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                  Mademoisell
                            ma trés chére
 Cousine!


sie werden vielleicht glauben oder gar meÿnen ich seÿ gestorben! – – ich seÿ
Crepirt? – oder verreckt? – doch nein! meÿnen sie es nicht, ich bitte
sie; den gemeint und geschissen ist zweÿerleÿ! – wie könte ich den so schön
schreiben wen ich tod wäre? – wie wäre das wohl möglich? – – --
wegen meinem so langen stillschweigen will ich mich gar nicht entschuldigen, den
sie würden mir so nichts glauben; doch, was wahr ist, bleibt wahr! – ich habe
so viell zu thun gehabt, daß ich wohl zeit hatte, an das bäsle zu den=
cken, aber nicht zu schreiben, mithin hab ichs müssen lassen bleiben.
Nun aber habe ich die Ehre, sie zu fragen, wie sie sich befinden und sich tragen?
ob sie noch offens leibs sind? – ob sie etwa gar haben den grind? – –
ob sie mich noch ein bischen könen leiden? – ob sie öfters schreiben mit einer
kreiden? – ob sie noch dan und wan an mich gedencken? – ob sie nicht
bisweilen lust haben sich aufzuhencken? – ob sie etwa gar bös waren? –
auf mich armen narrn; ob sie nicht gutwillig wollen fried machen, oder
ich lass beÿ meiner Ehr einen krachen! doch sie lachen – – victoria! –
– unsre arsch sollen die friedens=zeichen seÿn! – ich dachte wohl, daß
sie mir nicht länger wiederstehen könten. ja ja, ich bin meiner sache gewis,
und sollt ich heüt noch machen einen schiss, obwohl ich in 14 tägen geh nach Paris.
wen sie mir also wolln antworten, aus der stadt Augsburg dorten, so schreiben
sie mir baldt, damit ich den brief erhalt, sonst wen ich etwa schon bin weck,
bekome ich statt einen brief einen dreck. dreck! – – dreck! – o dreck! – –
o süsses wort! – dreck! – schmeck! – auch schön! – dreck, schmeck! –
– dreck! – leck – o charmante! – dreck, leck! – das freüet mich! –
dreck, schmeck und leck! – schmeck dreck, und leck dreck! – –
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Nun um auf etwas anders zu komen; haben sie sich diese fasnacht schon braf
lustig gemacht. in augsburg kann man sich dermalen lustiger machen als hier.
ich wollte wünschen ich wäre beÿ ihnen, damit ich mit ihnen recht herumspringen
nte. Meine Mama und ich, wir empfehlen uns beÿde dem hς: vatter und frau
Mutter
, nebst dem bäsl, und hoffen das sie alle 3 recht gesund und wohlauf
seÿn mögen. wir sind es gott lob und danck. das glaub nicht. desto besser,
besser desto. apropós: wie stehts mit der französischen sprache? – darf
ich bald einen ganz französischen brief schreiben? – von Paris aus, nicht
wahr? – sagen sie mir doch, haben sie den spunicunifait noch? –
das glaub ich. Nun muß ich ihnen doch noch bevor ich schliesse, den ich muß bald
endigen, weil ich Eile habe, den ich habe izt just gar nichts zu thun; und
dann auch, weil ich keinen Plaz mehr habe, wie sie sehen; das Papier
ist schon bald gar; und müd bin ich auch schon; die finger brenen mich
ganz vor lauterschreiben; und endlich auch wüst ich nicht, wen auch wircklich
noch Plaz wäre, was ich noch schreiben sollte, als die historie, die ich ihnen
zu erzählen in sin habe. hören sie also. es ist noch nicht lange, das es
sich zugetragen hat; es ist hier im land geschehen. es hat auch hier viell
aufsehens gemacht, den es scheint ohnmöglich; man weis auch, unter uns ge=
sagt, den ausgang von der sache noch nicht. also, kurz zu sagen, es war,
etwa 4 stunde von hier, das ort weis ich nicht mehr – – es war halt
ein dorf oder so etwas; Nu, das ist endlich ein ding, ob es tribsterill
wo der dreck ins meer rint, oder burmesquick wo man die krumen
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arschlöcher dräht, war; mit einem wort, es war halt ein ort.
da war ein hirt oder schäfer, der schon ziemlich alt war, aber doch noch
robust und kräftig dabeÿ aus=sah; der war ledig, und gut bemittelt,
und lebte recht vergnügt. ja, das muß ich ihnen noch vorher sagen, ehe ich
die geschichte auserzähle, er hatte einen erschröcklichen ton, wen er
sprach; man muste sich allzeit fürchten, wen man ihn reden hörte.
Nu, um kurz von der sache zu reden, so müssen sie wissen – er
hatte auch einen hund den er Bellot nante, einen sehr schönen grossen
hund, weis mit schwarzen flecken. Nu, eines tages, gieng er mit
seinen schaafen daher, deren er 11 tausend unter sich hatte; da
hatte er einen stock in der hand, mit einem schönen rosenfarben
stockband. den er gieng niemahlen ohne stock. das war schon
so ein gebrauch; nun weiter. da er so eine gute stunde gieng,
so war er müde, und sezte sich beÿ einen fluß nieder. Endlich
schlief er ein, und da traumte ihm er habe seine schaaf verlohren,
und in diesen schrocken erwachte er, und sahe aber zu seiner
grösten freüde alle seine schaafe wieder. endlich stund er auf, und
gieng wieder weiter, aber nicht lang; den es wird kaum eine halbe
stunde vorbeÿgegangen seÿn, so kam er zu einer brücke, die sehr
lang war, aber auf beÿden seiten gut geschützt war, damit man
nicht hinab fallen könne; nu, da betrachtete er seine heerde;
und weil er dan hinüber muste, so fieng er an seine 11 tausend
schaaf hinüber zu treiben.
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Nun haben sie nur die gewogenheit, und warten bis die 11 tausend
schaaf drüben sind, dan will ich ihnen die ganze histori aus=
erzählen. ich habe ihnen vorher schon gesagt, daß man den aus=
gang noch nicht weis. ich hoffe aber, daß, bis ich ihnen schreibe, sie
gewis drüben sind; wo nicht, so liegt mir auch nichts daran; wegen
meiner hätten sie herüben bleiben könen. sie müssen sich schon
unterdessen so weit begnügen; was ich davon gewust habe, das habe
ich geschrieben. und es ist besser, daß ich aufgehört habe, als wen
ich etwas dazugelogen hätte. da hätten sie mir etwa die ganze
schistori nicht geglaubt, aber so – – glauben sie mir doch –
die halbe nicht. nun muß ich schliessen, ob es mich schon thut verdriessen;
wer anfängt muß auch aufhören, sonst thut man die leüte stöhren.
an alle meine freünde mein Compliment, und wers nicht glaubt,
der soll mich lecken ohne End, von nunan bis in Ewickeit, bis ich
einmahl werd wieder gscheid. da hat er gwis zu lecken lang, mir
wird dabeÿ schier selbsten bang, ich fürcht der dreck der geht
mir aus, und er bekomt nicht gnug zum schmaus. Adieu bääsle.
ich bin, ich war, ich wär, ich bin gewesen, ich war gewesen, ich wär
gewesen, o wen ich wäre, o daß ich wäre, wollte gott ich wäre, ich
wurde seÿn, ich werde seÿn, wen ich seÿn würde, o das ich seÿn würde,
ich wurde gewesen, ich werde gewesen seÿn, o wen ich gewesen wäre, o daß
ich gewesen wäre, wollte gott ich wäre gewesen, was? – ein stockfisch.
addieu ma chére Cousine, wohin? – ich bin der nämlich wahre vetter
Manheim den 28ten febro 1778          wolfgang Amadé Mozart mp