe schwester, sich gut befinden –
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daß ich ein Ehrlicher Teütscher bin, – und daß ich, we
n ich schon allzeit nicht
reden darf – doch wenigstens dencken darf was ich will. das ist aber auch
das einzige. gestern war ich das 2:
te mahl beÿ h
ς: graf
v: Sückingen khurf:
Pfälzischen gesandten, | de
n ich hab schon einmahl mit h
ς: wendling und
Raaff
dort gespeist | welcher, ich weis nicht ob ich es schon geschrieben habe, ein
charmande
herr,
Passionirter liebhaber, und wahrer ke
ner der
Musique ist.
da habe ich, ganz allein beÿ ihm, 8 stunde zugebracht. da waren wir vor=
mittag und nachmittag bis 10 uhr abends i
mer beÿm
clavier; allerleÿ
Mu=
sique durchgemacht – belobet, bewundert,
Recensirt,
raisonirt
und
criticirt. er hat so beÿläüfig gegen 30
spartiti von
opern.
Nun muß ich ihnen sagen, daß ich die Ehre gehabt habe, ihr
violinschule
französisch übersezt zu sehen. ich glaube es sind schon wenigstens 8 jahre daß
es übersezt ist. ich war just in den Musickladen, um ein
œuvre Sonaten
v. chobert für eine
scolarin zu kaufen. ich werde aber nächstens hingehen,
und es besser betrachten, um ihnen ausführlicher davon schreiben zu kö
nen.
die Zeit war mir neülich zu kurz. Nun leben sie recht wohl. ich küsse ihnen
1000mahl die hände, und meine schwester umarme ich von ganzen herzen.
mes Complimens à tous mes amis, particulierement à M:r
Bullinger. woAMozart
mp
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À
Frco
Monsieur
Monsieur Leopold Mozart
maitre de la Chapelle de S: A: R:
L'archeveque de et à
par Augspurg – Salzbourg.
Strasbourg –
N:o43
N.o43
den 7tς abends empfς. –
geantwortet dς 11tς Junÿ
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